Rund um das Thema Essen und Körpergewicht gibt es viele Weisheiten. Eine davon ist, dass man von spätem Abendessen zunimmt. Aber ist Essen nach 18 Uhr wirklich schlecht für unser Gewicht und unsere Gesundheit?

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Morgens einen Kaffee und eine Kleinigkeit "to go", mittags neben der Arbeit ein belegtes Brötchen und abends dann endlich eine warme Mahlzeit: Wer den Tag über kaum Zeit zum Essen hat, ist abends meist richtig hungrig und haut dann ordentlich rein. Das kann schlecht für unser Gewicht sein - muss es aber nicht.

Die gute Nachricht vorneweg: Abendessen zu später Stunde ist nicht unbedingt ein Dickmacher. Das bestätigt auch Susanne Klaus vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam.

"Es kommt nicht auf die Uhrzeit, sondern immer auf die Energiebilanz des Tages an. Wenn ich den ganzen Tag über gut gegessen habe und abends mache ich damit weiter, kann sich das natürlich negativ auf das Gewicht auswirken. Wer aber nicht mehr isst, als er verbraucht, wird auch durch ein spätes Abendessen nicht dicker", so Klaus.

Andere Länder, andere Sitten

Die Südländer machen es vor, denn zum Beispiel in Spanien oder Italien öffnen viele Restaurants abends erst zu späterer Stunde. Dort ist es ganz normal, vor 20 oder 21 Uhr nicht zu Abend zu essen. Meist wird dann auch noch deftiges und fettiges Essen aufgetischt.

Trotzdem gibt es dort nicht außergewöhnlich viele dicke Menschen. Das liegt mitunter daran, dass in diesen Ländern weniger bis gar nichts gefrühstückt wird, meint die Expertin.

Und dennoch hält sich das Gerücht, dass ein spätes Abendessen dick macht, ziemlich hartnäckig. "Die wenigen Untersuchungen, die es zu diesem Thema gibt, sind widersprüchlich. Keine der Analysen hat bisher zweifelsfrei belegen können, dass Menschen, die spät essen, ungesünder sind oder zu Übergewicht neigen", meint Klaus.

Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2017 hat alle Studien zu diesem Thema zusammengefasst und kam zu dem Schluss, dass ein Zusammenhang zwischen spätem Abendessen und Gewichtszunahme nicht belegbar ist.

Macht spätes Abendessen dick? Qualität des Schlafes kann leiden

Wer kurz vor dem Zubettgehen viel isst, hat dafür oft ein ganz anderes Problem. In der Nacht finden wir mit vollem Magen schwer zur Ruhe. Der Körper versucht zu verdauen und das kann uns unseren wertvollen Schlaf kosten.

"Jede üppige Mahlzeit kurbelt das sympathische Nervensystem an und das macht viele Menschen eher wach als schläfrig. Manch einer spürt davon aber gar nichts und schläft dennoch gut. Es ist auch hier von Mensch zu Mensch unterschiedlich", erklärt Klaus.

Ein fettiges und reichhaltiges Abendessen kann das Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus also aus dem Gleichgewicht bringen. Dann werden aus Ruhe und Entspannung plötzlich Wachheit und ein Schlafproblem.

Wenn wir im Bett liegen, funktioniert die Verdauung nicht so gut wie tagsüber, denn in der Nacht ist unser Stoffwechsel eigentlich auf Ruhe eingestellt und fährt runter: "Durch unseren Biorhythmus haben wir nachts einen niedrigeren Blutdruck und eine niedrigere Körpertemperatur und dadurch brauchen wir weniger Energie."

Essenspausen sind wichtig

Die Expertin erklärt auch, dass es für unseren Körper wichtig ist, Zeitphasen zu haben, in denen wir nichts essen. Das ist meist über Nacht der Fall. Viele Studien belegen, dass Intervallfasten beim Abnehmen hilft. Das Modell 16:8 ist dabei sehr beliebt. Man isst also nur in einem Zeitraum von acht Stunden pro Tag etwas und hat dann 16 Stunden Essenspause.

"Wer spät abends gegen 21 Uhr isst und morgens um 6 Uhr gleich wieder frühstückt, verkürzt diese Pause natürlich deutlich. Der Organismus wird also ständig gefüttert. Das kann auch ein Faktor sein, dass man zunimmt. Letztendlich ist aber immer die Menge entscheidend", so Klaus.

Keine ideale Uhrzeit für das Abendessen

Eine perfekte Zeit für die letzte Mahlzeit des Tages gibt es nicht. Das hängt immer vom eigenen Biorhythmus ab. Wer sich dazu entscheidet, abends eine große Mahlzeit zu essen, weil tagsüber nicht die Zeit oder Ruhe dafür ist, sollte danach dann aber auch wirklich aufhören.

"Viele Leute neigen dazu, am Abend auf der Couch noch irgendwas zu naschen. So machen sie sich ihre Energiebilanz doch noch zunichte und das schlägt sich auch auf das Gewicht nieder", sagt Klaus.

Wer seine Hauptmahlzeit am Abend isst, wird also nicht unbedingt dick – solange die Gesamtenergiemenge passt. Wer gut frühstückt und tagsüber ebenfalls gut isst, sollte abends eher verzichten oder auf leichte Kost umsteigen, um auf der Waage keinen Schreck zu bekommen.

Über die Expertin: Susanne Klaus forscht am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam zur Physiologie des Energiestoffwechsels.
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