Als die weibliche Claas Relotius der Generation Twitter möchte ich die Geschehnisse der vergangenen Woche heute in einer rührseligen Doku-Geschichte aufbereiten. Selbstverständlich sind sämtliche Behauptungen, Geschehnisse und Zitate – ganz wie bei meinem Vorbild – komplett erfunden. Nichts davon stimmt. Also, fast nichts. Beinahe so gut wie 100 Prozent nichts. Aber lesen Sie selbst:

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

In Berlin startet der 16. März 2023 recht unauffällig. Kein Regen, es ist wärmer als in den letzten Tagen. Mit knapp 10 Grad allerdings auch nicht unbedingt frühlingshaft. Noch kälter ist es in der Chefetage des Axel-Springer-Hochhauses in Berlin Mitte. Von einem der Konferenzräume in den oberen Stockwerken schaut man auf die sanierten Plattenbauten zwischen Krausen- und Leipziger Straße.

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Früher, als Namensgeber Axel Springer noch lebte, stand hier die Berliner Mauer. Die Stadt war geteilt. Zwei völlig unterschiedliche Ideologien, getrennt nur durch ein paar Meter Grenzstreifen. Wo heute schulschwänzende, klimahysterische Teenager (bezahlt von George Soros, das weiß jeder!) übermotiviert für eine neue, unsinnige, linksgrünversiffte Verbots-Diktatur auf die Straße gehen, wurde man vor 1989 noch erschossen, wenn man versuchte, von der Schützen- zur Rudi-Dutschke-Straße zu gelangen. Von der DDR in die BRD.

Bild, BamS und Glotze war gestern

Heute wird man nicht mehr erschossen. Vielen in dem hohen Gebäude, in dem unter anderem die "Bild" entsteht und kürzlich sogar für einige Monate das Jugend-Forscht-Projekt "Bild-TV" ausprobiert wurde (bis es bei einer Durchschnittsquote von etwa 57 Zuschauern kurzfristig eingestampft werden musste), missfällt das. Zumindest, was diese Klimateenies angeht. Die sind schon ziemlich lästig. Was von den Trendforschern der "Bild" als temporärer Anti-Langeweile-Aktivismus einiger wohlstandsverwahrloster Milliardärstöchter kategorisiert wurde, hat heute direkten und massiven Einfluss auf alle relevanten Entscheidungen von Politik und Wirtschaft.

Noch vor 20 Jahren konnte "Bild" das Geschehen im politischen Deutschland steuern. Er bräuchte lediglich "Bild, BamS und Glotze" zum Regieren, sagte einst Bundeskanzler Gerhard Schröder. Heute ist das anders. Schröder ist nicht mehr Kanzler, sondern PR-Chef im Kreml. Und die Politik hört nicht mehr auf "Bild", sondern auf Fridays For Future. Außer natürlich Friedrich Merz, Christoph Ploß, Volker Wissing und Christian Lindner. Aber wer dieser Combo lobbyhöriger Rückwärtsdenker zutraut, uns in ein klimaneutrales, sozial ausgeglichenes Land zu führen, der glaubt auch, Dieter Bohlen wäre der wichtigste Musiker seit Johann-Sebastian-Bach.

Eiszeit in der Axel Springer Chefetage

Entsprechend fröstelnd ist die Stimmung bei Superchef Mathias Döpfner. Seit dubiosen Schenkungen der Gründer-Witwe Friede Springer verfügt er über mehr als 44 Prozent Besitzanteile und ist quasi Alleinherrscher. Selbst wenn sich Großaktionär KKR (35,6 Prozent) mit den Gründer-Erben Axel Sven Springer (5%) und Ariane Melanie Springer (1%) zusammentäte, läge diese Allianz hinter Döpfner. Und anders als in der Politik, wo die Verbrenner-Spaßpartei FDP mit knapp 8,7 Prozent bei der Bundestagswahl und aktuell etwa 1 Prozent Zustimmung, ein ganzes Land sowie die EU in E-Fuels-Geiselhaft nehmen kann, ist eine Aktiengesellschaft kein Rummelplatz für Amateurpolitiker mit Sehnsucht nach Aufsichtsratsposten bei Porsche.

Der Vormittag, es stehen Kaffee und Softdrinks auf dem Konferenztisch, verläuft in mäßig freundschaftlicher Atmosphäre. Döpfner ist erzürnt. Seit Monaten gehen die Rügen des Presserats zurück. Die "Bild" ist so regierungsuntertänig geworden, dass selbst die Antifa-Journalisten Judith Sevinç Basad und Ralf Schuler die Redaktion empört verlassen haben. Zwei der renommiertesten Freiheitskämpfer in der Geschichte der Bundesrepublik. Stets wachsam, dass Minderheiten berücksichtig, Rassismus und Rechtsextremismus ausreichend bekämpft und nicht zu viele Hufeisen theoretisiert werden.

Dabei hatte man sich so viele Hoffnungen gemacht, nachdem Scheidungsurkunden-Crash-Test-Dummie Julian Reichelt beim Lügen erwischt, vor die Tür gesetzt und anschließend Johannes Boie, Alexandra Würzbach und Claus Strunz als neue Meinungs-Musketiere installiert wurden. Endlich wieder Deutungshoheit und Qualitätsjournalismus. Das hatte es nicht mehr gegeben, seit Kai Diekmann sich vom "Bild"-Chefposten zurückgezogen hatte, um seinen autobiografischen Roman "Der mit dem Wulff tanzt" zu schreiben. Ein untragbarer Zustand.

Aller guten Dinge sind drei. Auch bei Entlassungen.

