Marcel Reich-Ranicki überlebte das jüdische Ghetto und wurde mit dem "Literarischen Quartett" zum mächtigsten Literaturkritiker des Landes. Matthias Schweighöfer spielte ihn im Kino, Thomas Gottschalk schrieb einen Nachruf. Trotzdem blieb er immer ein Außenseiter. Am 2. Juni 2020 hätte Marcel Reich-Ranicki seinen 100. Geburtstag gefeiert.

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Am 2. Juni 2020 wäre Marcel Reich-Ranicki 100 Jahre alt geworden, und bis heute konnte niemand die Lücke füllen, die sein Tod 2013 in der deutschen Literaturlandschaft hinterließ. Mit seiner Sendung "Das Literarische Quartett" hat er Fernsehgeschichte geschrieben – keiner kann aus Literaturkritik eine Show machen wie er es konnte. Dafür wurde er gehasst und bewundert. "Für einen Kritiker gibt es das eine nicht ohne das andere", hat er gesagt, und beides nahm er hin ohne einen Zentimeter von dem Weg abzuweichen, den er für richtig hielt.

Vielleicht muss das ja so sein, wenn man die Literatur so liebt, wie er es getan hat – bei Filmstars, Sportlern oder Künstlern wundert sich niemand über eine Leidenschaft, die die Grenzen des Anstands oder guten Tons mitunter überschreitet.

Marcel Reich-Ranicki: Bücher gehörten für ihn zum Überleben

Wir sind es nur nicht gewohnt, dass einer Bücher so persönlich nimmt, wie Marcel Reich-Ranicki es tat. Weil es selten vorkommt, dass Bücher so unbedingt zum Überleben gehören, wie sie es in seinem Fall taten. Als Jude im Warschauer Ghetto zum Beispiel, wo er nur Lyrik las: "Man liest nicht gern ein Buch von 300 Seiten, wenn man zu befürchten hat, dass man‘s nicht zu Ende bringt, bevor man ermordet wird." Wer so trocken von einem Leben erzählt, wie Marcel Reich-Ranicki es hinter sich hatte, der darf sich in seinen Worten eine gewisse Ungeduld erlauben. Eine gewisse Schärfe. Eine gewisse Herablassung. Denn all das hat er am eigenen Leib erfahren.

Man versteht den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki besser, wenn man den Menschen Marcel Reich-Ranicki in seiner Autobiografie "Mein Leben" kennengelernt hat, die 1999 zum Bestseller wurde. Blicken wir auf dieses Leben zurück.

Die frühe Jugend in Polen: "Ich bin artig"

Marcel Reich kommt am 2. Juni 1920 im polnischen Wloclawek auf die Welt. Sein Vater David ist ein jüdischer Kaufmann ohne kaufmännisches Geschick, seine preußische Mutter Helene, die Tochter eines armen Rabbiners, wird sich in Polen nie zu Hause fühlen.

Der junge Marcel wächst in einem literatur- und kunstaffinen Elternhaus auf und kann bereits lesen, als er in die Schule kommt. Als er ungefähr sechs Jahre alt ist, entdeckt seine Mutter während eines Besuches bei ihren Geschwistern in Berlin in einem Kaufhaus Kinderkleidung mit dem Schriftzug "Ich bin artig" und hält es für eine witzige Idee, die Kittel ihres jüngsten Sohnes mit der polnischen Übersetzung besticken zu lassen. Wahrscheinlich habe der unvermeidliche Spott jenen Trotz in ihm geweckt, der ihn nie mehr verlassen sollte, schreibt Reich-Ranicki: "Brüllend und prügelnd wollte ich jenen, die sich über mich lustig machten beweisen, dass ich besonders unartig war."

Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise muss der Vater Bankrott anmelden – die Familie ist auf die Unterstützung von Helenes reichem Bruder in Berlin angewiesen. 1929 siedelt die Familie in die deutsche Hauptstadt um und zieht zum Großvater, dem pensionierten Rabbi. Marcels polnische Lehrerin, die sich von seiner Mutter immer deutsche Romane ausleiht, verabschiedet ihn mit einem Satz, den er nie vergessen wird: "Du fährst, mein Sohn, in das Land der Kultur."

