Seit ein paar Wochen ist Julian Reichelt nicht mehr Chefredakteur der "Bild"-Zeitung. So weit, so bekannt. Am Freitagabend nimmt Jan Böhmermann nun den Fall Reichelt und nutzt ihn für eine Rundum-Ohrfeige für die Axel Springer SE. Damit endet für den Medienkonzern und seine "Bild"-Zeitung eine wirklich miese Woche.

Mehr News über TV-Shows

Diese Kritik stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

"Egal, was ihr heute tut: BITTE NICH das Max-Goldt-Zitat über die BILD unter unsere Tweets posten", schreibt die Redaktion des "ZDF Magazin Royale" am Freitagnachmittag auf ihrem Twitter-Account. Und natürlich tun die Twitter-User Jan Böhmermann den versteckten Gefallen und posten fleißig das berühmte Max-Goldt-Zitat unter den Beitrag. Sie wissen schon, das mit der Zeile "Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht."

Doch damit nicht genug. Gleichzeitig ändert die Redaktion ihr Profilbild bei Twitter in eine "Bild"-Variante und twittert in Anspielung auf das Bild-TV-Format "Viertel nach Acht": "Es ist fünf vor "Viertel nach Acht". Heute Abend um 23 Uhr LIVE im @zdf! #zdfmagazin" Man kann also sagen: Das "ZDF Magazin Royale" hat die jüngste Ausgabe am späten Freitagabend bestens für die Zielgruppe vorbereitet.

Denn nachdem sich Jan Böhmermann in der vergangene Woche den Finanzvermittler DVAG und dessen Praktiken vorgeknöpft hatte, waren nun diesmal das Medienunternehmen Axel Springer SE und seine "Bild"-Zeitung an der Reihe.

Keine leichten Zeiten derzeit für die Springer-Presse, denn Böhmermann und sein "ZDF Magazin Royale" waren nicht die einzigen, die in dieser Woche die Praktiken der "Bild"-Zeitung ins Visier genommen haben.

Keine gute Woche für die "Bild"-Zeitung

Bereits in seiner allerersten Ausgabe der wiederauferstandenen Show "TV total" teilte Sebastian Pufpaff gegen Bild TV aus und sollte damit auch in der zweiten Ausgabe nicht aufhören. Wobei austeilen nicht das richtige Wort ist.

Denn erst einmal zeigte Pufpaff nur, was Bild TV so macht. Das gleiche Prinzip verfolgte in dieser Woche auch Stefan Niggemeier von "Übermedien", als er dort in einem Beitrag die Wendehalsigkeit der "Bild" bei ihrer Corona-Berichterstattung offenlegte.

Nun also auch Böhmermann. Doch der fängt mit seiner Springer-Kritik bei einem ganz anderen Ereignis an. Denn vor ein paar Wochen musste der damalige "Bild"-Chefredakteur seinen Hut nehmen und Böhmermann gibt nun einen kurzen Abriss, was davor und danach geschah.

Das Investigativ-Team des Ippen-Verlags, so Böhmermann, hatte eine Geschichte über den Springer-Verlag recherchiert: "Es ging um Sex, es ging um Lügen, es ging um Machtmissbrauch. Eine richtig heiße Story, die am Ende für Deutschland leider doch zu heiß war."

Denn die Geschichte wollte der Ippen-Verlag dann doch nicht veröffentlichen. Die "New York Times" allerdings schon und so zitiert Böhmermann die damalige Schlagzeile: "Bei Axel Springer […]: Vorwürfe von Sex, Lügen und einer geheimen Zahlung.

"Ein deutscher Medienriese ist zwar führend im digitalen Geschäft, scheint aber rückständig zu sein, was Arbeitsplatzkultur und die Abwicklung von Deals angeht."

Warum musste Julian Reichelt gehen?

Im Kern, so Böhmermann, geht es um Julian Reichelt und die Frage, warum er gehen musste. "Dieser Frage, liebe Bild-TV-Fans, gehen wir heute nach. Wir machen einen Deep Dive in die Gosse, und zwar in einer Form, die ihr versteht, kennt und liebt", erklärt Böhmermann und zeigt kurz darauf, was er damit meint: Eine Parodie auf das Bild-TV-Format "Viertel nach Acht". Das heißt bei Böhmermann nun "Viertel nach Welke – Der Talk, der Schlagzeilen macht."

