Ein Wunsch steht auf der Liste der Neujahrsvorsätze häufig ganz oben: Ein paar Kilo abnehmen. Gerade über den Winter nehmen viele Menschen zu. Aber woran liegt das eigentlich? Sind nur die vielen Plätzchen schuld – oder auch die Evolution?

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Die meisten Menschen legen in den Wintermonaten zu – das belegen verschiedene Studien. Je scheußlicher das Wetter ist, desto attraktiver erscheint das heimische Sofa. Bei gleichzeitig steigendem Angebot von Plätzchen und deftigem Essen ist es nicht verwunderlich, dass die Anzeige der Waage nach oben schnellt. Nicht zuletzt deshalb steht Abnehmen in der Rangliste der Neujahrsvorsätze häufig ganz oben.

Braucht der Mensch "Winterspeck"?

Dabei ist der "Winterspeck" aus evolutionsbiologischer Sicht für den Körper durchaus von Nutzen: Das Fettgewebe schützt vor Kälte und hilft, den Winter mit knapperem Nahrungsangebot zu überstehen.

Schon in den 1960er-Jahren fand eine Studie der Cambridge University heraus, dass Personen mit höherem Body-Mass-Index (BMI) aufgrund ihrer größeren Fettreserven tatsächlich langsamer auskühlen, als dünnere Menschen.

Der BMI beschreibt das Körpergewicht im Verhältnis zur Körpergröße und wird zur Abschätzung des Körperfettanteils benutzt. Die Fettschicht hat also einen isolierenden Effekt und verringert so den Wärmeverlust des Körpers – bei Minusgraden ein entscheidender Überlebensvorteil.

Doch während Wildtiere wie Bären oder Murmeltiere noch heute auf ihren Winterspeck als Lebensversicherung angewiesen sind, ist der Mensch in Wohlstandsländern dank Heizung und globalisiertem Lebensmittelmarkt heute nicht mehr von den Jahreszeiten abhängig. Trotzdem nehmen wir im Winter zu. Ist der "Winterspeck" also eine biologische "Gewohnheit"? Können wir womöglich gar nicht anders?

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Mehr Essen, weniger Bewegung: Wer ist schuld am Winterspeck?

Tatsächlich scheinen wir in den kälteren Monaten mehr zu essen als im Sommer. Einer Studie der University of Massachusetts Medical School zufolge nahmen US-amerikanische Testpersonen im Herbst täglich 86 Kalorien mehr zu sich als im Frühjahr. Auch die Zusammensetzung der Nährstoffe änderte sich. So war der Fettanteil in der Nahrung im Herbst höher.

Auch in einer Studie der Universität Reykjavik fanden Forscherinnen und Forscher Hinweise darauf, dass Menschen im Winter kalorienreichere Lebensmittel bevorzugen. Allein der Anblick von Bildern mit winterlichen Szenen löste bei den Testpersonen Gedanken an deftige Mahlzeiten aus. Sie interpretieren das als evolutionäre Reaktion auf eine drohende Nahrungsmittelknappheit im Winter, die das Leben von Menschen noch vor 250 Jahren tatsächlich noch bedrohte.

Neben der Kalorienaufnahme ändert sich aber auch unser Bewegungsverhalten: Aus der Studie der Massachusetts Medical School geht auch hervor, dass sich die Testpersonen in den Wintermonaten am wenigsten bewegten. Dazu zählen auch Aktivitäten wie Spaziergänge oder Gartenarbeit, die im Winter – mutmaßlich wetterbedingt – seltener ausfallen. Diesen Trend belegen auch andere Studien.

Allerdings ist der Einfluss von körperlicher Bewegung auf die Kalorienbilanz geringer, als häufig angenommen. So beeinflusst Bewegung den Gesamtkalorienverbrauch nur um zehn bis 30 Prozent, wobei die obere Grenze wohl nur von Profisportlern erreicht werden dürfte.

Essen wir gegen die Winterdepression an?

Doch selbst wenn man sich aktiv gegen diese Neigung zu mehr Essen und weniger Bewegung stemmt, nehmen wir im Winter schneller zu als im Sommer. Bei Murmeltieren und Co. begünstigen physiologische Prozesse das Ansetzen von "Winterspeck": Durch die kürzer werdenden Tage kommt es zu hormonellen Umstellungen, die die Stoffwechselrate verlangsamen. Das begünstigt den Aufbau von Fettdepots.

