Die Zahl an FSME-Erkrankungen steigt stetig. Grund dafür ist der Klimawandel und die dadurch immer wärmer werdenden Winter. Auf einer Pressekonferenz haben Forscherinnen und Forscher der Universität Hohenheim einen Ausblick gegeben, was uns in diesem Jahr erwartet.

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Die Fallzahlen von Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) steigen kontinuierlich. Im Süden Deutschlands gilt die Gefahr, sich durch Zecken zu infizieren, als besonders hoch: Hier gibt es jedes Jahr die meisten FSME-Fälle. Doch auch andere Regionen sind nicht gefeit. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat in diesem Frühjahr weitere zusätzliche Land- und Stadtkreise zu Risikogebieten in Deutschland erklärt, etwa Landkreise in Sachsen. Und auch in Höhen von über 1.200 Metern seien Zecken mittlerweile zu finden.

Bei einer Pressekonferenz der Uni Hohenheim haben Expertinnen und Experten am 14. April über den aktuellen Stand informiert und einen Ausblick gegeben.

"Zecken machen keine Winterpause mehr"

Zecken – und damit das Risiko, an der FSME zu erkranken – sind nicht mehr "nur" ein Sommerproblem. Aufgrund des Klimawandels sind die Tierchen ganzjährig aktiv. Ute Mackenstedt, Parasitologin von der Universität Hohenheim in Stuttgart, warnte bei einer Pressekonferenz vor einer Ausbreitung. "Damit die Zecke im Winter nicht überlebt, braucht es richtig knackig tiefe Temperaturen, die auch einmal wochenlang andauern. Da tiefe Temperaturen von minus 15 Grad durch den Klimawandel selbst in den Alpen immer seltener werden, sind die Zecken auch in den Wintermonaten aktiv", sagte die Expertin.

In den vergangenen Wochen sei die Zeckenaktivität bereits sehr hoch gewesen: Die Tierchen seien schon jetzt "in einer erheblichen Zeckendichte munter unterwegs". 17 FSME-Fälle seien allein in diesem Jahr bislang beim RKI registriert worden. "Zecken machen keine Winterpause mehr", sagte Mackenstedt.

Mehr Nymphen im Frühjahr und Verbreitung nichtheimischer Zeckenarten

Ein großes Problem: Nicht die Zahl der Zecken an sich sei gestiegen, dafür aber die Zahl der Nymphen. Das sind Zecken im Jugendlichen-Stadium. Laut Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, würden immer mehr Nymphen den Winter überstehen. Deshalb sei deren Vorkommen bereits im April und Mai besonders hoch. "Zecken im Allgemeinen haben es gut geschafft, sich an die wärmer werdenden Jahre anzupassen. Einheimische Zecken kommen mit unseren Bedingungen sehr gut zurecht."

Neben den heimischen Arten beobachten die Forschenden auch die Entwicklung anderer Arten, etwa der Hyalomma oder der braunen Hundezecke. Stämme kämen mittlerweile aus Tschechien, der Schweiz oder Österreich, so Mackenstedt. "Es gibt mehrere Arten, die wir beobachten müssen und die sich womöglich in Deutschland niederlassen könnten." FSME-Viren würden auch aus Ost- und Nordeuropa durch Zugvögel und wandernde Tiere eingeschleppt, fügte Dobler an.

Die Expertinnen und Experten gaben zu bedenken, dass die FSME-Situation ein hochkomplexes Geschehen sei und Vorhersagen schwierig seien.

FSME: Deutschland als bundesweites Endemie-Gebiet

Mehr als 80 Prozent der FSME-Fälle deutschlandweit gibt es in Baden-Württemberg und Bayern. Zu den Hotspots zählt etwa der Landkreis Ravensburg. Untersuchungen und die genetische Charakterisierung der FSME-Viren habe gezeigt, dass sich gerade in Süddeutschland viele verschiedene FSME-Stämme etabliert hätten, die für die Krankheitsfälle verantwortlich seien, sagte Mackenstedt. Diese genetische Vielfalt sehe man in anderen Regionen Deutschlands nicht.

