• Wer unter Migräne leidet, wünscht sich oft nur, dass die quälenden Anfälle aufhören.
  • Die gute Nachricht: Betroffene können etwas tun, damit die Attacken seltener oder weniger stark auftreten – mit und ohne Medikamente.

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Wer jemals unter Migräne gelitten hat, der weiß, dass es sich dabei um viel mehr als gewöhnliches Kopfweh handelt: Neben starken, pochenden Kopfschmerzen leiden Betroffene in vielen Fällen auch unter Übelkeit. Hinzu kommt, dass alles zu hell und zu laut erscheint und man sich abgeschlagen fühlt. Oft hilft nur noch Bettruhe in einem abgedunkelten Raum, bis die Attacke abklingt.

Viele Betroffene, die häufig unter Migräne leiden, bekommen gut gemeinte Ratschläge aus ihrem Umfeld, um den Attacken vorzubeugen: mehr trinken etwa, spazieren gehen oder auf bestimmte Lebensmittel verzichten. Was tatsächlich vorbeugend helfen kann, weiß Astrid Gendolla, niedergelassene Neurologin und Schmerztherapeutin aus Essen. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einer Vorbeugung ohne und einer mit Medikamenten.

Vorbeugung ohne Medikamente:

Sport

Sport kann tatsächlich dabei helfen, Migräneattacken vorzubeugen. Besonders gut geeignet ist Ausdauersport, sofern man ihn regelmäßig macht. "Es wird davon ausgegangen, dass bei sportlicher Aktivität dieselben Hirnareale in abgeschwächter Form aktiviert werden wie bei einer Migräne-Attacke", sagt Gendolla. Vermutet wird, dass das Gehirn dadurch mit der Zeit weniger empfindlich auf solche Reize reagiert.

"In welchem Rahmen und welcher Intensität die jeweilige Sportart ausgeübt werden sollte, ist individuell vom Patienten oder der Patientin abhängig", sagt die Schmerztherapeutin. Vorsicht ist bei starkem Ehrgeiz geboten: Ein besonders intensives Training kann auch Migräne-Anfälle auslösen.

"Grundsätzlich sollten Betroffene auf ihre Grenzen achten und sich nicht überanstrengen." Sofern es möglich ist, rät die Expertin zu einem regelmäßigen Training dreimal die Woche für eine halbe Stunde. Sinnvoll ist es, eine Sportart zu wählen, an der man selbst Freude hat.

Entspannung

Stress ist ein häufiger Trigger für Migräne. Viele Betroffene berichten, dass sie bei Stress vermehrt unter Attacken leiden oder nach einer stressigen Zeit Attacken bekommen – zum Beispiel, wenn sie sich am Wochenende eigentlich entspannen möchten. Damit der Stresspegel erst gar nicht so hoch steigt und der Körper regelmäßig zur Ruhe kommt, sind Entspannungsverfahren sinnvoll. "Sie sind ein wichtiges Element in der vorbeugenden Migräne-Therapie", sagt die Neurologin. Während einer Attacke sollte man sie allerdings nicht durchführen.

"Studien zeigen, dass durch Entspannungsübungen die Häufigkeit und Intensität der Migräne durchschnittlich um 40 Prozent reduziert werden konnten", sagt Gendolla. Eine Wirkung zeigte sich in den Studien allerdings erst, wenn die Übungen regelmäßig durchgeführt wurden. "Deshalb sollten Übungen wie die progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Meditation in den Alltag integriert werden."

Ernährung

Nach Rotwein brummt der Kopf: Lösen Lebensmittel wie Rotwein, gereifter Käse oder Schokolade wirklich Migräne-Attacken aus? Es kommt darauf an – aber möglich ist es. Diese Lebensmittel enthalten viel Histamin und andere sogenannte biogene Amine, die bei empfindlichen Personen Attacken triggern können. Nicht jeder reagiert auf jedes Lebensmittel gleich stark. Eine spezielle Migräne-Diät, bei der auf spezielle Lebensmittel verzichtet wird, gibt es deshalb nicht.