Auch bei uns Menschen hat das Tageslicht Einfluss auf physiologische Prozesse: Zu wenig Licht schlägt uns auf die Stimmung. Schwindet das Tageslicht, produziert der Körper vermehrt das "Schlafhormon" Melatonin – auf Kosten unseres Serotonin-Spiegels. Während das "Schlafhormon" im Winter also zunimmt, nimmt das "Glückshormon" ab. Das Ergebnis: Wir fühlen uns müde und weniger gut gelaunt.

Schlechte Laune wiederum kann zu gesteigertem Appetit führen. Das Gehirn versucht, den Serotonin-Mangel durch eine gesteigerte Lust auf Süßes und Fettiges auszugleichen. Denn Lebensmittel mit hoher Kaloriendichte, etwa Schokolade, aktivieren unser Belohnungssystem im Gehirn, wodurch wir uns besser fühlen.

Frau Krank im Bett
Zu wenig Licht schlägt uns auf die Stimmung. © Getty Images/Sabalete

Tageslänge beeinflusst das Gewicht

Und auch auf unseren Fettstoffwechsel könnte das Tageslicht einen Einfluss haben: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Northwestern University of Chicago fanden in einer Studie aus dem Jahr 2014 einen Zusammenhang zwischen Lichtintensität und BMI.

Personen, die mehr Tageslicht abbekamen – insbesondere am Morgen –, wiesen einen niedrigeren BMI auf und waren demnach schlanker als andere Studienteilnehmer. Zwar ist die Studie mit 54 Testpersonen recht klein und daher nur bedingt aussagekräftig, doch auch eine Studie der University of Alberta konnte anhand von menschlichen Gewebeproben einen negativen Effekt von Sonnenlicht auf Körperfettzellen nachweisen.

Es gibt also Hinweise darauf, dass die kürzere Tageslänge im Winter einen direkten Einfluss auf unser Gewicht hat. Allerdings werden die Tage bereits ab Juni kürzer – und während Wildtiere tatsächlich schon ab den Sommermonaten zunehmen, sind die Deutschen laut einer Studie der finnischen Universität Tampere Ende September am leichtesten. Allein mit dem schwindenden Tageslicht lässt sich die Gewichtszunahme also wohl nicht erklären.

Studie belegt Gewichtszunahme über die Feiertage

Die stärkste Gewichtszunahme im Jahresverlauf beobachtete die Studie der finnischen Universität Tampere vor allem Rund um Feiertage: Die Forscherinnen und Forscher untersuchten die Gewichtsveränderungen von knapp 3.000 Studienteilnehmer aus drei Ländern: USA, Deutschland und Japan.

Dabei stießen sie auf ein Muster: Die Studienteilnehmer legten vor allem rund um große Feiertage an Gewicht zu. Die 760 deutschen Testpersonen wogen nach Weihnachten im Durchschnitt 0,8 Kilogramm mehr als vor den Feiertagen. Auch an anderen Feiertagen wie Ostern wurde eine Gewichtszunahme festgestellt, jedoch geringer als an Weihnachten.

Bei den US-amerikanischen Studienteilnehmern ging die Gewichtskurve bereits Ende November nach oben – rund um Thanksgiving. In Japan dagegen wurde eine deutliche Gewichtszunahme während der Goldenen Woche Anfang Mai festgestellt, in die gleich mehrere nationale Feiertage fallen.

Dass die Waage im Januar mehr anzeigt als noch im Oktober, dürfte also vor allem den Weihnachtsfeiertagen geschuldet sein – und wird begünstigt durch physiologische Reaktionen unseres Körpers auf die kalte Jahreszeit.

Für die Gesundheit hat eine kurzfristige und derart geringe Erhöhung des Körpergewichts in der Regel keine Konsequenzen. Bei den meisten Menschen verschwindet der Feiertagsspeck ohnehin wieder, sobald sie zu ihren normalen Gewohnheiten zurückkehren. Zum Risiko wird die weihnachtliche Völlerei dann, wenn das Feiertagskilo nicht wieder verschwindet – und sich die zusätzlichen Polster über die Jahre summieren.

Es spricht also vieles dafür, an Neujahrsvorsätzen wie Abnehmen und mehr Sport treiben dranzubleiben – mindestens, bis die Waage wieder den Stand vor den Feiertagen erreicht. Schlecht fühlen müssen wir uns wegen des "Winterspecks" aber nicht: Die Evolutionsbiologie liefert die perfekte Ausrede.

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