Allerdings sagte Dobler: "Das FSME-Virus gibt es in ganz Deutschland. Auch in einer Reihe von Landkreisen, die nicht als Risikogebiete gelten, konnten wir bei Zecken das Virus nachweisen. Das zeigt die Karte des RKI allerdings nicht." Entwarnung könne man laut Mackenstedt deshalb für keine Region in Deutschland geben: "Was die FSME betrifft, ist Deutschland inzwischen ein bundesweites Endemie-Gebiet."

Die Darstellung der Risikogebiete des RKI bezeichneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als irreführend. Denn die weißen Flecken auf der Karte würden nicht bedeuten, dass kein FSME-Risiko bestünde. "Es heißt nur, dass die Anzahl nicht den Schwellenwert übersteigt, bei dem dieser Landkreis zu einem Risikogebiet erklärt wird. Auch das RKI bestätigt, dass FSME-Fälle in fast allen Bundesländern auftreten", erklärte Mackenstedt.

Die Parasitologin betonte außerdem, dass Zecken nicht ausschließlich in Waldgebieten lauern. Auch in heimischen Gärten seien bereits Naturherde nachgewiesen worden – selbst in solchen, die weiter von Wäldern entfernt liegen.

FSME-Symptome werden häufig zu spät erkannt

Bei der Konferenz betonten die Experten zudem, dass FSME oft zu spät oder gar nicht erkannt werde. Die bekanntesten Symptome seien Gehirn- und Hirnhautentzündung, erklärte Dobler. Doch auch Symptome einer Sommergrippe wie Fieber, Kopfschmerzen oder Erbrechen und selbst Darmsymptome könnten unter Umständen auf eine FSME-Infektion hindeuten.

Die FSME könne auch bei Kindern einen schweren Verlauf nehmen, sagte der Mikrobiologe. "Hier wird häufig von einem uncharakteristischen Krankheitsbeginn berichtet, der immer wieder zu verspäteten Diagnosen oder selbst zu Fehldiagnosen führen kann."

Wer oft in der Natur ist, sollte sich impfen lassen

Deshalb appellierte Dobler, sich impfen zu lassen. "Bei 98 Prozent der FSME-Patienten oder -Patientinnen im vergangenen Jahr waren die Erkrankten gar nicht geimpft, oder hatten wegen fehlender Auffrischung-Impfungen einen unzureichenden Impfschutz." Nur wer geimpft sei, sei auch geschützt. "Die Impfung hat eine Effektivität von über 95 Prozent. Sie zählt zu den am besten wirksamen Impfungen und ist auch eine der verträglichsten", sagte Dobler. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt Menschen eine FSME-Impfung, die in ausgewiesenen Risikogebieten leben. Allerdings ist sie laut den Expertinnen und Experten für alle sinnvoll, die regelmäßig in der Natur unterwegs sind.

Neben einer Impfung sollte man außerdem weitere Vorkehrungen treffen. "Das Wichtigste ist, sich nach einem Spaziergang gut abzusuchen. Je früher man eine Zecke entdeckt und beseitigt, desto besser, denn desto geringer ist die Viruslast", empfahl Mackenstedt. Auch Schutzsprays könnten helfen, seien aber kein 100-prozentiger Schutz.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenz zu Auswirkungen des Klimawandels auf Zecken & FSME der Universität Hohenheim am 14. April 2023
  • Mitteilung der Universität Hohenheim "Ganzjährig & bundesweit: Klimawandel begünstigt Ausbreitung von Zecken & FSME"
  • YouTube-Video der Universität Hohenheim "Endemie-Gebiet Deutschland: Klimawandel begünstigt Ausbreitung von Zecken & FSME"
  • Karte der FSME-Risikogebiete des Robert-Koch-Instituts
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