• Elektroautos sind die großen Gewinner der Mobilitätswende.
  • Doch die Umweltverträglichkeit der Elektrofahrzeuge ist vor allem aufgrund der verbauten Rohstoffe umstritten.
  • Und auch beim Recycling der Akkus muss sich laut Experten noch viel tun.

Mehr Panoramathemen finden Sie hier

Beim Elektroauto gibt der Verwaltungsapparat Vollgas. Keine zwei Jahre werden vergangen sein, wenn Tesla-Chef Elon Musk im Sommer seine "Gigafactory" bei Berlin eröffnen wird. Für eine Stadt, in der Bauvorhaben normalerweise in Dekaden gemessen werden, ist das eine ungewöhnliche Geschwindigkeit, die zeigt, welche Euphorie das E-Auto auf den höchsten Ebenen entfacht. Sichtbar wurde dies auch bei den Corona-Hilfen für die deutschen Autobauer. Wer nur Verbrenner im Produktportfolio vorzuweisen hatte, blitzte beim Kanzleramt ab. Großzügig gefördert wurden hingegen die Stromer.

Die Regierung handelte dabei nicht uneigennützig. Sofern Deutschland seine Klimaziele erreichen will, ist die Elektrifizierung des Transportsektors alternativlos. Bis 2030, so sieht es der Beitrag zum Pariser Klimaabkommen vor, soll der CO2-Ausstoß in Deutschland um 50 Prozent sinken. PKW, Motorräder und Lastwagen müssen mindestens 65 Millionen Tonnen beisteuern. Das ist ungefähr so viel, als würde drei Jahre lang kein Flugzeug mehr abheben. Erst kürzlich hat der Verband der Automobilindustrie vorgerechnet, dass die enormen Einsparungen nur dann zu erreichen wären, wenn 2030 jedes zweite Auto elektrisch fährt. Gefühlt ist es fast schon so weit – zumindest in den Innenstädten: Dort gehören die leisen Flitzer längst zum gewohnten Bild.

Ob damit die Umweltbilanz des Straßenverkehrs gerettet wird, ist noch nicht ausgemacht. Rund 13 Kilogramm Lithium und Kobalt werden in den bis zu 700 Kilogramm schweren Akkus verbaut, ihre Fördermethoden sind hochumstritten. Schmälert das den Effekt?

Experte nennt die Debatte "heuchlerisch"

Nachfrage bei Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW-Hochschule Berlin. Er möchte zunächst mit einem Missverständnis aufräumen. "Man hört in der Diskussion oft von seltenen Erden", so der Experte. "Aber seltene Erden werden in Elektrobatterien gar nicht verwendet. Lithium und Kobalt sind auch nicht problematischer als viele andere Rohstoffe."

Quaschning hält die Kritik an Arbeitsbedingungen in Minen und Umweltschäden im Abbau für berechtigt. Die Rohstoffdebatte nur auf das E-Auto zu fokussieren, hält er allerdings für falsch. Die Rechnung ist einfach: Bis heute übersteigt der Bedarf an Lithium für Laptops, Kameras oder Stahllegierungen die Nachfrage der Autohersteller. Kobalt kommt zum Beispiel als Trocknungsmittel in vielen Farben zum Einsatz oder wird für Speziallegierungen in Flugzeugtriebwerken verwendet. Angesichts der aktuell bekannten globalen Reserven für Lithium (16 Millionen Tonnen), Kobalt (7,1 Millionen Tonnen) und Nickel (74 Millionen Tonnen) erwartet auch das Freiburger "Öko-Institut" in den nächsten Jahren keine Verknappung. "Mir kommt die Diskussion schon etwas heuchlerisch vor", kritisiert Quaschning.

Problematisch ist Lithium allerdings nicht nur, weil Rohstoffe endlich sind, sondern auch, weil ihr Abbau mit großen Umweltschäden einhergehen kann. Um Lithium zu gewinnen, müssen Wasserschichten mit hoher Salzkonzentration an die Oberfläche gepumpt werden, was dazu führt, dass Grundwasser aus der Umgebung nachfließt. Die Folge ist ein Absinken des Wasserspiegels, mit schweren Folgen für Tiere, Pflanzen und Menschen. In der Atacama-Wüste in Chile, einem besonders wirtlichen Ort für die Lithium-Gewinnung, kämpfen die Einheimischen mit einem mächtigen Konkurrenten um die knappen Wasserressourcen – den Minengesellschaften. Das ist die Kehrseite der Elektromobilität.

Autoindustrie hat das Lithium-Problem erkannt

Teile der Autoindustrie haben ihre Zulieferer deshalb verpflichtet, ihre Produktionsstätten aus Chile abzuziehen. Seit einigen Jahren hat Australien, wo Lithium im Bergbau gewonnen wird, Chile als größten Exporteur verdrängt. Lithium aus Australien ist deutlich teurer, aber umweltschonender. BMW will beispielsweise ab dem kommenden Jahr seinen gesamten Lithium- und Kobalteinkauf für Autoakkus selbst organisieren und dabei ausschließlich auf australische Produkte setzen. Einige Modelle wie etwa Tesla Model S, Audi E-Tron oder Renault Zoe kommen laut Herstellerangaben sogar ganz ohne seltene Erden aus. Auch deshalb sieht Experte Quaschning berechtigten Anlass zur Hoffnung: "Schon in wenigen Jahren werden Akkus mit einem Bruchteil der Rohstoffe von heute auskommen, problematische Rohstoffe werden ersetzt und die Rohstoffe lassen sich durch moderne Technologien deutlich umweltfreundlicher fördern und recyceln."

