• In der aktuellen Folge des NDR-Podcast "Corona-Update" diskutieren zwei Kinderärzte über die Corona-Impfung bei fünf bis 11-Jährigen.
  • Noch ist die Datengrundlage dünn, die Ständige Impfkommission (Stiko) hat keine generelle Empfehlung für die Altersgruppe ausgesprochen.
  • Die Experten sind sich trotzdem sicher: Die Kinderimpfung ist großflächig zu empfehlen.

Mehr aktuelle Informationen zum Coronavirus finden Sie hier

Es gibt in Deutschland etwa 5 Millionen Kinder im Alter zwischen fünf und 11 Jahren. Nachdem die Ständige Impfkommission (Stiko) im August die generelle Empfehlung zur Corona-Impfung für Kinder ab 12 ausgesprochen hatte, hat sie nun auch ihre Impf-Empfehlung für die Altersgruppe der 5- bis 11-Jährigen angepasst.

Sie "empfiehlt Kindern im Alter von 5 bis 11 Jahren mit Vorerkrankungen die Impfung gegen COVID-19. Bei individuellem Wunsch können auch Kinder ohne Vorerkrankung geimpft werden", heißt es in der Aktualisierung von Anfang Dezember.

Kinder als Infektionstreiber

Gleichzeitig warnte das Robert-Koch Institut (RKI) in seinem jüngsten Wochenbericht: "Kinder und Jugendliche sind weiterhin am stärksten von Infektionen betroffen, und tragen mit Inzidenzen von über 900 bzw. 1.000 in den Altersgruppen der 5- bis 9- und 10- bis 14-Jährigen zu dem hohen Infektionsdruck bei".

Wie also steht es um die Kinder-Impfung? Sollten Eltern ihre Sprösslinge auch ohne Vorerkrankungen impfen lassen und welches Risiko hat eine Infektion für Kinder nach aktuellem Stand? Das ist das Thema der jüngsten NDR-Podcast Folge "Corona-Update".

Stiko-Empfehlung hat Gewicht

Diesmal diskutieren die Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin Georg Hillebrand vom Klinikum Itzehoe und Robin Kobbe von der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf (UKE) über das emotional umkämpfte Thema.

"Die Stiko-Empfehlung hat große Bedeutung für die Kollegen", sagt Kinderarzt Hillebrand. Viele hätten die Empfehlung erst abwarten wollen, ehe sie Kinder gegen Corona impfen – auch, wenn eine noch nicht vorhandene Empfehlung keinem Verbot entspricht.

Nachfrage deutlich gestiegen

"Mit Bekanntwerden der Zulassung stieg die Nachfrage deutlich an", berichtet der Mediziner. In der Praxis erlebe er Eltern, die verzweifelt nach Möglichkeiten gesucht hätten, ihr Kind unter 11 Jahren impfen zu lassen.

Eine Frage, die Hillebrand in der Impfberatung immer wieder hört, lautet: Wie groß ist das Risiko für mein Kind, wenn es sich mit Corona infiziert? Hillebrand kann dann mit Daten aus einer europäischen Studie argumentieren: "In einer Studie mit Daten aus zehn europäischen Ländern im Zeitraum August 2020 bis Oktober 2021 wurden 820.000 symptomatische Fälle bei Kindern unter 18 Jahren gefunden", so Hillebrand. Davon seien 9600 hospitalisiert worden, was einer Rate von 1,2 Prozent entspreche. 640 mussten auf einer Intensivstation behandelt werden.

"Bemerkbare Zahl" in Kinderheilkunde

"Das sind absolut gesehen überschaubare Zahlen, aber wenn man sagt 1 Prozent der symptomatisch infizierten Kinder müssen ins Krankenhaus, ist das eine bemerkbare Zahl in der Kinderheilkunde", ordnet er Experte ein. Aktuell befänden sich in Detuschland 32 Kinder wegen einer Corona-Erkrankung auf einer Intensivstation. "Verschwindend gering im Vergleich zu Erwachsenen", gibt Hillebrand zu -, aber "die höchste Zahl seit Beginn der Pandemie".

Auch, wenn eine Corona-Erkrankung von Kindern meist mild erlebt werde, vergleichbar mit einem grippalen Infekt, sei es keine Krankheit, "die Null Risiko hat, dass es einen schweren Verlauf gibt", sagt Hillebrand.

Kinder müssen selten ins Krankenhaus

Eine deutsche Studie zeichnet ein milderes Bild: "Sie will über Korrekturfaktoren die eigentliche Krankheitslast bei Kindern herausfinden ", erklärt der Experte. Dabei zieht sie neben den offiziellen Meldedaten auch Seroprävalenzstudien mit Antikörper-Nachweisen als Datenquelle hinzu.

Dabei sind 35.9 pro 10.000 Kinder mit Corona hospitalisiert worden. Zählt man aber nur die Kinder, die wegen einer behandlungsbedürftigen Covid-19-Erkrankung ins Krankenhaus kamen – bei denen das Virus also nicht zufällig gefunden wurde, als sie mit einer anderen Erkrankung hospitalisiert waren – reduziert sich die Zahl auf 6.5 pro 10.000. "Beide Studien befinden sich aber noch im Pre-Print", erinnert Hillebrand.

