• mRNA-Impfstoffe lassen sich relativ schnell anpassen und könnten bereits in wenigen Monaten zugelassen und verfügbar sein.
  • Die Booster-Impfung sollte aber nicht aufgeschoben werden, da sie grundsätzlich mehr Schutz bietet als nur die Grundimmunisierung.
  • Wie lange die Sicherheit und Wirksamkeit von Auffrischung-Impfungen anhält, lässt sich aktuell noch nicht beurteilen. Möglicherweise sind vor allem für gesundheitlich gefährdete und ältere Menschen weitere Auffrischungen nötig.
Ein Interview

Die Omikron-Variante des Coronavirus verbreitet sich schneller als vorherige Mutationen und wird sehr wahrscheinlich auch in Deutschland bald die vorherrschende Variante sein. Gleichzeitig bestätigt eine Laborstudie der Universität Oxford nun einen geringeren Schutz gegen Omikron nach doppelter Impfung mit den Impfstoffen von AstraZeneca und Pfizer.

Mehr zum Thema Gesundheit

Die Booster-Impfung könnte einen Teilschutz wiederherstellen, zuverlässig schützen wird aber vermutlich nur ein spezieller Omikron-Impfstoff, davon gehen die Wissenschaftler aktuell aus. Was das bedeutet und worauf man sich in den nächsten Monaten einstellen müssen wird, darüber haben wir mit Professor Hans-Georg Kräusslich vom Universitätsklinikum Heidelberg gesprochen.

Lesen Sie auch: Alle aktuellen Informationen rund um die Corona-Pandemie in unserem Live-Blog

Angepasste Corona-Impfstoffe womöglich ab Frühjahr 2022 verfügbar

Herr Kräusslich, die aktuell verfügbaren Corona-Impfstoffe schützen gegen Omikron nicht ausreichend, eine Anpassung der Impfstoffe ist nötig. Die nächste Auffrischung bahnt sich also an, während viele noch auf die dritte Impfung warten. Was wird uns in den nächsten Monaten erwarten?

Hans-Georg Kräusslich: Genau kann man es im Moment nicht sagen. Klar ist, dass die Firmen ihre jeweiligen Impfstoffe jetzt auf Omikron anpassen und angepasste Impfstoffe ab dem Frühjahr 2022 verfügbar sein könnten, wenn alles klappt. Ich halte es für gut möglich, dass dann eine Auffrischung mit dem angepassten Impfstoff empfohlen werden könnte, aber das kann man erst sagen, wenn man dazu Ergebnisse hat.

Wie ist es möglich, den Impfstoff so kurzfristig anzupassen?

Die mRNA-Impfstoffe lassen sich vergleichsweise einfach anpassen, da man die mRNA synthetisch herstellen und dabei die Sequenz beliebig anpassen kann. Omikron hat viele Mutationen, also Veränderungen in der Erbinformation des Virus. Man stellt nun mRNA her, die ebenfalls diese Veränderungen trägt.

Natürlich muss man dann erneut testen, ob dieser Impfstoff wirksam ist, aber das Verfahren zur Herstellung ist vergleichsweise schnell. Bei Proteinimpfstoffen (z.B. bei dem Impfstoff von Novavax) kann man ebenfalls anpassen, aber es wird länger dauern.

Wann denken Sie, können wir mit dem angepassten Impfstoff rechnen?

Die Herstellung geht schnell und ich vermute, dass bereits aktuell erste Testungen zu Sicherheit und Wirksamkeit zum Beispiel im Tierversuch stattfinden – persönlich habe ich dazu aber keine Informationen. Da der Impfstoff nur geringfügig anders ist als der bereits zugelassene Impfstoff, kann das anschließende Zulassungsverfahren schneller laufen, aber natürlich muss immer noch sehr sorgfältig geprüft werden.

Wenn alles sehr gut verläuft und keine Hindernisse auftauchen, könnten zum 2. Quartal 2022 angepasste Impfstoffe zugelassen werden; auf dem Weg kann es aber natürlich auch noch Verzögerungen geben. Die Produktion wird von den Firmen vermutlich bereits frühzeitig hochgefahren, wenn die Ergebnisse eine Zulassung wahrscheinlich machen sollten, aber natürlich ist dann nicht unmittelbar Impfstoff in riesiger Menge verfügbar.

Ist es sinnvoll auf den angepassten Impfstoff zu warten, um nach der Auffrischungsimpfung nicht gleich wieder zur nächsten Impfung zu müssen oder sollte man sich trotzdem jetzt boostern lassen?

Auf keinen Fall sollte man mit der Booster-Impfung warten, wenn man bisher zweifach geimpft ist. Diese Booster-Impfung wird jetzt ab etwa drei Monaten nach der zweiten Impfung empfohlen. Es zeigt sich zunehmend, dass der Schutz gegen Omikron schwächer ist als gegen Delta und schneller abnimmt.