Bis dahin geht es erst einmal darum, die bestehenden Laufzeiten zu verlängern. Experten schätzen, dass die Lebensdauer der Akkus noch lange nicht ausgereizt ist. Die Autobauer zahlen heutzutage hohe Summen dafür, um Akkus zu entwickeln, die möglichst lange halten. 160.000 Kilometer Garantie auf die Batterie sind mittlerweile der Branchenstandard, einzelne Autohersteller wie Toyota versprechen sogar eine Million. Das ist länger als die meisten Verbrennermotoren schaffen.

Ausgediente Autoakkus haben ein zweites Leben

Wenn die Batterien zu schwach für den Motoreinsatz sind – das ist in der Regel bei einem Energiegehalt von 70 bis 80 Prozent der Fall – werden sie nicht verschrottet, sondern als stationärer Stromspeicher genutzt, zum Beispiel für erneuerbare Energien. "Secondary Life" heißt der Fachbegriff. Was geht, ist beispielsweise am Fährterminal des Hamburger Hafens sichtbar, wo ein Großspeicher aus zusammengeschalteten BMW i3-Akkus Schwankungen im Hamburger Großnetz ausgleicht. Auch am Leipziger Werk, wo der i3 gebaut wird, haben die Bayern einen Speicher aus 700 zusammengeschalteten Batterien errichtet, der Solar- und Windstrom speichert.

Länger als 15 Jahre hält allerdings kaum ein Akku der aktuellen Generation durch. Damit droht in den nächsten Jahren die Zahl der zu entsorgenden Akkus hochzuschnellen. Das Recycling wird dann nicht nur zu einem technischen, sondern auch einem politischen Akt.

Umweltschützer kritisieren etwa, dass die meisten Autohersteller lieber neue Rohstoffe aus Minen beziehen, als eine Infrastruktur für einen geordneten Recycling-Prozess aufzubauen. In einigen Staaten wie Italien, Österreich und der Schweiz gibt es aktuell noch keine einzige Firma, die zertifiziert ist, Lithium-Ionen-Batterien zu verwerten. Auch im eigentlichen Elektro-Vorzeigeland Norwegen sieht es ähnlich mau aus. Dieser Umstand trägt mitunter kuriose Blüten. Als ein Autofahrer im vergangenen Jahr seinen Tesla auf einer Landstraße in Tirol (Österreich) zerlegte, dauerte es Wochen, bis ein Recycling-Unternehmen das havarierte Fahrzeug mitsamt der Batterie entsorgen konnte.

Schuld sind nicht nur die Autobauer, sondern auch die Schläfrigkeit der EU. Eine Richtlinie aus Brüssel, die die Entsorgung von Batterien regelt, stammt noch aus einer Zeit, in der Elektroautos nur Bauskizzen waren. So müssen lediglich 50 Prozent der Batterie recycelt werden, was allein durch das Entfernen von Gehäuse und Komponenten erreicht wird. Die kostenintensive Wiedergewinnung der Rohstoffe tut sich mit dieser Regelung kaum ein Unternehmen an.

Experte Quaschning mahnt deshalb, zeitnah in die Kreislaufwirtschaft einzusteigen. Technisch sei das kein Problem. "Recycling-Unternehmen haben inzwischen Verfahren entwickelt, bei denen der Akku mechanisch zerkleinert und dann in seine einzelnen Rohstoffkomponenten aufgeteilt wird. Das spart viel Energie und erlaubt sehr hohe Rückgewinnungsquoten." Es scheint also, als fehle jetzt nur noch der Wille.

Über den Experten: Prof. Dr. Volker Quaschning ist Ingenieurwissenschaftler und Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin. Sein Lehrbuch "Regenerative Energiesysteme" gilt als Standardwerk für erneuerbaren Energien und wurde international rezipiert. Quaschning ist Initiator der "Scientists for Future".

Verwendete Quellen:

  • Efahrer.com: Rohstoffe für E-Autoakkus: So kritisch ist deren Förderung wirklich
  • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Welchen Rohstoffbedarf haben Elektroautos?
  • Springer Professional: Ist Second Life besser als direktes Akku-Recycling?
  • ADAC: So funktioniert das Recycling
  • PwC: Bis 2030 ist jeder dritte Neuwagen in der EU ein Elektroauto

UNESCO-Welterbe bedroht: Feuer vernichtet fast 80.000 Hektar Wald auf Fraser Island

Im australischen Bundesstaat Queensland kämpfen Einsatzkräfte gegen ein verheerendes Buschfeuer auf der Touristeninsel Fraser Island. Die seit über sechs Wochen wütenden Brände vernichteten bereits fast die Hälfte der größten Sandinsel der Welt.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.