Die Nazis – und die Bücher: "Ich war verliebt in sie, die Literatur"

In Berlin kommt Marcel in eine Schule, wo - anders als in Polen – das Verprügeln ungehorsamer Kinder mit dem Rohrstock Alltag ist. Damals formt sich das widersprüchliche Verhältnis Marcel Reich-Ranickis zu Deutschland, das ihn zeitlebens prägen soll: Auf der einen Seite die Angst "vor dem deutschen Rohrstock, dem deutschen Konzentrationslager, der deutschen Gaskammer" – und auf der anderen Seite die Sprache und die Literatur und das damit verbundene "Glück, das ich dem Deutschen verdankte, immer noch verdanke". Wieder ist Marcel ein Außenseiter. Trotzig gelingt es ihm, bis zum Abitur alljährlich der beste Deutschschüler seiner Klasse zu sein. Nie wieder liest Marcel so viel wie während seiner Gymnasialzeit. Nicht nur aus Rache: "Ich war verliebt in sie, die Literatur."

Sein Abitur darf Marcel Reich 1938 gerade noch machen – das ersehnte Studium der Germanistik danach ist dem Juden verboten. Am Morgen des 28. Oktobers wird Marcel Reich von einem Schutzmann abgeholt. Der 18-Jährige mit dem polnischen Pass gehört zu der ersten behördlich organisierten Massendeportation von Juden.

Im Warschauer Ghetto: "Wir sind jüdische Schweine"

Zunächst bedeutet das nur, dass sein Geburtsland sein Exil wird. Er zieht nach Warschau, wohin seine Eltern und sein älterer Bruder bereits zurückgekehrt waren. Er gibt Deutsch-Nachhilfe, liest und langweilt sich.

Nach der Kapitulation Warschaus im Herbst 1939 beginnen die Schikanen. Marcel soll mit anderen Juden die deutschen Kasernen putzen. Den Weg durch die Stadt vertreiben sich die Soldaten mit Demütigungen: Die Juden sollen rennen, stoppen, zurück, weitergehen. Sie sollen jiddische Lieder singen und im Chor "wir sind jüdische Schweine" brüllen.

Im November 1940 müssen die Reichs ins Warschauer Ghetto umziehen. Am Rand der überfüllten Straßen liegen die Leichen derer, die an Entkräftung, Hunger oder Typhus gestorben sind. Marcel arbeitet im "Judenrat", quasi der Verwaltung des Ghettos. Eine unbeliebte Institution, weil der Rat mit den deutschen Besatzern zusammenarbeitet. Marcel und eine Nachbarstochter, Teofila, kommen sich näher.

Die ersten Kritiken, eine Heirat und eine Flucht

Im Warschauer Ghetto schreibt Marcel Reich seine ersten Kritiken über das dort gegründete Symphonieorchester. Sie seien mitunter so böse gewesen wie seine späteren Texte – aber anders als für die Buchrezensionen schäme er sich: "Wenn ich bedenke, was diese jüdischen Musiker kurz nach den Konzerten erlitten haben ..."

Die Musik und Poesie bieten Marcel und seiner Freundin nicht nur Zuflucht vor dem Alltag im Ghetto. Der zutiefst emotionale Zugang zur Literatur, hier festigt er sich.
Am 22. Juli 1942 soll Marcel Reich die Anordnung der SS zur angeblichen "Umsiedlung" der Warschauer Juden übersetzen – ein Todesurteil. Weil Mitarbeiter des Judenrats und ihre Angehörigen zunächst ausgenommen sind, lässt er sofort Teofila ins Büro holen, um sie zu heiraten. Eine Zweckheirat also, aber eine, die fast 70 Jahre halten soll, bis zu "Tosias" Tod 2011. Trotz aller Affären, die ihr leicht zu betörender Ehemann haben wird.
Regelmäßig werden Juden in die Gaskammern von Treblinka transportiert. Die besonders schäbig, schwach oder besonders "jüdisch aussehenden" Menschen werden am ehesten herausgepickt. Wer schwarzhaarig wie Marcel ist, rasiert sich in dieser Zeit täglich zwei Mal. Er habe diese Angewohnheit den Rest seines Lebens beibehalten, schreibt Reich-Ranicki.