Dafür hat er eine skurrile Truppe zusammengestellt: die "DJ-Journalistin Micaela Schäfer", den "Kriminalexperten und Profiler Miguel T. Robitzky", den "Schweizer Kult-Rechtsextremisten Christopherus von Töppel", Elvis von "Hallo Spencer" und "DSDS"-Dauer-Kandidat Menderes Bağci. Und mit diesem Persiflage-Personal rollt Böhmermann nun seine Springer-Kritik aus und zwar in bestem Bild-TV-Stil.

Dabei geht Böhmermann etwas weiter zurück zum Liebesleben von Verlagsvater Axel Springer. Nicht ein bisschen privat? Ja, aber Böhmermann nimmt dieses Private, um damit eine Verlagskultur zu zeichnen, die immer noch die DNA Axel Springers trage. "Aber wie viel Compliance-Verfahren gab es früher gegen Verlagsgründer Axel Springer?", fragt ZMR-Reporterin und liest vom Fake-Grabstein Axel Springers ab: "Genau null."

"ZDF Magazin Royale": Das sind Böhmermanns Vorwürfe gegen Springer

Aber Böhmermann Springer-Schelte ist nur vordergründig Parodie, inhaltlich bringt er eine Vielzahl an Vorwürfen vor:

  • Die Aktion "Ein Herz für Kinder", sei eine Veranstaltung, "zu der Prominente wie Udo Lindenberg nur noch deshalb gehen, damit die ´Bild-Zeitung` nicht schlecht über sie schreibt", erklärt Böhmermann.
  • Zu große Nähe zur Politik: "Bild macht keinen Journalismus, sondern Polit-Aktivismus seit Jahrzehnten und zwar am liebsten mit der CDU", so Böhmermann.
  • "Springer-Redakteure beraten Faschisten", heißt es in der Bauchbinde und bezieht sich auf Günther Lachmann, ehemaliger Redakteur für verschiedene Springer-Blätter und "AfD-Presseberater, zum Beispiel für den Faschisten Björn Höcke und Tino Chrupalla", schlussfolgert Böhmermann.
  • Bei Springer pflege man den Mythos, man "habe nur deshalb einen so schlechten Ruf, weil man nicht links sei". Springer sei die Mitte, alle anderen seien aus Verlagssicht "automatisch linke Terroristen", erklärt Böhmermann und fährt fort: "Das stimmt natürlich nicht, aber so funktioniert er bis heute, der geniale Taschenspielertrick der Axel Springer SE."

Das alleine ist schon eine deftige Rundum-Backpfeife, doch Böhmermann greift zum Schluss noch einmal den eigentlichen Aufhänger seiner Bild-TV-Parodie auf, den Fall Julian Reichelt. "Jahrelang gelang es der Axel Springer SE, nach außen zu vertuschen, was bei ihnen intern so alles ´passiert`", erklärt Böhmermann. Aber nur Reichelt habe gehen müssen und auch nur, weil die "New York Times" darüber berichtet habe, behauptet Böhmermann und kommt so zu seiner Ausgangsfrage zurück, warum Reichelt gehen musste.

Böhmermann zeichnet Bild der Springer-Unternehmenskultur

Böhmermanns Erklärung: "Weil Springer das US-Medienunternehmen Politico gekauft hatte. Und wer in den USA ein großer Player werden will, für den gelten eben andere Regeln als bei uns in good old Potato-Land."

Von da ist es nur noch ein kurzer Weg für Böhmermann zu Matthias Döpfner, dem Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer SE, und zu einem Zitat aus einer Nachricht Döpfners, in der er Julian Reichelt als "letzten und einzigen Journalisten in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR Obrigkeitsstaat aufbegehrt" bezeichnet.

Es sind alles keine wirklich neuen Informationen, die Jan Böhmermann und sein Team da über die Axel Springer SE und ihre Protagonisten zusammengetragen haben. Was bleibt also von der Springer-Ausgabe des "ZDF Magazin Royale"?

Zum einen natürlich eine gelungene Parodie von Bild TV. Zum anderen aber, dass all diese bereits bekannten Informationen in einen Zusammenhang gestellt wurden, wodurch ein größeres Bild eines der größten Medienunternehmen Europas entsteht.

Dadurch gelingt Böhmermann mit einem Streich gleich eine doppelte Kritik. Die an den journalistischen Methoden hinter den Schlagzeilen und die an der Kultur, in der diese Methoden möglich sind. Nein, es war wirklich keine gute Woche für den Axel-Springer-Verlag und seine "Bild"-Zeitung.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.