Das kann durch die Auffrischungsimpfung, den Booster, weitgehend überwunden werden. Aktuell wird aber auch schon von einer möglichen Viertimpfung gesprochen, die in Israel gerade anläuft. Hier wird man sehen müssen, ob dafür möglicherweise eine Auffrischung mit einem angepassten Impfstoff besser sein könnte, das wissen wir aber aktuell noch nicht. In keinem Fall sollte man aber die Drittimpfung verzögern – Omikron setzt sich jetzt bei uns durch und wir brauchen jetzt den bestmöglichen Schutz.

Wie wird es in den nächsten Jahren weiter gehen. Werden immer wieder Auffrischungsimpfungen nötig sein, um ausreichend vor SARS-CoV-2-Viren geschützt zu sein oder baut der Körper möglicherweise nach mehreren Impfungen einen länger anhaltenden Impfschutz auf?

Bei einem neuen Virus und einem neuen Impfstoff kann man nicht so genau vorhersagen, wie lange die Wirksamkeit sein wird und wie häufig gegebenenfalls Auffrischungen und Anpassungen auch in Zukunft erforderlich sein werden. Insofern müssen wir den Verlauf der Infektionen und den Verlauf des Immunschutzes genau beobachten und immer wieder Studien durchführen.

Dies ist dann die Grundlage für die folgenden Empfehlungen. Im Voraus zu sagen, wie häufig zukünftig Impfungen erforderlich sein werden und welche möglichen Risiken daraus entstehen könnten, schiene mir nicht angemessen. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass insbesondere für gesundheitlich gefährdete und ältere Menschen regelmäßige Auffrischungen erforderlich sein könnten. Im Laufe des Jahres 2022 wird man das besser beurteilen können.

Falls wir in diesem Jahr tatsächlich alle paar Monate eine Auffrischungsimpfung benötigen, halten Sie auch diese regelmäßigen Impfungen für unbedenklich?

Das hatte ich bereits in der Antwort zur vorherigen Frage mit berücksichtigt. Ich halte wenig von absoluten Aussagen für die Zukunft, es muss immer wieder neu beurteilt werden, das ist der Kern der Wissenschaft.

Weitere Mutationen des Coronavirus möglich

Könnte es denn grundsätzlich zu weiteren auffälligen Mutationen kommen, die eventuell wieder Impfstoff-Anpassungen erfordern?

Selbstverständlich ist das möglich, das zeigen uns zuletzt Omikron und zuvor Delta. Es gibt keinen Grund, dass das nicht wieder passieren kann, aber auch keine Sicherheit, dass es wieder so sein wird und wenn ja, wann. Der beste Schutz vor neuen Varianten ist eine möglichst weitgehende Eindämmung des Virus weltweit, durch Impfung und die empfohlenen Hygienemaßnahmen.

Wenn sich das Virus nicht vermehrt, weil es keine oder relativ wenige empfängliche Wirte hat, kann es auch nicht oder nicht mehr stark mutieren. Die Entstehung neuer Mutationen ist immer an die Vermehrung des Virus geknüpft.

Wie wird es denn für Kinder und Jugendliche weitergehen? Sie werden noch nicht geboostert, gehen für sie alle Zulassungsschleifen von vorne los?

Aktuell gibt es bereits erste Empfehlungen auch bei Jugendlichen ab 12 Jahren die Booster-Impfung durchzuführen und ich halte das persönlich auch für sinnvoll. Bei jüngeren Kindern ist es noch zu früh, aber die Diskussion wird sicher kommen.

Wenn es einen angepassten Impfstoff geben wird, gehe ich davon aus, dass auch in diesem Fall zunächst eine Zulassung für Erwachsene erfolgen wird. Studien zu Sicherheit und Wirksamkeit werden grundsätzlich zunächst an über 18-jährigen gesunden Personen durchgeführt, insofern wird man auch in diesem Fall zunächst Daten für Erwachsene haben und mit der Zulassung für Erwachsene nicht abwarten, bis es anschließend auch Studien bei Kindern gibt.

Aber wie gesagt, das ist alles hypothetisch – das skizzierte Vorgehen wird sicher so verfolgt werden, ist sinnvoll und entspricht den Regularien. Wir können aber nicht vorhersagen, ob und wie schnell es erfolgreich sein wird. Allerdings gibt die sehr schnelle Entwicklung der aktuellen mRNA-Impfstoffe Anlass zur Hoffnung.

Mehr aktuelle Informationen zum Coronavirus finden Sie hier

Über den Experten: Professor Dr. med. Dr. h.c. Hans-Georg Kräusslich ist Vorstandsmitglied und Leiter der Virologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Zudem ist der Virologe Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrum für Infektionsforschung.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Georg Kräusslich
  • Ärzteblatt: COVID-19: Laborstudie bestätigt geringe Schutzwirkung der Impfung gegen Omikron
  • Studie im medRxiv: Reduced neutralisation of SARS-COV-2 Omicron-B.1.1.529 variant by post-immunisation serum
  • Robert-Koch-Institut: Welchen Einfluss haben die neuen Varianten von SARS-CoV-2 auf die Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe?
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "Einblick" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.