Politiker aller Parteien stellen sich geschlossen gegen rechte Hetzer und Fremdenhass. Doch mit Worten allein ist den Flüchtlingen in Deutschland nicht geholfen – denn es gibt viel zu tun: Schnellere Asylverfahren, besserer Schutz für Unterkünfte, mehr Unterstützung für Freiwillige. Wir machen fünf Vorschläge.

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Sigmar Gabriel hat es getan, Joachim Gauck auch – und sogar Angela Merkel. Egal ob Vize-Kanzler, Bundespräsident oder Kanzlerin: Sie alle waren in den vergangenen Tagen für Flüchtlinge unterwegs. Und sie alle fanden ungewohnt deutliche Worte aufgrund der jüngsten Hetze gegen Asylbewerber und Ausländer. Mit dem Begriff "Pack" hatte Gabriel die Fremdenhasser im sächsischen Heidenau attackiert. "Beschämend und abstoßend" nannte Tage darauf Merkel die rassistischen Ausschreitungen. "Wir werden nicht dulden, dass Rechtsbrecher für dieses Deutschland stehen", stellte auch Gauck am Mittwoch klar.

Alle drei Politiker sind sich einig: Es braucht dringend weniger rechte Hasser und mehr Hilfe für Flüchtlinge in Deutschland. Aber wie soll diese Hilfe konkret aussehen? Und wo muss am dringendsten gehandelt werden?

#1: Asylverfahren, Einrichtungen und Unterkünfte verbessern

"Die Politik hat bereits erkannt, dass die Ad-Hoc-Hilfe schneller funktionieren muss – etwa, dass Asylverfahren schneller bearbeitet werden müssen", sagt Hannes Schammann, Juniorprofessor für Migrationspolitik an der Universität Hildesheim, im Gespräch mit unserem Portal. Doch etwas zu erkennen, ist eben nur das eine – es auch in der Praxis zügig umzusetzen, das andere. Und genau da hapert es derzeit noch, nach wie vor dauert es oft Monate, einen Antrag zu bearbeiten. Mit schnelleren Verfahren könnten jedoch jene, die tatsächlich in Deutschland bleiben dürfen, auch schneller zu einem normalen Leben zurückfinden.

Denn an die langsamen Verfahren knüpfen auch Probleme bei Erstaufnahmeeinrichtungen und Unterkünften an. Dafür sind die Länder und Kommunen zuständig. Doch diese kämpfen jeden Tag aufs Neue damit, die vielen Neuankömmlinge unterzubringen. Immer wieder reichen die Plätze nicht und Einrichtungen müssen kurzzeitig schließen, etwa die Bayernkaserne in München. Schon lange fordern die Länder deshalb mehr Geld vom Bund, eine Milliarde Euro wurde ihnen bereits gewährt. Wie das "Handelsblatt" nun berichtet, könnten noch in diesem Jahr weitere Gelder fliesen – und das dürfte auch dringend nötig sein. Denn die nächste Baustelle wartet bereits, wie Schammann weiß: "Eine der größten Herausforderungen wird sein, vor dem Winter die Zeltstädte in sichere Quartiere umzuwandeln."

#2: Beamte für Asylanträge schneller schulen

Wer sich besser um Flüchtlinge kümmern will, braucht mehr Personal. Das hat offenbar auch die große Koalition in Berlin erkannt: Schon Anfang Mai entschied sie, das Personal im Bundesamt für Migration deutlich aufzustocken. Bis zu 2.000 neue Mitarbeiter sollen dabei helfen, Asylanträge schneller zu bearbeiten. Aber: "Diese Stellen müssen erst einmal besetzt und die neuen Mitarbeiter geschult werden. Man lernt nicht über Nacht, ein Asylverfahren durchzuführen. Und auch die Qualität der Verfahren darf nicht leiden", sagt Schammann. Und so lange die neuen Beamten nicht vollends geschult sind, stapeln sich die Anträge weiter.

#3: Flüchtlingsheime besser schützen

Viele Menschen blicken besorgt auf Ausschreitungen wie in Heidenau oder Anschläge auf Flüchtlingsheime. Denn was dort passiert, hat nichts mehr mit einer politischen Meinung gemein, sondern ist purer Hass. Experten pochen deshalb auf mehr Schutz für Unterkünfte: "Es muss mehr getan werden – nicht nur in Heidenau, sondern auch anderswo – um Flüchtlingsheime besser zu schützen, auch durch die Polizei", sagte der Extremismusforscher Hajo Funke im Interview mit dem "Rundfunk Berlin-Brandenburg". Auch die Polizeigewerkschaft fordert Schutzzonen um alle Flüchtlingsheime. Justizminister Heiko Maas (SPD) lehnt dies bisher ab und möchte lieber einzelne Heime besser schützen. Beobachter sind sich vor allem einig darin, dass es Schutz nicht erst geben darf, nachdem die Gewalt bereits eskaliert ist – sondern rechtzeitig davor.

#4: Private Helfer intensiver unterstützen

Joachim Gauck teilte das Land am Mittwoch in ein "Dunkeldeutschland" der Hetzer und Brandstifter und in ein "helles Deutschland" der Freiwilligen und Helfer. Tatsächlich werden angesichts der negativen Schlagzeilen leicht die Tausenden von Menschen übersehen, die sich freiwillig für Flüchtlinge einsetzen. "Ich erlebe eine gute Zusammenarbeit zwischen kommunaler Verwaltung und ehrenamtlichen Helfern. Die Kommunen wissen sehr wohl, was sie an ihren Freiwilligen haben", berichtet auch Migrationsforscher Schammann. Zugleich schränkt er jedoch ein: "Das freiwillige Engagement muss teilweise noch besser koordiniert und begleitet werden. Denn oft tauchen rechtliche oder persönliche Fragen auf, zum Beispiel: Wie nah lasse ich einzelne Schicksale an mich heran? Hier könnten die Kommunen noch mehr tun, damit die Ehrenamtlichen auf längere Sicht nicht ausbrennen."

#5: Legale Zuwanderung erleichtern

"Ein neues Einwanderungsgesetz könnte mehr legale Möglichkeiten für die Menschen schaffen, die eigentlich im Asylverfahren falsch sind, weil dieses auf Verfolgung abzielt", erklärt Schammann. Schließlich ist in Artikel 16a des Grundgesetzes klar definiert: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." Doch dies trifft nur auf einen Teil der Ausländer zu, die nach Deutschland wollen. Legale Einwanderung ist hingegen seit 2005 im Zuwanderungsgesetz geregelt. Viele Politiker fordern jedoch schon länger, dieses mit einem neuen Gesetz zu reformieren. Ein klarer und einfacher Weg für Zuwanderer könnte nicht nur der Wirtschaft mehr Fachkräfte bringen, sondern auch die Zahl der Asylanträge reduzieren. Raimund Becker, Chef der Bundesagentur für Arbeit, plädierte bereits vergangenen Monat dafür, hochqualifizierte Flüchtlinge und deren Familien aus dem Asylverfahren herauszunehmen. Bis sich die Berliner Koalition überhaupt auf das Vorhaben eines neuen Gesetzes verständigen kann, dürfte es allerdings noch dauern – von den eigentlichen Regeln ganz zu schweigen.

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