Greta-Jüngerin und Klimareligion: Der Kampf gegen die Klimakrise wird für einige Menschen zur Glaubensfrage. Warum das eine fatale Entwicklung ist und was wir von den Religionen lernen können – eine Kolumne.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Elena Matera (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Erst kürzlich wurde ich in einer E-Mail als Greta-Jüngerin bezeichnet. Ein religiöses Bild – und das ist keine Seltenheit. Im Tagesspiegel wurde zuletzt ein Essay mit dem Titel veröffentlicht: "Zum Verzicht bekehrt: Wenn Klimaschutz zur Religion wird". Im Polit-Magazin Cicero schrieb ein Autor in Bezug auf den gescheiterten Volksentscheid in Berlin, dass sich eine ganze Hauptstadt der Anbetung der Klimareligion verweigert habe und der Welt-Herausgeber Stefan Aust bezeichnete die Klimaschutzbewegung Fridays for Future in einem Interview als "modernen Kinderkreuzzug".

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Gebote, Bekehrungen, Missionierung, Greta Thunberg als Heilige oder gar Prophetin: Die vielen religiösen Anspielungen im Zusammenhang mit der Klimakrise in der Medienberichterstattung und in den sozialen Medien sind auffällig. Auch konservative und rechte Gruppen, Anhängerinnen und Anhänger der AfD nutzen die religiösen Begriffe nur allzu gerne. Klimaschutz wird zur "Klimareligion" deklariert und die Klimaschutzbewegung als "Klimakult" betitelt. Es ist absurd.

Klimaschutz wird zur Glaubensfrage

Das Ganze ist ein ziemlich durchschaubares Manöver. Skeptikerinnen und Skeptiker der Klimakrise und Gegnerinnen und Gegner der Klimapolitik wollen damit zeigen, dass Klimaschutz vor allem eines ist: irrational. Je mehr die Klimakrise, der Klimaschutz und Klimaaktivisten und -aktivistinnen mit religiösen Bildern beschrieben werden, desto eher entsteht der Eindruck, das Ganze sei eine Glaubensfrage.

Und das ist es natürlich nicht: Die Klimakrise ist real und menschengemacht, das wurde vielfach wissenschaftlich bewiesen. Das eindrücklichste Dokument dafür ist der Weltklimabericht, an dem rund 800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und 190 Staaten beteiligt waren.

Klimaschutz ist keine Religion, spielt aber sehr wohl eine Rolle in der Religion. Die drei großen monotheistischen Weltreligionen Islam, Christentum und Judentum beschäftigen sich stark mit der Bewahrung der Natur und der Umwelt. Tatsächlich sind eben diese Themen sogar fest in den Schriften der Religionen verankert, wie mir auch drei Vertreterinnen der Glaubensgemeinschaften erzählt haben. Sowohl im Christentum als auch im Judentum und im Islam gibt es zahlreiche Verweise, warum wir Menschen die Erde, die Tiere, die Pflanzen schützen müssen.

Ich selbst wurde evangelisch getauft, bin allerdings später aus der Kirche ausgetreten. Als gläubigen Menschen würde ich mich nicht bezeichnen, aber ich verstehe, warum Religionen Menschen Halt geben können. Gerade als Kind habe ich die Geschichten in der Bibel geliebt. Bereits da ist mir aufgefallen, dass es oft um Umwelt und Natur geht. Sei es im Gleichnis des Senfkorns, das zu einem Baum heranwächst und das Reich Gottes darstellen soll. oder die Schöpfungsgeschichte, in der Gott die Natur und auch die Menschen erschafft.

Pastorin: "Klimaschutz ist religiöse Pflicht"

Zwar steht in der Bibel auch, dass die Menschen sich die Natur untertan machen sollen. Allerdings bedeute das nicht, dass man verantwortungslos herrschen solle, sagt die Berliner Pastorin Maike Schöfer. Ganz im Gegenteil: Die Menschen sollten verantwortungsvoll sein. Allein der biblische Begriff "Schöpfung bewahren" bedeute, dass wir uns für den Schutz des Klimas einsetzen und mit der Erde verantwortlich umgehen müssten. Maike Schöfer ist daher überzeugt: "Klimaschutz ist eine religiöse Pflicht."

