Hitze steht noch immer für Sommer, Sonne, Badespaß. Dabei ist sie vor allem eines: ein Gesundheitsrisiko. Warum wir dringend anders über Hitze reden müssen.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Elena Matera (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ein Spielplatz in meiner Nachbarschaft an einem heißen Juni-Nachmittag – weit und breit ist kein Kind zu sehen. Kein Wunder. Es gibt kaum Bäume dort, die Schatten werfen könnten. Die Sonne scheint mit voller Stärke auf den Sand. Die Rutsche aus Metall ist so aufgeheizt, dass man mit nackter Haut lieber Abstand nimmt.

Mehr zum Thema Klimakrise

Wenn ich mir solche Spielplätze ohne Schatten ansehe, frage ich mich, was sich die Verantwortlichen dabei gedacht haben. Der Spielplatz liegt in einem Neubaugebiet. Und dass es im Sommer heiß wird und die Erderwärmung weiter voranschreitet, ist nicht erst seit gestern bekannt. Außerdem: Gerade Kinder, vor allem Kleinkinder, sind bei Hitze besonders gefährdet.

Hitze betrifft auch junge Menschen

Fest steht: Hitzewellen werden durch den Klimawandel immer häufiger und länger. Die extremen Temperaturen wirken sich unter anderem auf unser Herz-Kreislauf-System aus. Neben Kindern sind vor allem Schwangere sowie Menschen im hohen Alter und Personen mit Vorerkrankungen von den gesundheitlichen Auswirkungen der hohen Temperaturen betroffen.

Doch Hitze belastet auch junge und gesunde Menschen – Kopfschmerzen, Übelkeit, Erschöpfung können zum Beispiel die Folge sein. Auch die Zahl der Tropennächte wird in Deutschland weiter zunehmen. Das sind Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius fällt – eine enorme Gesundheitsbelastung für den Körper. Bis 2050 könnten europaweit schätzungsweise bis zu 90.000 Menschen aufgrund der Hitze pro Jahr sterben.

Doch in Deutschland scheinen wir die Folgen des Klimawandels, gerade in Bezug auf Hitze, weiterhin auszublenden, nicht ernst genug zu nehmen. Das spiegelt sich nicht nur in der Stadtplanung, sondern auch im alltäglichen Leben wider. Medien bebildern Hitzewellen bevorzugt mit vollen Badestränden und lachenden Kindern. Getreu dem Motto: Sommer, Sonne, Badespaß.

Hitze wird weiterhin allzu oft mit etwas Positivem verbunden und eben nicht mit einem Risiko für die Gesundheit. Kein Wunder, dass Sportevents, wie die Bundesjugendspiele, weiterhin im Sommer veranstaltet werden. Kinder müssen in der Mittagshitze sprinten, springen, werfen; immer wieder führt das zu Kreislaufproblemen.

Hitzewelle: Für ältere Menschen besonders belastend

Auch dass ältere Menschen unter der Hitze besonders leiden, wissen viele nicht. Ihr Herz-Kreislauf-System ist häufig schon geschwächt oder sie leiden unter anderen Vorerkrankungen. Ältere Menschen trinken oft wenig oder sie nehmen Medikamente ein, die Flüssigkeit entziehen.

Meine über 70 Jahre alte Mutter hat mir erst letztens erzählt, dass sie an einem heißen Tag in Hamburg spazieren war und gemerkt hat, dass sie kurz eine Pause brauchte. Eine Bank in der Nähe, auf der sie sich ausruhen konnte, suchte meine Mutter jedoch vergeblich. Von mangelnden Trinkbrunnen ganz zu schweigen. Für sie und viele andere ältere Mitmenschen bedeutet Hitze daher alles andere als Badespaß und gute Laune.

Hitze am Arbeitsplatz

Auch die Arbeitswelt läuft an heißen Tagen normal weiter. Viele Büros und Arbeitsstätten bieten keine Klimaanlagen oder Ventilatoren. Dabei zeigen Studien, dass man sich bei Hitze weniger gut konzentrieren kann. Ab einer Temperatur von 26 Grad empfinden Beschäftigte ihre Arbeit zudem als erheblich belastender. Es kann sogar zu konzentrationsbedingten Unfällen kommen, wie die Kaufmännische Krankenkasse KKH warnt. Demnach passierten 63 Prozent aller Unfälle an wärmeren Tagen.

