Das Stonehenge von Deutschland: So werden die riesigen, aufrecht stehenden Externsteine im Teutoburger Wald auch genannt. Für die einen sind sie ein beeindruckendes Naturdenkmal, für die anderen ein mythischer Kraftort. Seit Jahrtausenden gelten sie für verschiedene Gruppen als Kultstätte – unter anderem für Heiden, Mönche, Nazis und Esoteriker.

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Bis zu 35 Meter in die Höhe ragen mitten aus dem Grün des Teutoburger Waldes fünf zerklüftete Sandsteinfelsen: die Externsteine. Sie sind aber keine gewöhnlichen Felsen. Denn seit Jahrtausenden ziehen sie unterschiedlichste Gruppen magisch an und bieten unerschöpflichen Stoff für Mythen.

Heiden, Christen, Nazis, Archäologen, Astronomen und Esoteriker, alle haben schon versucht, die Externsteine für sich einzunehmen. Auch geschichtlich ist die Gegend bedeutend: Im Teutoburger Wald fügten die Germanen im Jahr 9 nach Christi den Römern bei der berühmten gleichnamigen Schlacht eine entscheidende Niederlage zu. Aber was macht die Externsteine so unwiderstehlich?

Einzigartige Mischung zwischen Natur- und Kulturdenkmal

Mehr als 500.000 Besucher kommen Jahr für Jahr in den Wald im Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen und bestaunen die mysteriösen Externsteine. Schon von Natur aus sind die 70 Millionen Jahre alte Felsen sehenswert. Aber weil Generationen von Menschen Hand angelegt und sie bearbeitet haben, sind sie außerdem ein Kulturdenkmal.

Unbekannte schlugen im Lauf der Zeit Grotten, Stufen und ein Relief in den Felsen. Eine der Treppen führt aufwärts in die Höhenkammer, eine Art Kapelle mit einer Öffnung in der Wand, wie ein kleines Fenster.

Wie besonders das Loch ist, erleben Besucher nur einmal im Jahr. Dann zeigt das Loch exakt auf die Stelle, an der die Sonne zur Sommersonnenwende aufgeht.

Am Fuß des Felsens befindet sich unter einem Rundbogen zudem ein offener Sargstein. Und in unmittelbarer Nähe davon ist das mit 5 mal 3,60 Meter größte und älteste christliche Relief nördlich der Alpen zu sehen.

Zufluchtsort für Heiden und Christen

Wie lange die Externsteine bereits als Kultstätte dienen, können Archäologen dank einiger Funde bestimmen. Im Umfeld der Felsen haben sie Wallanlagen und Gegenstände aus der Alt- und Mittelsteinzeit entdeckt – beispielsweise 10.000 Jahre alte Feuersteinspitzen und -abschläge. Warum es Kelten und Germanen zu den fünf Felsen zog, lässt sich aus den Gegenständen nicht ableiten.

Handelte es sich um eine Art Sternwarte der Steinzeit, um den Himmel zu beobachten? Experten halten das für übertrieben. Schließlich wussten auch einfache Bauern, wann die Sonne wo aufgeht. Heidnische Priester haben dieses astronomische Wissen womöglich aber kultisch genutzt.

Viele Jahrhunderte später wollten die Christen das Heidentum ausrotten. Karl der Große ließ im achten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung die heidnische Weltsäule Irminsul zerstören.

Legenden zufolge hat der König auch einst bestehende Kultstätten an den Externsteinen dem Erdboden gleichgemacht. Als sicher gilt, dass er die Anbetung der Steine verbot.

Doch das bedeutete nicht, dass der magische Ort verlassen war. Denn nun kamen die christlichen Mönche aus der nahe gelegenen Abtei Paderborn zu den riesigen Felsen. Ob sie die drei Grotten angelegt haben, ist unklar.

Sicher ist aber: Sie wohnten darin. Dafür sprechen Funde wie Keramikteile und Reste von Feuerstellen in den Hohlräumen.

Die Mönche sollen zudem im 12. Jahrhundert das Jesus-Relief in den Felsen gemeißelt haben. Das offene Rundbogengrab am Fuß der Steine haben sie wohl der letzten Ruhestätte Jesus‘ in der Grabeskirche in Jerusalem nachempfunden.

Hochbetrieb an germanischem Stonehenge

Der geheimnisvolle Ort wurde Anfang des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt. Nun zog er vor allem Touristen, Ausflügler und Kurgäste aus der Umgebung an.

Zu den und durch die Externsteine fuhr eine Straßenbahn, rundherum standen ein Hotel und Verkaufsstände, auf dem Teich davor fuhren Boote. Seit 1926 stehen die Felsen unter Naturschutz.

Aber dass die Externsteine einfach nur ein beliebtes Ausflugsziel waren, passte vor allem rechtsorientierten Forschern und dann den Nazis nicht.

Der völkische Pastor Wilhelm Teudt erklärte die Felsformation 1929 in einem Buch zum Zentrum germanischer Kultstätten. Er riet den Deutschen, sich auf ihre ureigene germanische Hochkultur zu besinnen, die hier zu Hause sei.

Der Rechtsesoteriker Walther Machalett stellte sogar die These auf, dass die Felsen eine Beziehung zum englischen Steinkreis Stonehenge hätten. Schließlich würden sie beide auf dem 51. Breitengrad liegen.

Seiner Meinung nach gab es außerdem eine Verbindung zum untergegangen Reich von Atlantis. Diese Annahme wiederum war der Nährboden für die Legende, dass sich in den Externsteinen eine überlebende Priesterkaste aus Atlantis niedergelassen und von hier aus die europäische Urkultur geschaffen hatte.

Den Nazis gefielen diese Mythen um die Externsteine. Sie erhoben sie zum Heiligtum der Germanen und versuchten, den Ort völkisch zu besetzen. Weil SS-Wissenschaftler aber keine Beweise für eine vorchristliche germanische Hochkultur ausgruben, erfanden sie die Geschichte einfach neu.

In ihren Werkstätten fälschten sie Keramikstücke und Forschungsberichte. So entstanden Märchen einer glorreichen, arischen Vergangenheit.

Ort außergewöhnlicher Energien

Viele dieser gefälschten Fundstücke sind spurlos verschwunden. Auch die Straßenbahn fährt seit den 1950er-Jahren nicht mehr zwischen den Felsen hindurch. Viele Menschen glauben aber heute noch, dass die hervorspringenden Felsen eine außergewöhnliche Energie besitzen.

Esoteriker sind sicher, dass die Externsteine ein Verbindungspunkt zwischen der irdischen und der himmlischen Welt sind. Darum suchen sie das magische Kraftzentrum jedes Jahr zur Walpurgisnacht und zur Sommersonnenwende auf – und feiern, musizieren und tanzen an dem Ort, dessen viele Rätsel wohl nie gelöst werden.

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