In Moskau wird wieder an einem Atomraketen-Zug gearbeitet. Bis 2020 soll er einsatzbereit sein und durch abgelegene Teile des Landes fahren. Bereits in Zeiten der Sowjetunion war ein solcher Zug – bekannt als Atomraketenzug "Bargusin" - im russischen Hinterland stationiert und hatte dabei strategisch wichtige Ziele des Westens im Visier.

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Russland lässt die Muskeln spielen und versucht, sich gegenüber dem Westen wieder mehr Respekt zu verschaffen. Derzeit arbeiten russische Ingenieure an der Neuauflage des sogenannten "Bargusin"-Zuges. Einem Geisterzug, der durchs russische Hinterland fährt – ausgerüstet mit Atomraketen.

Bereits in den 1980er-Jahren war ein solcher Zug durch abgelegene Teile des Landes gefahren, um für den Fall eines nuklearen Erstschlages vorbereitet zu sein. Dank geheimer Kommunikation, besonderer Tarnung und der ständigen Bewegung wusste so gut wie niemand, wo sich der "Bargusin"-Zug befand und wohin er fuhr.

Selbst aus dem Weltall war er kaum von normalen Kühlzügen zu unterscheiden. Erst im Jahr 2005 stoppten die Russen den letzten dieser Züge. Die dazugehörige Rakete vom Typ RT-23 mit nuklearem Mehrfachsprengkopf wurde zwei Jahre später vernichtet.

Russland mit finanziellen Problemen

Dass Russland jetzt wieder auf einen Zug setzt, hat einen besonderen Grund: "Russland hatte lange Jahre Probleme damit, Interkontinentalraketen von U-Booten aus zu starten. Deshalb sind die Raketen – anders als in den USA oder Großbritannien – bei den Russen landgestützt", erklärt Dr. Christian Wipperfürth von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

"Ähnlich wie bei einem U-Boot sind die Raketen auch auf einem Zug durch die ständige Bewegung nicht leicht zu orten", so der Russland-Experte weiter. Die Interkontinentalraketen und die Abwehrraketen der Russen gelten laut Wipperfürth als die vielleicht besten, die es gibt.

Aber es gibt noch einen zweiten Grund, weshalb Russland mit einem Zug arbeitet: "Das russische Problem ist, dass man finanziell ziemlich schwach auf der Brust ist. Zum Vergleich liegen die Militärausgaben Chinas etwa drei Mal so hoch. Weil U-Boote deutlich teurer sind, als solch ein Zug, haben sich die Russen für die Weiterentwicklung des Atomraketen-Zuges entschieden."

Die finanzielle Lage beim Militäretat wird sich auch im kommenden Jahr in Russland wegen des Wechselkurses beim Rubel weiter verschlechtern.

Laut russischen Medienberichten wurden bereits im November erfolgreiche Raketentests absolviert. Mit der Neuauflage des mobilen Raketensystems hinken die Ingenieure jedoch deutlich dem anvisierten Zeitplan hinterher.

Eigentlich war eine Inbetriebnahme des neuen "Bargusin"-Zuges für 2019 geplant – jetzt ist von 2020 die Rede. Anfang kommenden Jahres soll Präsident Wladimir Putin über den Status Quo des Raketenzuges informiert werden.

Vorerst kein neuer Kalter Krieg

Dass die Russen wieder an einem Atomraketenzug "basteln", verwundert oder erschreckt den Russland-Experten Wipperfürth nur bedingt: "Das liegt daran, dass Russland in diesem Bereich sehr großen Wert auf Parität mit den USA legt, weil sie nur hier wirklich konkurrieren können. Die russische Armee ist gegenüber den Nato-Ländern deutlich unterlegen.

Aber im Grunde, so Wipperfürth, machten die Russen nur genau das, was die anderen Nuklearmächte auch machen: "Sie treiben die Entwicklungen voran. Die Modernisierung der Atomwaffen ist also absolut kein russlandspezifisches Thema."

Besorgt zeigt sich Wipperfürth, dass sich die Nuklearmächte nicht ernsthaft an ihre Vereinbarung halten, ihre Nuklearpotenziale komplett zurückzufahren. "Zwar sind sie sowohl bei den USA als auch bei Russland um über 80 Prozent reduziert worden, eine Null ist aber nicht abzusehen."

Trotz aller Machtspiele und den herrschenden Spannungsverhältnissen will Wipperfürth vorerst nicht von einem Weg in Richtung "Kalter Krieg 2.0" sprechen: "Die aktuellen Spannungen sind bei weitem nicht so ideologisch aufgeladen wie beispielsweise in den 60er- und 70er-Jahren. Durch den anstehenden Wechsel in Washington dürfte zudem einiges in Bewegung geraten. Es sieht danach aus, dass sich Russland und die USA realpolitisch näher kommen."

Allerdings sieht der Experte die Chance, dass sich der Westen und Russland eine gemeinsame Zukunft erarbeiten, aktuell nicht im Bereich des Möglichen: "Da ist in den vergangenen Jahrzehnten zu viel vertan worden. Ein Ziel wäre ein spannungsarmes Nebeneinander."

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