Als unverzichtbarer Übersetzer überlebt er alle Auswahlverfahren. Aber er muss zusehen, wie seine Eltern im September 1942 in Richtung der Waggons nach Treblinka getrieben werden. Sein Bruder schluckt Ende 1943 Zyankali.

Das Kriegsende: Eine Karotte für eine gute Geschichte

Im Februar 1943 gelingt Marcel und Tosia die Flucht aus dem Ghetto. Im Haus des verarmten Schriftsetzers Bolek am Warschauer Stadtrand dürfen sie das Kriegsende abwarten. Oft sitzen alle im Dunkeln und langweilen sich. Der gebildete Mitbewohner soll etwas erzählen. Und Marcel erzählt – von Prinzen und Königen, von unerfüllter Liebe und Duellen: "Schamlos verballhornte und auf simple Spannung reduzierte Kurzfassungen von Romanen und Novellen, Dramen und Opern." Je unterhaltsamer, desto besser, denn dann werden Marcel und Tosia belohnt: ein extra Stück Brot, noch eine Karotte. Die Geschichte von Kleists Prinzen von Homburg gefällt Bolek so gut, dass er einen Wodka spendiert.

Aus Marcel Reich wird Marcel Ranicki

Nach der Befreiung Polens Ende 1944 wollen Marcel und Tosia zum Dank im Militär dienen. Unterernährt und ohne jede Erfahrung, aber gebildet, wie sie sind, werden sie zur Postzensur eingeteilt.

Nach Kriegsende kommt das Angebot, nach London zu gehen: Als Konsulats- und Geheimdienstmitarbeiter – eine Tätigkeit, die er jahrelang verschweigen wird. Als sie 1994 ans Licht kommt, tut er sie als Jugendabenteuer ab. Auch, dass er damals Mitglied der Polnischen Arbeiterpartei wurde, wird er lange verschweigen. Vermutlich, weil das während des Kalten Krieges seiner Karriere im Westen schaden könnte.

Für das Amt in London soll er seinen Namen ändern, der zu sehr an "Drittes Reich" erinnere. Zwei angenehme Jahre verbringt die Familie Ranicki in London, dort wird ihr Sohn Andrew geboren. Mittlerweile war Marcel Ranicki in die Polnische Arbeiterpartei eingetreten – aus Dankbarkeit der Roten Armee gegenüber, die ihn befreit hatte, aber auch, weil ihn wie viele Intellektuelle nach dem Krieg der Kommunismus als faszinierende Möglichkeit für eine Neuordnung der Gesellschaft erschien. Auch das ein Aspekt seiner Biografie, die er im Westen verschweigen wird, weil sie seiner Karriere im Kalten Krieg schaden könnte.

Doch Marcel Ranicki gilt bald als nicht linientreu genug. Nach der Rückkehr nach Warschau wird er entlassen und aus der Partei ausgeschlossen. Er fängt an, sich mit Literaturkritiken über Wasser zu halten. 1953 bekommt er für eineinhalb Jahre Publikationsverbot, sie müssen allein von Tosias Gehalt leben. Regelmäßig wird er angefeindet: wie er es wagen könne, die Sprache Hitlers zu verwenden. Doch er weiß sich zu wehren: "Es handle sich, sagte ich, um die Sprache von Marx und Engels. Damit war der Fall erledigt."

