Am Mittwoch fällt das Urteil zur Rechtmäßigkeit der Rundfunkgebühren. Urteilt das Gericht, dass der Beitrag nicht rechtmäßig ist, stünde das Finanzierungskonzept der öffentlich-rechtlichen Sender ARD, ZDF und Deutschlandfunk auf der Kippe.

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Viele Gegner des Rundfunkbeitrages fragen sich: Brauchen wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk heutzutage noch?

Natürlich wird das in keiner der Beschwerden so formuliert. In ihnen geht es unter anderem um die Frage, ob die Rundfunkgebühr gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3, Absatz 1 des Grundgesetzes) verstößt, weil er pro Haushalt erhoben wird und nicht etwa nach Anzahl der Empfangsgeräte oder Menschen, die sie nutzen.

Das Gericht soll außerdem darüber entscheiden, ob der Rundfunkbeitrag als Steuer einzustufen ist, wie die Beschwerdeführer sagen, und nicht als Abgabe.

Würde das Gericht bestätigen, dass der Rundfunkbeitrag eine Steuer ist, hätten nicht die Länder, sondern der Bund den Beitrag beschließen müssen. Das Zustandekommen des Beitrags wäre also verfassungswidrig gewesen.

Bis das Urteil verkündet wird, kann es einige Monate dauern. Die Argumente für und gegen die Rundfunkgebühr werden aber schon seit einigen Jahren ausgetauscht.

Dabei geht es meist nicht nur um die Gebühr, sondern auch um die Frage, wie wichtig öffentlich-rechtlicher Rundfunk heutzutage überhaupt noch ist. Hier die wichtigsten Argumente.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist wichtig für die Gesellschaft, deswegen muss er auch von allen getragen werden.

Die Befürworter einer Rundfunkgebühr betonen die gesellschaftliche Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er trage zur freien Meinungsbildung bei, stoße Debatten an und stärke damit die Demokratie.

Davon profitierten alle Menschen in Deutschland, weshalb auch alle für das Angebot bezahlen sollten - auch wenn sie es nicht oder nur selten selbst nutzen.

Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall, vergleicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit anderen Einrichtungen des öffentlichen Lebens. "Nicht alle von uns nutzen regelmäßig Bibliotheken, Schwimmbäder oder gehen ins Theater. Trotzdem halten die meisten Menschen sie für so wichtig, dass sie nicht dagegen sind, dass sie von allen gemeinsam bezahlt werden", sagte Überall unserer Redaktion. Unabhängiger Journalismus sei genauso wichtig.

Aber die öffentlich-rechtlichen Sender sind doch gar nicht so unabhängig.

Tatsächlich sitzen in den Kontrollgremien auch Politiker - und darüber, wie groß ihr Einfluss ist, wird immer wieder gestritten.

Schlagzeilen hat vor einigen Jahren die Kontroverse um Nikolaus Brender gemacht. Der Vertrag des damaligen ZDF-Chefs wurde nicht verlängert - aus Gründen, die viele Beobachter nicht nachvollziehen konnten. Sie vermuteten politische Motive der in dem zuständigen Gremium vertretenen Politiker.

Die Causa zog ein Gerichtsurteil nach sich, wonach der Anteil "staatsnaher" Vertreter in dem Gremium nicht größer als 30 Prozent sein darf.

Für den Gründer der Initiative "GEZ-Boykott", René Ketterer, reicht das aber nicht aus. Er würde sich einen "Fernsehrat, bestehend aus Bürgern" wünschen. Nur so wäre aus seiner Sicht die oft propagierte Staatsferne umzusetzen, wie er unserer Redaktion sagte.

Frank Überall sieht hingegen keinen Sinn darin, Politiker aus den Gremien fernzuhalten. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein öffentliches Gut und deswegen muss er - nicht in erster Linie, aber auch - von Politikern kontrolliert werden." Die seien schließlich von den Bürgern als ihre Repräsentanten gewählt worden.

Mit seinen vielen verschiedenen Sendungen und Meinungen wirkt der öffentlich-rechtliche Rundfunk gegen "Filterblasen" und "Echokammern".

Ähnlich wie eine Zeitung decken die Sendungen von ARD, ZDF und Deutschlandfunk sehr viele verschiedene Themen ab. So könnten Zuschauer oder Leser Interesse für etwas Neues entwickeln, statt immer nur mehr vom Selben zu konsumieren oder sich in ihrer eigenen Meinung zu bestärken, so Frank Überall vom DJV.

