Nervenaufreibende Großereignisse können eine Gesellschaft unter Stress setzen. Die Folge können mehr Herzinfarkte und Schlaganfälle sein. Einen solchen Zusammenhang wollen Forscher nun auch für die Trump-Wahl vor vier Jahren gefunden haben.

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Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten vor vier Jahren hat viele Menschen ziemlich aufgeregt. Aber führte sie auch zu mehr Herzinfarkten und Schlaganfällen? Das legt nun eine US-Studie im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" ("PNAS") nahe.

Darin berichten Forscher der Harvard-Universität und des US-Gesundheitsunternehmens Kaiser Permanente, dass die Zahl der Krankenhausaufenthalte in Südkalifornien aufgrund entsprechender Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den zwei Tagen nach der Wahl am 8. November 2016 spürbar anstieg. Sie schließen daraus, dass gesellschaftlicher Stress ein Gesundheitsrisiko darstelle. Allerdings weist ihre Untersuchung Schwächen auf.

Die Wissenschaftler analysierten Daten der Firma Kaiser Permanente, die unter anderem Krankenhäuser und Arztpraxen betreibt und in Südkalifornien 4,6 Millionen Menschen medizinisch versorgt. Die Forscher konzentrierten sich auf Diagnosen akuter Herzinfarkte und Schlaganfälle bei Erwachsenen sowie auf Fälle von Brustschmerzen und akutem Koronarsyndrom in den Notaufnahmen.

Das Ergebnis: In den zwei Tagen unmittelbar nach der Präsidentschaftswahl 2016 kamen in der Untersuchungsregion 94 Menschen wegen solcher Herz-Kreislauf-Probleme ins Krankenhaus. An den gleichen Wochentagen direkt vor der Wahl waren es 58 Aufenthalte. Damit gab es in den Tagen nach der Wahl 62 Prozent mehr Einweisungen.

Kann Stress in der Politik der Gesundheit schaden?

"In unserer vielfältigen Patientenpopulation, die Südkalifornien als Ganzes widerspiegelt, sahen wir, dass das Herzinfarkt-Risiko nach der Wahl 2016 unabhängig von Geschlecht, Alter und ethnischen Gruppen anstieg", wird Erstautor Matthew Mefford von Kaiser Permanente in einer Mitteilung zur Studie zitiert. Ko-Autor David Williams von der Harvard-Universität ergänzt: "Das ist ein Weckruf für alle Mediziner, stärker darauf zu achten, auf welche Weise Stress in direktem Zusammenhang mit politischen Kampagnen, politischer Rhetorik und Wahlergebnissen der Gesundheit schaden kann."

Karl-Heinz Ladwig, Forschungsleiter für Psychokardiologie an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Technischen Universität München, hält die Aussage der Autoren für durchaus plausibel. Der Mediziner kritisiert allerdings die Auswahl des Untersuchungszeitraums: "Das Zeitfenster wirkt bei näherer Betrachtung etwas konstruiert." Schon bei einer Berücksichtigung von vier Tagen nach der Wahl und einem Vergleich der entsprechenden Tage in der Woche davor sehe das Ergebnis ganz anders aus.

Nichtsdestotrotz zeige die Arbeit, dass Ereignisse wie derartige Wahlen nicht spurlos an Menschen vorbeigingen, sondern eine allgemeine diffuse Stressbelastung auslösen könnten. Derartige Effekte seien bereits aus sorgfältigen Untersuchungen in anderen Zusammenhängen bekannt.

Bei Vorerkrankungen: Stressfaktoren als Trigger

Als Beispiel verweist Ladwig etwa auf eine Studie der Münchener Kardiologin Ute Wilbert-Lampen zur Fußball-WM 2006. Darin stieg die Zahl der eingelieferten Patienten mit Herzinfarkt oder Rhythmusstörungen, wenn Deutschland spielte, bis zum 2,7-Fachen gegenüber den WM-freien Vorjahren. Vergleichbare Phänomene traten nach Katastrophen wie den Erdbeben in Los Angeles 1994 und im neuseeländischen Christchurch 2011 oder nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 auf.

Ladwig, der dem Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung angehört, betont, dass solche akuten Stressbelastungen zwar durchaus in Einzelfällen Herzinfarkte oder ähnliche Beschwerden verursachen könnten. In der Regel seien aber Patienten betroffen, die bereits eine Vorerkrankung hätten: "Dann wirken entsprechende Stressfaktoren als Trigger." Ein solcher Stressor ist den Autoren der aktuellen Studie zufolge vermutlich auch die derzeitige Corona-Pandemie – für Ladwig eine Vermutung, die bereits durch einige überzeugende Arbeiten gestützt werde. (Alice Lanzke/dpa/kad)

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