Gefahr für Kinder durch PIMS

Auch Kinderarzt Robin Kobbe empfiehlt die Corona-Impfung bei Kindern "großzügig". Ein besonderes Augenmerk liegt für Kobbe bei Kindern auf "PIMS", dem "Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome". Dieses Entzündungssyndrom kann Wochen nach einer Corona-Infektion bei Kindern auftreten, auch, wenn die Infektion unbemerkt oder mit nur sehr schwachen Symptomen verlaufen ist. Mehrere Organe sind bei dem Syndrom befallen, Kinder müssen im Krankenhaus behandelt werden.

Seit Beginn der Pandemie registriert die "Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie" (DGPI) etwa 480 Fälle. "Zuletzt waren die PIMS-Fälle wieder rückläufig", sagt Kobbe. Entwarnung bedeute das aber nicht: "Es gibt verschiedene Theorien, um das zu erklären: Zum Beispiel, dass das Delta-Virus weniger PIMS macht oder es Saison-Effekte gibt", so der Experte. Insgesamt verstehe man die Faktoren in der Wissenschaft noch nicht ausreichend.

Nicht nur Vorerkrankte gefährdet

"Erkrankte Kinder sind sehr schwer krank", betont der Mediziner. Sie würden mit Immunglobulinen behandelt, bekämen Steroide und benötigten manchmal Kreislaufunterstützung. Die Daten könnten erst in Zukunft zeigen, ob auch PIMS-Fälle durch die Impfung verhindert werden könnten.

Die Anzahl von schweren Erkrankungen bei Kindern im Zusammenhang mit dem Coronavirus hält der Experte generell jedoch für "relevant". Dabei seien nicht nur vorerkrankte Kinder gefährdet. In den zwei Fällen, bei denen zuletzt am UKE Kinder mit schwerem Atemnotsyndrom behandelt worden seien, sei ein Kind vorerkrankt gewesen, das zweite nicht gravierend.

Übergewicht als Risiko

"Vorerkrankungen wie Krebs, Diabetes, Herz- oder Lungenkrankheiten steigern das Risiko für einen schweren Verlauf auf bei Kindern deutlich", sagt Kinderarzt Hillebrand. 83,7 Prozent der Kinder, die mit Covid im Krankenhaus landeten, hätten aber keine Vorerkrankung.

Manche Risikofaktoren hätten Eltern dabei auch nicht ausreichend auf dem Schirm: "Übergewicht ist ein Risikofaktor, ich würde großzügig dazu raten, adipösen Kindern die Impfung zu geben", sagt zum Beispiel Kobbe.

Long Covid bei Kindern?

Auch "Long Covid" ist ein Thema bei Kindern. Die Schätzungen von Experten, wie viele Prozent der Kinder, die an Corona erkranken, "Long Covid" bekommen, gehen weitauseinander: Sie liegen zwischen unter einem Prozent bis 17 Prozent.

"Eine Konsensusleitlinie wird derzeit noch entwickelt", erinnert Hillebrand. "Long Covid" sei in seiner Definition noch zu unscharf – darunter würde andauernder Husten wenige Wochen nach der Erkrankung ebenso gezählt, wie Einzelfallberichte von monatelanger Leistungsschwäche.

Keine Herzmuskelentzündungen in USA

Den Eltern versuchen die Mediziner ihre Sorgen derweil zu nehmen: "Ich glaube, dass man sich bei dem Impfstoff wirklich sehr sicher fühlen kann", betont Hillerand. Die Daten aus Amerika seien "wirklich gut". "In der Gruppe der Kinder zwischen 5-11 ist bisher kein Fall von Myokarditis in Amerika gefunden worden", sagt Hillebrand. Die Häufung einer solchen Herzmuskelentzündung wurde gerade für die Altersgruppe der jungen Männer heftig diskutiert.

Auch Kobbe erinnert: "Wenn von Langzeitschäden bei Impfungen gesprochen wird, geht es um Schäden, die in zeitlicher Nähe zur Impfung auftreten und lange andauern." Es sei wiederum nicht zu erwarten, dass erst nach langer Zeit Schäden auftreten würden.

Warten auf Novavax für Kinder?

Dass eine Booster-Impfung auch bei Kindern nötig sein wird, halten die Experten für vorstellbar. Bei den ersten beiden Impfungen raten sie zu einem "pragmatischen" Abstand. "Immunologisch ist es sinnvoll, eher vier bis sechs Wochen zu warten, allerdings sind jetzt gerade die Inzidenzen so hoch", sagt Hillebrand. Die Antikörper-Antwort sei auch nach drei Wochen gut.

Auf den "Totimpfstoff" des Herstellers Novavax zu warten, halten die Kinderärzte derweil für wenig sinnvoll. "Es handelt sich um einen Impfstoff für Erwachsene", sagt Kobbe. Bis er für Kinder zugelassen sei, vergingen Monate.

Verwendete Quellen:

  • NDR.de: Podcast: Corona-Update. Folge vom 15.12.2021
  • Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie: Aktuelle Ergebnisse der Datensammlung von PIMS Fällen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland
  • Robert-Koch Institut: Wöchentlicher Lagebericht vom 09.12.2021
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "Einblick" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen.


JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.