Dieses Phänomen kann vor allem in sozialen Netzwerken beobachtet werden, deren Nutzer sich durchaus in "Filterblasen" und "Echokammern" bewegen können.

Dass man Menschen durch eine verpflichtende Abgabe wie den Rundfunkbeitrag aus einer solchen Blase oder Kammer herausholen kann, bezweifeln Beitragsgegner wie René Ketterer jedoch. Er ist sogar der Meinung, dass der Beitrag der Meinungsvielfalt eher entgegenwirkt.

"Wenn nämlich jemand, der nicht fernsieht und nicht Radio hört, auch noch seine Zeitung abbestellen muss, weil er sich nicht beides - ein Zeitungsabo und den Beitrag - leisten kann", sagt Ketterer.

Wie öffentliche Bibliotheken, Schwimmbäder und staatliche Theater könnte man doch auch ARD, ZDF und Deutschlandfunk über Steuern finanzieren.

Steuern sind, anders als Abgaben, zu denen der Rundfunkbeitrag zählt, nicht zweckgebunden. Wie viel Geld die öffentlich-rechtlichen Sender aus dem Gesamthaushalt bekommen, müsste dann erst einmal ausgehandelt werden.

Damit, so Frank Überall, würde sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk "absolut abhängig von der Politik machen". Die Gefahr einer politischen Einflussnahme wäre seiner Einschätzung nach viel größer als jetzt.

Auch dem "GEZ-Boykott"-Initiator Ketterer ist diese Gefahr bewusst, er plädiert dennoch für eine Steuer-Lösung. "Natürlich müsste dann aber festgelegt werden, dass Politiker das Geld für die Sender nicht einfach nach Gutdünken kürzen können", sagt er.

Eine Finanzierung über Steuern wäre für Ketterer aber nicht die einzige mögliche Lösung. Er könnte sich auch ein Abo-Modell vorstellen, bei dem jeder nur für die Sendungen oder Sender bezahlt, die er auch tatsächlich nutzt.

Zeitungen und private Sender müssen sich doch auch selbst finanzieren.

Ja, aber dafür können sie auch Gewinne machen. Das kann und soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht.

Befürworter eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks sehen zudem den Druck, unter dem private Medien stehen. Und dass der Markt viele von ihnen zu Einsparungen zwingt, die Auswirkungen auf die Qualität haben. "Guter Journalismus kostet eben Geld", sagt Frank Überall.

Wie viel Geld, wird nicht von den Sendern selbst festgelegt. Zuständig ist die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF). Auch an ihr gab es die Kritik, dass sie zu staatsnah sei. Deswegen wurde die Zusammensetzung des Gremiums Mitte der 1990er Jahre geändert.

Dennoch sieht René Ketterer eine gewisse Diskrepanz zwischen dem Solidaritätsgedanken des Rundfunkbeitrages und den Gehältern einiger führender Mitarbeiter in den Sendern.

Wenn sie schon von allen bezahlt werden, sollten die Sender sich auch mehr für die Bürger öffnen.

Das haben die Sender erkannt und treten in letzter Zeit mehr mit ihrem Publikum in Kontakt. Eine gute Entwicklung, findet Frank Überall, auch wenn der Dialog nicht zum Selbstzweck verkommen dürfe.

Ebenfalls neu ist, dass Journalisten ihre Arbeit erklären, wie sie auf ihre Geschichte gekommen sind, wen sie kontaktiert haben, und warum.

Trotz ihrer vermeintlichen Unabhängigkeit vom Markt ist das öffentlich-rechtliche Programm voll von gefälligen Filmen und Shows, die mit einem demokratischen Diskurs wenig zu tun haben.

Ganz frei machen vom Quotendruck können sich selbst die Öffentlich-Rechtlichen nicht. Schließlich sind Werbeeinnahmen für ARD und ZDF wichtig - wenn auch nicht so wichtig wie für die privaten Sender.

Außerdem, so Frank Überall, sei Unterhaltung ein Teil des Programmauftrags der öffentlich-rechtlichen Sender.

Viele Beitragsgegner fragen sich aber schon, warum sie große Unterhaltungsshows und -sendungen mit bezahlen sollen, die sie sich nicht ansehen.

René Ketterers Vorschlag wäre deswegen, den privaten Sendern einen Teil des Programmauftrages zu überlassen. "Und was sie nicht leisten können, sollen dann die öffentlich-rechtlichen Sender machen."

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