Der spöttische Literaturkritiker

Irgendwann wird der Parteiausschluss wieder aufgehoben, Marcel Ranicki darf reisen, er schreibt über polnische Literatur. Und er trifft deutsche Autoren, oft aus der DDR, wie Anna Seghers und Bertolt Brecht. Von diesem bleibt ihm vor allem ein völliger Gleichmut seiner Umgebung gegenüber in Erinnerung – symbolisiert in einer Obstschale in Brechts Hotelzimmer. Sie ist voller für Polen unerreichbarer Früchte wie Bananen und Orangen, von denen Brecht keinem der anwesenden Journalisten etwas angebotenen habe. Offenbar sei ihm der Luxus gar nicht bewusst gewesen, und sein Interesse habe vor allem ihm selbst gegolten.

Der beißende Spott, für den Marcel Reich-Ranicki später so berühmt werden sollte – er scheint sich in den frühen Nachkriegsjahren zu bilden, als der enthusiastische Literaturliebhaber ständig auf Dichter trifft, die ihn persönlich enttäuschen.

Mit der Schreibmaschine in den Westen: Aus Ranicki wird Reich-Ranicki

Irgendwann werden Marcel Ranicki auch wieder Reisen in den Westen erlaubt. Aber mit dem Kommunismus hat er längst abgeschlossen, und in Polen fühlt er sich bei aller Dankbarkeit fremd. Von einer Reise im Juli 1958 nach Frankfurt am Main wird Marcel Ranicki nicht zurückkehren. Im Gepäck hat er einen einzigen Koffer und seine Reiseschreibmaschine. Tosia und Sohn Andrew kommen später nach.

Bald schreibt er regelmäßig Kritiken für die "Welt" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Nachdem er erwähnt hat, er habe in Polen als Marcel Ranicki veröffentlicht, heiße aber eigentlich Reich, schlägt ihm ein Feuilletonchef mit Doppelnamen vor, es ihm gleich zu tun: Marcel Reich-Ranicki ist geboren.

Die Wochenzeitung "Die Zeit" wird auf ihn aufmerksam, und er darf 1960 das erfolgreichste Debüt der Saison rezensieren: Marcel Reich-Ranicki schreibt einen polemischen Verriss zu Günter Grass‘ "Blechtrommel".

Der mächtigste Kritiker Deutschlands

Bald gilt Marcel Reich-Ranicki als Meister der literarischen Hinrichtung: Von seiner Autobiografie abgesehen, wird die Essaysammlung "Lauter Verrisse" sein erfolgreichstes Buch. Umgekehrt zögern Autoren und Autorinnen nicht, ihm in ihren Texten, direkt oder indirekt, den Tod zu wünschen.

Seinen Erfolg wird er immer wieder so begründen: Er habe als Autodidakt von den großen deutschsprachigen Kritikern der Vergangenheit gelernt, von Heine, Fontane, Tucholsky, die für Zeitungen schrieben und immer ihr Publikum vor Augen gehabt hätten. Die zeitgenössische Kritik werde dagegen von Gelehrten dominiert, die für Gelehrte schrieben: "Um das, was ich sagen wollte, erkennbar und fassbar zu machen, habe ich mir häufig erlaubt zu übertreiben und zu überspitzen." Marcel Reich-Ranicki sieht darin keine Schande, sondern einen Dienst am Leser.

Angst oder Antisemitismus?

1973 wird Joachim Fest Herausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) und macht Reich-Ranicki zum Chef des Literaturteils. Bei der "Zeit" hatte dieser gekündigt – und wird sich immer fragen, warum er zwar jahrelang ein geschätzter Autor war, aber nie eine Stelle in der Redaktion bekommen hat. Es heißt, man habe ihn für zu machtbewusst und schwierig gehalten, um sich in den Redaktionsalltag einzufügen. Oder war es Antisemitismus?
Es gibt einiges, was dem Juden Reich-Ranicki an der Bundesrepublik auffällt: Dass ihn nie jemand nach seinen Erlebnissen im Warschauer Ghetto fragt – außer einer jungen Journalistin, der späteren RAF-Terroristin Ulrike Meinhof. Oder dass er zu einem Empfang eingeladen wird und dass es niemand für nötig hält ihn darauf hinzuweisen, dass zu den Gästen auch Hitlers Architekt Albert Speer gehört.