Ähnlich sieht es im Islam aus. Die islamische Theologin Kübra Dalkilic hat mir erklärt, im Koran stehe, dass Gott der Eigentümer der Erde sei. "Wir sind die "Khalifa", die Vertreterinnen und Vertreter. Wir sollen uns darum kümmern, dass es der Umwelt, uns Menschen, den Tieren, den Pflanzen gut geht", sagt sie. Die Menschen hätten demnach nicht das Recht, andere Leben zu zerstören. "Unser jetziges Verhalten steht also konträr zu dem, was der Islam und andere Religionen uns vermitteln. Im Moment zerstören wir die Natur, das Leben."

Und auch im Judentum geht es in zahlreichen Schriften um Klima- und Naturschutz, um ökologische Landwirtschaft. Das Pflanzen von Bäumen, das Denken an die zukünftigen Generationen seien zum Beispiel wichtige Pfeiler im Judentum, sagt die Judaistin Rebecca Rogowski. Jedes Jahr würden Jüdinnen und Juden Tu biSchevat feiern, das Neujahr der Bäume. "An dem Tag pflanzen wir Bäume oder legen Beete an." Quasi ein Fest für eine wesentliche Klimaschutzmaßnahme: die Aufforstung. Und dann gibt es noch das jüdische Prinzip Tikun Olam - die Besserung der Welt. "Es gibt diese Idee, dass jeder Mensch die Erde ein bisschen besser verlassen soll, als er sie vorgefunden hat. Auch das kann man gut auf den Klimaschutz beziehen", sagt Rebecca Rogowski.

Der Klima- und Umweltschutz steht aber nicht nur in den Schriften der Religionen. Man kann auch immer mehr sehen, wie viele gläubige Menschen versuchen, den Klimaschutz umzusetzen. Im Islam verzichten Musliminnen und Muslime im Ramadan bereits auf Plastik. Solarzellen werden auf Moscheedächern angebracht und verschiedene muslimische Organisationen befassen sich mit Umweltthemen, wie etwa der Verein Hima. Im Judentum setzen sich viele Rabbiner und Rabbinerinnen mittlerweile mit Klima- und Umweltthemen auseinander und sprechen sie in den Gemeinden an.

Und im Christentum gibt es neben Churches for Future auch immer mehr Klimaschutzaktionen, die von Gemeinden organisiert werden. Auf der letzten Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde die "Letzte Generation" eingeladen. Die evangelische Kirche stimmt den Forderungen der Aktivistinnen und Aktivisten zu. Und erst in der vergangenen Woche riefen in einem offenen Brief Hunderte Vertreterinnen und Vertreter aus Parteien, Wissenschaft, Gesellschaft und auch aus der Religion Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, mehr für den Klimaschutz zu tun.

Klimawandel ist keine Glaubensfrage, sondern Fakt

Natürlich gibt es auch in den Religionsgemeinschaften vereinzelt Kritikerinnen und Kritiker der Klimapolitik und Skeptiker und Skeptikerinnen der Klimakrise. Bislang ist zudem unklar, ob die katholische Kirche womöglich in fossile Konzerne investiert. Falls das der Fall sein sollte, wäre das klar ein Vertrauensbruch gegenüber den eigenen Mitgliederinnen und Mitgliedern.

Dennoch sieht man deutlich: Viele Menschen in den Religionsgemeinschaften nehmen die wissenschaftlichen Fakten, die Klimakrise ernst und ziehen daraus erste Konsequenzen. Klar, die Bewegungen könnten noch viel lauter und deutlicher sein, doch es tut sich etwas. Sowohl für viele Gläubige als auch für Klimaaktivistinnen und -aktivisten ist der Klimawandel eben keine Glaubensfrage, sondern Fakt.

Es sind gerade die Menschen hochgradig irrational, die mit religiösen Bildern die Klimabewegung diffamieren, von "Klimareligion" und "Klimakult" sprechen. Denn sie sind es, die wissenschaftliche Fakten nicht ernst nehmen. Wir sollten dringend aufhören, religiöse Anspielungen und Bilder im Zusammenhang mit der Klimakrise zu nutzen, denn das ist alles andere als zielführend. Aber wer in den Schriften der Religionen Inspiration für Umweltschutz suchen will, kann das gerne tun und wird einiges finden. Sicher ist: Eine Klimareligion gibt es nicht, Greta Thunberg ist keine Heilige und ich keine Jüngerin.

Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter. Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

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