Schon am frühen Vormittag, Döpfner hatte gerade zur Beruhigung per Zoom-Call bei Sotherby´s einige Exposés für seine weltberühmte Akt-Gemäldesammlung erworben und einem seiner Nachbarn in Potsdam erklärt, wie er damals die Maulwurfplage in seiner parkähnlichen Gartenanlage in den Griff bekam, zeichnet sich ab: Boie, Würzbach und Strunz zeigen sich uneinsichtig. Als sich das Trio mit vier Pulitzerpreisen sogar weigert, künftig wöchentlich mindestens drei Mal einen schwer rassistischen Leitkommentar zu verfassen, mindestens vier Mal ein Verbot von Fridays For Future und 12 mal die Entlassung von Robert Habeck zu fordern sowie eine Fake-Argumentationskette zu erfinden, warum E-Fuels besser als E-Mobility sind und dazu mindestens fünf ehemalige Wirtschaftsprofessoren aufzutreiben, die sich als Klimaexperten ausgeben und sowohl den Klimawandel wie auch die Kipppunkte-Theorie für vollständigen Blödsinn erklären, platzt Döpfner der Kragen. Wenn er sich von unfähigen Schreiberlingen belästigen lassen möchte, die glauben, man solle Frauen gleichberechtigt behandeln, Wissenschaft ernst nehmen und Menschen nicht nach ihrem Vornamen kategorisieren, geht er mit Benjamin von Stuckrad-Barre essen.

Döpfner reagiert darauf gewohnt gelassen und souverän: Er feuert alle drei fristlos. Noch am selben Tag werden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen informiert. Die sind noch traumatisiert von Döpfners Ankündigung vor einigen Tagen, "Welt" und "Bild" würden demnächst als Print-Magazine verschwinden – und alle Journalisten, die nicht mehr auf Linie sind, entlassen. Das ist wichtig, denn "Bild" und die wirtschaftlich von "Bild" mit durchgefütterte "Welt" sind halt wirklich die letzten und einzigen Medien in Deutschland, die noch mutig gegen den neuen DDR Obrigkeits-Staat aufbegehren. Das sichert Abonnenten im AfD-Lager plus einer Bubble deutlich rechts davon – also laut Markus Söder vor allem in der FDP. Diese verbliebene Klientel mag nicht besonders sexy anmuten, aber egal.

Mit den Intellektuellen des Landes hat man es sich durch zu viel Tim Röhn und zu wenig Robin Alexander ohnehin schon seit längerer Zeit verscherzt. Und die wenigen sehr guten Journalisten haben das Haus spätestens im Rahmen der auf Feldbetten ausverhandelten zwangsbeischlaforientierten Spontanbeförderungen fluchtartig verlassen. Darüber hinaus findet deutschsprachiger Journalismus bei Springer demnächst ohnehin nur noch digital statt – wenn überhaupt. Und da ist es dann auch egal, denn die Kommentarspalten bei "Welt" klingen bereits heute wie Klassentreffen der Absolventen der Attila Hildmann Telegram Akademie für Qualitätsrecherche. Schlimmer kann es kaum werden, selbst wenn Abos nur noch von Lesern abgeschlossen werden, die den Wendler für einen besseren Virologen halten als Christian Drosten.

Döpfnerphönix aus der Asche

Wenig Licht, viel Schatten also an jenem Donnerstag. Aber auch Hoffnung. Neue Besen kehren gut, sagt der Volksmund. Selbst, wenn sie schon mal unehrenhaft das Weite gesucht hatten. So kann Personal-Houdini Döpfner noch am Nachmittag, wie ein Fingerzeig Gottes klart gleichzeitig der Himmel über Berlin auf, Marion Horn als neue Geschäftsführerin präsentieren. Das ist sie, die Magie des intellektuellen Hochadels. Aus dem dunkelsten Tag formen sie den hellsten Schein einer glorreichen Zukunft. Die "Bild" ist gerettet – und damit im Wesentlichen auch Deutschland. Das Bollwerk gegen die Ökofaschisten von den Grünen ist neu munitioniert. The Last Newsmag Standing. Döpfner und seine Premium-Journalisten werden unser schönes Land nicht den hyperwoken Baerbock-Fans des ÖRR oder den Tempolimit-Fanatikern der SPD überlassen. Die Brandmauer gegen links steht in neurenovierter Pracht.

Alberne Hippie-Absurditäten wie Gendern, Frauenquote, 1,5 Grad Ziel, LQBTQ+ Rechte, Corona-Impfung, Migration oder soziale Gerechtigkeit, das sind doch weltfremde Hirngespinste von durch Bill Gates finanzierten Vollzeitversagern aus dem Gutmenschen-Kosmos. Zum Glück haben wir noch die Power der alten, weisen Männer und Frauen. Leuchttürme der Vernunft wie Döpfner, Hans-Georg Maaßen, Wolfgang Kubicki, Richard David Precht, Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer, Ulf Poschardt oder Daniele Ganser, die unser Land in der Spur halten und uns vor der irrwitzigen Klimawandel-Propaganda der rot-grünen Verbotselite schützen. Umweltschutz, Tierschutz, erneuerbare Energien. Das wollen die Menschen nicht. Das sieht man schon allein am Triumphzug der E-Fuels Boyband FDP, die bei den letzten Landtagswahlen herausragende Rekordergebnisse einfahren konnte. E-Autos, vegane Ernährung, Co2-Neutralität, Wärmepumpen, Pariser Abkommen, Gas von jemand anderem als Russland, so ein Blödsinn. Das hat es früher auch nicht gegeben – und ist da etwa die Welt untergegangen? Macht mal die Augen auf! Bis nächste Woche!

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