Angesichts deutlich zunehmender Wolfsangriffe auf Nutztiere in Deutschland sehen die Umweltminister von Bund und Ländern raschen Handlungsbedarf. Die Vorschläge von Bundesumweltministerin Steffi Lemke für schnellere Abschüsse einzelner Wölfe reichen aber nicht allen Ländervertretern aus.

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Der Wolf ist das zentrale Thema der zweitägigen Herbstkonferenz der Umweltminister im westfälischen Münster. Nutztierhalter forderten mit Protesten vor dem Veranstaltungsort weitergehende Schritte zu einer Regulierung des Wolfsbestandes. Schäfer verweisen auf existenzbedrohende wirtschaftliche Schäden.

Die Zahl der Übergriffe auf Nutztiere stieg 2022 laut einem Forschungsprojekt des Bundesamtes für Naturschutz auf 1.136 Fälle. Dabei wurden 4.366 Nutztiere getötet oder verletzt. Am meisten betroffen waren Schafe (3.778 Fälle), gefolgt von Rindern (260), Gehegewild (184) und Ziegen (91).

Seit Rückkehr des Wolfs vor 20 Jahren keine Angriffe auf Menschen

Gegenüber 2021 stieg die Zahl der Übergriffe um 17 Prozent und die der betroffenen Nutztiere um 29 Prozent. In vielen Wolfsterritorien hat es laut Auswertung nur wenige oder keine Übergriffe gegeben, in anderen Gebieten aber eine Häufung. Seit der Rückkehr des Wolfs nach Deutschland vor über 20 Jahren gab es laut Bundesumweltministerium keine Wolfsübergriffe auf Menschen.

Der Abschuss von einzelnen auffälligen Wölfen ist auch heute schon unter bestimmten Voraussetzungen in den Bundesländern möglich. Nach Daten des Bundesamtes für Naturschutz sind in Deutschland seit 2017 zwölf Wölfe mit Behördengenehmigung in mehreren Bundesländern getötet worden. Gleichzeitig sind 65 illegale Wolfstötungen entdeckt worden. Umweltverbände sind gegen eine generelle Jagdmöglichkeit beim Wolf. Das stellt aus Sicht des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auch keine Lösung dar, weil die meisten Nutztierrisse an ungeschützten Weidetieren erfolgten. Der BUND fordert einen bundeseinheitlichen Herdenschutz mit Mindeststandards.

Das plant die Politik

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) schlägt vor, dass die Bundesländer bestimmte Regionen mit vermehrten Rissen durch Wölfe festlegen. Hat ein Wolf hier Schutzvorkehrungen wie einen Zaun überwunden und ein Weidetier gerissen, soll auf ihn per Ausnahmegenehmigung 21 Tage lang geschossen werden dürfen - und zwar im Umkreis von 1.000 Metern um die Weide.

Anders als bisher soll nicht erst eine DNA-Analyse abgewartet werden müssen. Bisher gelten genetische Untersuchungen anhand von Riss- und Fraßspuren als nötig, um einen Abschuss zu ermöglichen.

Zum einfacheren Abschuss von Wölfen fordert Bayern von Lemke eine Absenkung der rechtlichen Hürden und des Schutzstatus. "Wir brauchen keine Rechtsberatung, wir brauchen eine Rechtsänderung. Der Bund muss seine Hausaufgaben endlich erledigen", sagte der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler). Auch Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) mahnt Bundesregelungen zum Umgang mit Wölfen, die Schutzzäune überwunden und Nutztiere gerissen haben. Die Vorschläge Lemkes sind aus seiner Sicht zu vage, um vor Gericht standzuhalten.

Der Wolf bleibt nach Ansicht des Bundesumweltministeriums eine nach Europarecht streng geschützte Tierart. Der vorgeschlagene schnellere Abschuss von Problemwölfen soll Tierhaltern mehr Sicherheit geben und dabei im Einklang mit dem europäischen Artenschutz stehen. Eine Änderung des Bundesnaturschutzrechts, das schon den Abschuss von Wölfen mit problematischem Verhalten erlaubt, ist aus Sicht des Bundes nicht erforderlich.

Mit Zäunen und Hunden gegen die Wölfe

Die Umsetzung von Lemkes Vorschlägen könnten die Länder zeitnah vornehmen. In einem Beschluss soll die gemeinsame Rechtsauslegung von Bund und Ländern dokumentiert werden. Als effizienteste Maßnahme zum Schutz von Nutztieren stellt der Bund Herdenschutzmaßnahmen wie Zäune und Herdenschutzhunde heraus.

Ressortchefs der Grünen signalisierten Unterstützung für Lemkes Plan. So mahnt Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer bundesweit einheitliche Regeln an und warnt vor einem Überbietungswettbewerb der Länder bei der Lockerung der Regeln. Abschüsse nach bestimmten Quoten hielten der Bund und auch Brandenburg nach dem Bundesnaturschutzrecht nicht für rechtskonform, sagte der Umweltminister des Landes, Axel Vogel (Grüne).

"Wir haben es mit einzelnen Tieren zu tun, die sehr geschickt Herdenschutzmaßnahmen überwinden. Dagegen müssen wir etwas tun, um die Akzeptanz für den Wolf insgesamt zu erhalten", sagte NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne), der die Konferenz leitet. (dpa/mak)

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