"Für Betroffene bietet es sich an, ein Schmerztagebuch zu führen, um die Auslöser zu identifizieren", sagt die Expertin.
Manchmal täuscht man sich aber womöglich auch: Wenn sich eine Migräne anbahnt, verändert sich der Hirnstoffwechsel. Das kann auch zu einem Heißhunger auf Süßes führen. Die plötzliche Lust auf Schokolade wäre dann bereits ein früher Hinweis auf eine bevorstehende Attacke, während man selbst womöglich die Süßigkeiten als Auslöser verdächtigt.

Auch der Blutzucker kann bei Migräne-Anfällen eine Rolle spielen. Manche Betroffene haben die Erfahrung gemacht, dass es ihnen besser geht, wenn sie ihren Blutzuckerspiegel möglichst stabil halten. Das kann man ausprobieren: Es gibt Apps, die den Blutzucker kontinuierlich 14 Tage lang messen und dann Ernährungstipps anzeigen. "Das ist auf jeden Fall einen Versuch wert, da jeder Mensch unterschiedlich verstoffwechselt", sagt Gendolla.

Vorbeugung mit Medikamenten:

Wann würde man auf Medikamente setzen?

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt eine sogenannte medikamentöse Prophylaxe bei mehr als drei Migräne-Attacken im Monat beziehungsweise dann, wenn man an mehr als zehn Tagen im Monat Schmerzmittel einnimmt. "Auch Migräne-Attacken, die mehr als 72 Stunden anhalten, sollten mit Medikamenten behandelt werden", sagt Gendolla.

Sollten Medikamente zum Einsatz kommen, kombiniert man sie idealerweise mit den anderen Methoden zur Vorbeugung.

Welche Medikamente können helfen?

Es gibt verschiedene Medikamente, die zur Vorbeugung bei Migräne eingesetzt werden. "Seit längerer Zeit angewandt werden beispielsweise Betablocker, Antidepressiva, Botox und Kalziumkanalantagonisten", sagt die Neurologin. Auch Magnesium, Vitamin B 2 und Acetylsalicylsäure kommen zum Einsatz.

Relativ neu ist die Therapie mit sogenannten monoklonalen Antikörpern, die manchmal sehr vereinfacht auch als "Impfung gegen Migräne" bezeichnet werden. Welche Therapieform für wen geeignet ist, ist individuell verschieden – und dies kann man am besten mit seinem Arzt oder seiner Ärztin besprechen.

Was sind Antikörper gegen Migräne?

"Wir haben verstanden, dass ein spezielles Protein im Gehirn mitverantwortlich ist für Migräne-Attacken", sagt die Schmerztherapeutin. Dieses Protein wird als CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) bezeichnet. "Hemmt man nun das CGRP durch Antikörper, kann das sehr spezifisch dabei helfen, die Attacken zu reduzieren."

Einer dieser Antikörper, Erenumab, unterbricht beispielsweise den Signalweg der Migräne im Gehirn. Die Entzündungsreaktion, aus der sich eine Attacke entwickelt, wird dadurch im besten Fall ganz gestoppt. Neu dabei ist: Bislang musste man mehrere Therapien zur Vorbeugung ausprobiert haben, bevor die Krankenkassen eine Therapie mit Antikörpern erstatteten. Seit Oktober 2022 ist der Zugang zum Antikörper Erenumab deutlich vereinfacht worden und er wird unabhängig von Vortherapien erstattet.

Wann setzt man Antikörper ein?

Antikörper gegen Migräne werden Gendolla zufolge vor allem dann eingesetzt, wenn Betroffene regelmäßig oder chronisch unter Migräne-Attacken leiden. Die Wirkung zeigt sich in der Regel innerhalb weniger Tage, während man sie bei anderen Medikamenten oft erst nach einigen Monaten beurteilen kann.

Über die Expertin: Dr. med. Astrid Gendolla ist Fachärztin für Neurologie mit der Zusatzqualifikation Spezielle Schmerztherapie und Psychotherapie. Sie ist Mitglied und Regionalbeauftragte der Deutschen Migräne und Kopfschmerzgesellschaft, Mitglied der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes sowie Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. Astrid Gendolla
  • dgn.org: Deutsche Gesellschaft für Neurologie
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