Menschen, die im Freien arbeiten, zum Beispiel im Straßenbau, leiden ganz besonders unter Hitze. Hinzu kommen die Folgen von UV-Strahlen und Ozonbelastung. Mit der voranschreitenden Erderwärmung werden diese Folgen nur weiter verstärkt.

Zwar will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bereits in den nächsten Wochen erste Maßnahmen des bundesweiten Hitzeschutzplans umsetzen, ein längst überfälliger Schritt. Doch ein Hitzeschutzplan reicht nicht aus. Vor allem in unseren Köpfen muss sich endlich etwas ändern. Wir müssen die Gefahren des Klimawandels wie die zunehmenden Hitzewellen dringend ernst nehmen.

Flexiblere Arbeitszeiten und Arbeit in den Morgenstunden

Sportevents, wie die Bundesjugendspiele, sollten im Frühjahr oder Herbst veranstaltet werden. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen endlich mehr auf die Gesundheit der Mitarbeitenden achten, flexiblere Arbeitszeiten anbieten. Warum können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bürojobs nicht selbst entscheiden dürfen, wann sie am besten arbeiten können, zum Beispiel in den kühlen Morgenstunden?

Eine Maßnahme ist auch die in Südeuropa bekannte Siesta, um der Hitze für eine Weile zu entkommen. Für etwa zwei bis drei Stunden in der Mittagszeit schließen in Spanien oder auch in Italien Geschäfte. Der Grund: In der Mittagshitze ist es nur schwer möglich zu arbeiten. Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen können sich in der Zeit ausruhen.

Eine Siesta in Deutschland? Das wäre doch was. Es reicht schon, die Mittagspause zu verlängern. Die Zeit könnte man auch für ein kurzes Nickerchen nutzen. Entsprechende kühle Räume müsste man dann natürlich auch in den Arbeitsstätten einrichten.

Klimaschutz ist Gesundheitsschutz

Die sinnvollste Maßnahme gegen die zunehmende Hitze ist und bleibt der Klimaschutz. Also: Der Ausstieg vom Verbrennermotor, das Abschalten der Kohlekraftwerke, der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Umstieg auf Elektromobilität und mehr. Weniger Autos in den Städten, weniger Parkplätze und dafür mehr Grünflächen können die Städte zusätzlich kühlen. Denn gerade parkende Autos verstärken die Hitze in den Städten. Sie heizen sich schnell auf und geben die Wärme an die Umgebung ab.

Auch Begrünungsmaßnahmen sind extrem wichtig: mehr Bäume, Büsche, Wiesen, begrünte Fassaden und Dächer und weniger versiegelte Flächen. Begrünung muss gar nicht teuer sein. Allein Unkraut zwischen Pflasterritzen kann extrem hohe Bodentemperaturen bis zu 28 Grad Celsius senken.

Alle diese Maßnahmen reduzieren nicht nur den Ausstoß von Treibhausgasen, sondern schützen auch unsere Gesundheit und machen unseren Alltag lebenswerter. Vielleicht ist dann auch der Spielplatz in meiner Nachbarschaft bald ein Ort, an dem Kinder auch nachmittags gerne herumtollen – dank Bäumen, begrünter Dächer und Unkraut.

Verwendete Quellen:

  • Frauengesundheitsportal: AOK-Umfrage: Frauen spüren gesundheitliche Auswirkungen von Hitze stärker als Männer – auch junge Menschen betroffen
  • Robert-Koch-Institut: Auswirkungen des Klimawandels auf Infektionskrankheiten und antimikrobielle Resistenzen – Teil 1 des Sachstandsberichts Klimawandel und Gesundheit 2023
  • Bundesgesundheitsministerium: Alter und Hitze (PDF)
  • Harvard School of Public Health: Extreme heat linked with reduced cognitive performance among young adults in non-air-conditioned buildings
  • Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Hitzebeanspruchung und Leistungsfähigkeit in Büroräumen bei erhöhten Außentemperaturen
  • Sleep Health Journal: Is there an association between daytime napping, cognitive function, and brain volume? A Mendelian randomization study in the UK Biobank
Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter. Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.
Spektakuläre Animation: Nasa macht CO2-Ausstoß sichtbar

Spektakuläre Animation: Nasa macht CO2-Ausstoß sichtbar

Der globale Klimawandel wird in großen Teilen vom Kohlendioxidausstoß des Menschen verursacht. Doch das CO2 ist unsichtbar – und was man nicht sehen kann, bleibt uns letztendlich verborgen. Das möchte die NASA jetzt ändern und macht den menschengemachten Kohlendioxidausstoß sichtbar.

  © RiffReporter

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.