Medizinische Operationen retten Leben – zumindest heute. Geht man allerdings 300 oder mehr Jahre in der Geschichte zurück, brauchte es eine ordentliche Portion Glück, um einen chirurgischen Eingriff zu überleben.

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Nach allem, was man heute weiß, ist es eigentlich ein Wunder, dass der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. überhaupt 79 Jahre alt wurde. Nicht weil er besonders viele Krankheiten gehabt hätte, ganz im Gegenteil.

Seiner guten Grundkonstitution hatte es der mächtige Herrscher wohl zu verdanken, dass er die Behandlung seiner Leibärzte so viele Jahrzehnte überlebte. Denn das medizinische Wissen im 17. und 18. Jahrhundert basierte teilweise auf hanebüchenen Lehren und fatalen Praktiken.

So gingen die Gelehrten am Hof des Königs davon aus, dass die Zähne ein unvergleichlich hohes Infektionsrisiko darstellen. Prinzipiell nicht verkehrt – viele Menschen starben an Zahnkrankheiten und deren Folgen. War das Gebiss vom vermeintlichen Zahnwurm befallen, rückten umherziehende Bader und Zahnbrecher mit einer groben Zange an, um das Übel wortwörtlich bei der Wurzel zu packen.

Eine Narkose oder Betäubung gab es nicht – die Dauer der Qual hing einzig von der Schnelligkeit und Geschicklichkeit des Baders ab. Wissen zur Wundheilung und Mundhygiene war kaum vorhanden, sodass nach der Behandlung dennoch etliche Patienten verstarben.

Oft richteten Ärzte enormen Schaden an

Um diesem Schicksal vorzubeugen, wurden dem Sonnenkönig auf Anraten der Leibärzte schon in jungen Jahren alle Zähne und ein Teil des Gaumens entfernt. Als Folge der wenig fachmännischen und überflüssigen Operation hatte Ludwig XIV. ein Leben lang Probleme mit der Nahrungsaufnahme: Sämtliche Mahlzeiten wanderten unzerkaut in seinen Magen, nicht selten vergammelten Essensreste in seinem löchrigen Kiefer.

Wer sich also vor hunderten Jahren in die Hände von Ärzten begab, dessen Überlebenschancen waren nicht unbedingt besser als ohne Behandlung. Noch bis weit ins 18. Jahrhundert war die sogenannte Vier-Säfte-Lehre weit verbreitet, derzufolge Krankheiten durch ein Ungleichgewicht von gelber und schwarzer Galle, Blut und Schleim entstehen.

Um das Gleichgewicht der vier Säfte wieder herzustellen, war die Blutabnahme via Aderlass eine viel praktizierte Methode – was die Patienten aber meist noch zusätzlich schwächte. Heute geht man davon aus, dass der Tod des amerikanischen Präsidenten George Washington zum Teil auf Aderlass zurückzuführen ist.

Kaiserschnitt ohne Betäubung

Lief während einer Geburt etwas schief, war das für Mutter oder Kind (oft auch für beide) das Todesurteil. "Hatte sich der Kopf des Kindes im verengten Geburtskanal verklemmt, so versuchten Hebammen und Chirurgen, mittels einer Zange das Kind herauszuziehen", erklärt Kerstin Wirth vom Institut für Geschichte der Medizin an der Universität Erlangen-Nürnberg.

"Gelang dies nicht oder starb das Kind in der Gebärmutter, mussten die Geburtshelfer und die Angehörigen eine schwere Entscheidung treffen: Auf der einen Seite bestand die Möglichkeit, das Kind mittels einer zerstückelnden Operation aus dem Mutterleib zu entfernen." Diese sogenannte Embryotomie war für die Mutter äußerst riskant, doch es bestand immerhin eine Überlebenschance.

"Auf der anderen Seite konnte man mit einem Kaiserschnitt möglicherweise das Leben des Kindes retten; für die Mutter bedeutete dieses Vorgehen jedoch fast sicher den Tod", berichtet Wirth weiter. Denn vor rund 300 Jahren gingen die Mediziner davon aus, dass es schädlich wäre, nach der Operation den Schnitt in der Gebärmutter zu nähen. "Lediglich die Bauchdecke wurde mit einer Naht verschlossen".

Qualvolle Augenoperationen und Amputationen

Bis die Anästhesie Anfang des 19. Jahrhunderts erste Erfolge in Bezug auf Betäubung erzielte, waren Operationen für die Patienten die reinste Qual. Pflanzen wie Mohn, Alraunen und Binsenkraut sowie Alkohol konnten etwa die Schmerzen eines sogenannten Starstichs nur bedingt lindern.

Bei dieser Methode zur Behandlung von Grauem Star stach der Operateur mit einer Nadel ins Auge, um die getrübte Linse auf den Boden des Augapfels zu drücken. Ohne einen Helfer, der hinter dem Patienten stand und seinen Kopf fest im Griff hatte, wäre dieser Eingriff nicht möglich gewesen.

Besonders grausam war das Fehlen von Schmerzmitteln und Betäubungen bei Amputationen. Den Patienten wurden die Augen abgedeckt, um ihnen den Anblick zu ersparen. "Die Geschwindigkeit ist ein wichtiger Faktor bei der Amputation", erklärt Marion Maria Ruisinger vom Institut für Geschichte der Medizin an der Uni Erlangen-Nürnberg.

"Ein geschickter Chirurg setzt in wenigen Minuten eine Gliedmaße ab. Für den Patienten, der während der Operation keinerlei Schmerzbetäubung erhält, verringert nur die Schnelligkeit des Operateurs die Dauer seiner Qual."

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