Vor eineinhalb Jahren war es der Einsturz der im Bau befindlichen Autobahnbrücke bei Werneck, jetzt ist es das Riesenloch auf der Autobahn bei Tribsees in Mecklenburg-Vorpommern: Wie ist es angesichts unzähliger Sicherheitsvorschriften möglich, dass hierzulande Bauprojekte zu Albträumen werden? Wir haben bei zwei Experten nachgefragt.

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Deutsche gelten als genau und auf Vorschriften bedacht. Man könnte also meinen, dass Bauprojekte hierzulande kein Problem darstellen sollten. Trotzdem kommt es immer wieder zu Unglücken bei Großbauprojekten.

Dramen in Trudering, Bad Reichenhall und Köln

Man erinnere sich an den Bus, der 1994 im Münchner Stadtteil Trudering in einen zehn Meter tiefen Krater stürzte. Das Loch im Boden tat sich plötzlich bei Tunnelarbeiten für den Neubau einer U-Bahnlinie auf.

Im oberbayerischen Bad Reichenhall brachten Schneemassen das Dach einer Eissporthalle zum Einsturz. Bei dem Unglück im Jahr 2006 starben 15 Menschen.

Bauarbeiten unter der Erde führten 2009 zum Drama um das historische Archiv in Köln. Drei Häuser fielen in sich zusammen, zwei Menschen kamen ums Leben.

Zu den jüngsten Baudebakeln zählt die Schraudenbach-Brücke an der A7 im Landkreis Schweinfurt. Während des Neubaus der Autobahnbrücke im Juni 2016 stürzte das Traggerüst der Brücke ein und riss einen Bauarbeiter in den Tod.

Auch das immer größer werdende Loch auf der A20 bei Tribsees wirft Fragen hinsichtlich Fehlplanung, Konstruktionsfehler und menschlichen Versagens auf.

Größtes Restrisiko: der Erdboden

Josef Seebacher, Bauingenieur und Pressesprecher der Autobahndirektion Südbayern, erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, dass beim Bauen immer ein gewisses Restrisiko bleibt. "Gerade wenn es um den Erdboden geht, kann immer etwas Unerwartetes in größerer Tiefe sein."

Der Boden sei ein natürliches Element, das der Mensch eben nicht im Labor aufbereitet habe und deshalb hier nur stichpunktartig und in gewissen räumlichen Abständen hineinblicken könne.

Nach seiner Einschätzung passiert in Deutschland nur noch sehr wenig, "weil die Ingenieurswissenschaft aus jedem Fehler lernt und dies in der Zukunft verbessert."

Was bringen noch mehr Sicherheitsvorschriften?

Den Brückeneinsturz auf der A7 bei Werneck sieht Josef Seebacher als eine "absolute Verkettung von unglücklichen Umständen". Mehrere Sicherungen hätten gleichzeitig versagt und eventuell komme auch noch menschliches Versagen hinzu.

Generell bewegen sich für ihn die Sicherheitssysteme bei öffentlichen Bauvorhaben hierzulande auf einem sehr hohen Niveau: "Wir haben mit Statikern, unabhängigen Prüfstatikern und Baufirmen sehr viele Ebenen, die sich um Sicherheitsvorschriften kümmern."

Er spricht sich gegen zusätzliche Vorschriften aus: "Wenn wir noch mehr einführen, dann werden Genehmigungs- und Bauverfahren noch langatmiger sowie Kosten und Aufwand immer höher."

Falscher Anreiz, Zeit und Geld zu sparen

Menschliche Fehler und der dringende Wunsch Geld zu sparen nennt der Berliner Bauexperte Helmut Todtenhaupt im Gespräch mit unserer Redaktion als die Hauptgründe, warum es zu Pfusch und Planungsfehlern am Bau kommt. "Im Bauwesen geht es mit Ausnahme von Reihenhäusern immer um Einzelanfertigungen, die mit handwerklicher Leistung zu tun haben. Da können Inhomogenitäten passieren", erklärt der Bauingenieur das gewisse Restrisiko.

Ein viel größeres Problem sieht er durch die im Straßenbau eingeführten Baubeschleunigungsprämien kommen. Das sind Prämien, die winken, wenn ein Bauvorhaben vor dem vertraglich festgelegten Stichtag fertig wird.

"Das halte ich für gefährlich, denn manche Baustoffe brauchen Zeit bis sie ausgehärtet sind, da lässt sich nichts erzwingen", meint Helmut Todtenhaupt.

Darum stürzen in Deutschland keine Brücken ein

Fehlplanungen und Kosteneinsparungen sind jedoch nicht immer der Grund für Baudebakel, wie der Einsturz der Eislaufhalle in Bad Reichenhall zeigt. Bei dem öffentlichen Gebäude waren nicht erkannter Verschleiß und Abnutzungen schuld, wie das von der Staatsanwaltschaft beauftragte Gutachten gezeigt hat.

Helmut Todtenhaupts Bürokollegen arbeiteten nach diesem Unglück eine wichtige Verwaltungsvorschrift zur Gebäudeüberprüfung aus: die Richtlinie für die Überwachung der Verkehrssicherheit von baulichen Anlagen des Bundes.

"Für Brückenbauwerke gab es solche Sicherheitsvorschriften schon Jahrzehnte vorher", sagt Bauingenieur Helmut Todtenhaupt. Diese Art von TÜV für Hochbauten hält er auch für den Grund, warum in Deutschland keine Brücken einstürzen.

Das kann Josef Seebacher von der Autobahndirektion Südbayern nur bestätigen. "Jedes einzelne der 3000 Bauwerke, für die wir zuständig sind, wird in regelmäßigen Abständen genau geprüft und kontrolliert."

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