Reich-Ranicki als Literaturpapst im Fernsehen

Als Leiter des Literaturteils der FAZ weitet Reich-Ranicki seine Macht im deutschen Literaturbetrieb kontinuierlich aus – zugunsten der Literatur, sagt er selbst nicht zu Unrecht, aber sicher auch aus der Geltungssucht und Eitelkeit, die ihm seine Kritiker vorwerfen. Er sitzt in Jurys, er ist 1977 Mitbegründer des Ingeborg-Bachmann-Preises für junge Literatur – und im Sommer 1987 besuchen ihn zwei Herren des ZDF und schlagen ihm eine Literatursendung vor.

Reich-Ranicki sieht die Chance, der Literatur (und ihm selbst, auch wenn er das nie zugeben würde) eine riesige Bühne zu verschaffen. Im März 1988 wird die erste Folge des "Literarischen Quartetts" ausgestrahlt. Da ist Reich-Ranicki 68 Jahre alt. Einmal im Monat bespricht er mit seinen Kollegen Hellmuth Karasek und Sigrid Löffler und einem Gast fünf Romane.

Die Sendung wird in der Literaturbranche ausgelacht, von Verlagen gefürchtet und gefeiert. Das Publikum liebt das Spektakel, und ein besonderes Lob kann den Verkauf von Romanen verzehnfachen. Marcel Reich-Ranicki hält die Zügel in der Hand wie ein Zirkusdompteur seine Peitsche. Er beleidigt Autoren und Autorinnen, fährt Gästen über den Mund. Als er Löffler 2000 indirekt vorwirft, zu prüde für Liebesromane zu sein, verlässt sie das Quartett.

"Ich nehme diesen Preis nicht an"

Er hat zahlreiche Auszeichnungen bekommen, zwei davon aber charakterisieren Marcel Reich-Ranicki ganz besonders: 2007 verleiht ihm die Berliner Humboldt-Universität die Ehrendoktorwürde – jene Universität, an der er 70 Jahre zuvor wegen seiner jüdischen Abstammung nicht studieren durfte.

2008 soll ihm für seine Verdienste mit dem "Literarischen Quartett" der Ehrenpreis des Deutschen Fernsehpreises verliehen werden. Unter dem tosendem Applaus der versammelten Showbranche wird der 88-Jährige von Thomas Gottschalk auf die Bühne geführt. Freundlich lächelnd tritt er ans Rednerpult: "Ich möchte niemanden kränken, niemanden beleidigen oder verletzten ... aber ich möchte auch ganz offen sagen – ich nehme diesen Preis nicht an." Was er an diesem Abend vier Stunden lang habe ansehen müssen – zu diesem "Blödsinn" gehöre er nicht dazu.

Der einsame Leser

Kein Land, sondern die deutsche Sprache ist Marcel Reich-Ranickis Heimat. Sein Beruf ist seine Berufung. Immer wieder betont er in seiner Autobiografie, dass er sich über sein Verhältnis zu den Schöpfern der von ihm so verehrten Literatur keine Illusionen mache: Es hänge allein davon ab, ob ihm das letzte Buch eines Autors gefallen habe.

Was man aus der Autobiografie herauslesen kann, bestätigt, was sich aus vielen Kommentaren über ihn heraushören lässt: Marcel Reich-Ranicki war immer ein Außenseiter, von vielen geachtet, von vielen gehasst, aber bei wenigen beliebt. Man schätzt seine Bonmots, die Unterhaltsamkeit seiner deutlichen Worte – doch seine Anwesenheit ist den Meisten lästig.

2013 erkrankt er an Krebs, am 18. September stirbt Marcel Reich-Ranicki in Frankfurt am Main. Der wohl einflussreichste deutschsprachige Literaturkritiker des 20. Jahrhunderts war vor allem eines: ein einsamer Leser. Aber Leser wissen, dass das kein Unglück sein muss.

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