Eine sehenswerte Krimikomödie über Provinzbauern und Kleinkriminelle: Mit "Die Nacht der Kommissare" verabschiedet sich der "Tatort" gut gelaunt in die Sommerpause.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

In der Leichenkammer liegt ein Kopf. Es wurde eine Wasserleiche gefunden, jedenfalls ein Teil von ihr, und Rechtsmediziner Daniel Vogt (Jürgen Hartmann) kommt nicht weiter. "Eine Koksnase", erkennt er zwar, aber etwas mehr Untersuchungsmaterial wäre schön, "a bissle Bruscht wär' super!". Kommissar Sebastian Bootz (Felix Klare) findet trotzdem heraus, dass es sich um den "Wilden Mann" handelt, den Besitzer des gleichnamigen und gleich zwielichtigen Nachtclubs, in dem mit Drogen gehandelt wird. Und ausgerechnet dort findet Bootz seinen Kollegen Thorsten Lannert (Richy Müller) in einer Ecke sitzend, interessiert in die blau illuminierten Bläschen einer Wassersäule starrend. Ohne Schuhe und ohne Telefon, aber entzückt, ihn zu sehen.

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Jemand scheint Lannert halluzinogene Drogen verabreicht zu haben. Kurz zuvor hat er Sebastian Bootz noch ein Handyfoto von einem blutverschmierten Stahltisch geschickt. Jetzt weiß Lannert leider nicht mehr, von wo. Er weiß nur noch, dass bald ein großer Deal über die Bühne geht. Was genau und mit wem, weiß er nicht. Wo auch nicht. Aber er weiß, wer den Wilden Mann ermordet hat! An den Namen kann er sich leider nicht erinnern. Ist aber nicht weiter schlimm: "Wir zwei, wir finden das zusammen raus, oder?", fragt er seinen Kollegen leutselig. "Sebastian? Ich liebe dich!"

Und so geht sie los, "Die Nacht der Kommissare" in Stuttgart: eine Krimikomödie, in der sich Slapstick und Lakonie gekonnt die Waage halten und mit der sich ein sehenswerter "Tatort" gut gelaunt in die Sommerpause verabschiedet.

Sebastian Bootz schwankt zwischen Belustigung und Gereiztheit. Weil er auf die Hilfe eines Kommissars angewiesen ist, für den er Babysitter spielen und dabei die Informationsbläschen einfangen muss, die fröhlich aus dem eifrigen Kollegen herausblubbern. Thorsten Lannert ist das zugedröhnte Orakel von Stuttgart.

Zum Glück hat Bootz bereits Jan Hanika (Frederic Linkemann) in Verdacht, den zweiten Mann im "Wilden Mann". Vielleicht wollte Hanika gerne erster Mann werden? Jedenfalls folgen Bootz und Lannert Jan und seiner Freundin Jessy (Rilana Nitsch) vom Nachtclub erst einmal auf einen einsamen Parkplatz. Und kommen so einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit auf die Spur: Auch die Landwirtsfamilie Bechtel trifft dort ein. Mit einem LKW voller Kartons, in denen angeblich Schnellkochtöpfe stecken.

Die Sache scheint klar: Die Bechtels versorgen den "Wilden Mann" mit Drogen. Klassische Landwirtschaft bringe heute nichts mehr, grummelt Bauer Dieter (Klaus Zmorek). Und seine Frau Beate (Therese Hämer) hat schon längst die Nase voll von den Schweinen im Kober. Also haben sie sich auf einen Plan eingelassen, den Sohnemann Arthur Bechtel (Valentin Erb) geschmiedet hat. Der allerdings ist nicht gerade die hellste Birne im Stall.

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Und so nimmt ein skurriles Unglück seinen Lauf, das mit dem brustlosen Wilden Mann anfängt und auf dem nächtlichen Parkplatz noch lange nicht vorbei ist. Denn im Lkw stapeln sich tatsächlich Schnellkochtöpfe. Die alternative Landwirtschaft, die die Bechtels betreiben, ist noch viel ungewöhnlicher, als Lannerts Zustand ahnen lässt.

Der turnt sich an Bootzens Seite vergnügt durch den Fall wie eine Bergziege - inzwischen zwar wieder mit Schuhen, aber nach wie vor wenig zielgerichtet und mit einer besonderen Vorliebe für Höhen. Mal hängt er vom Dach des Führerhäuschens herunter und erschreckt die Lkw-Fahrerin fast zu Tode, mal flüchtet er sich aus Angst vor einer Spritze auf eine Bushaltestelle und treibt Rechtsmediziner Daniel "Ich liebe dich!" Vogt in den Wahnsinn.

Richy Müller ist ein dauergrinsender Kobold, dessen zurückgenommene Körperakrobatik die üblichen Besoffenen-Klischees weitgehend vermeidet und der unter Shirel Pelegs präziser Regie den Humor des Drehbuchs von "Tatort"-Profi Wolfgang Strauch gekonnt in gut dosierten Slapstick überträgt.

Schwaben sind ja schon froh, wenn sich der Witz nicht auf Dialekt und Kehrwoche konzentriert. "Die Nacht der Kommissare" ist davon weit entfernt. Dieser "Tatort" erzählt mit viel Gespür für Details von liebenswerten Provinzlern und einfältigen Kriminellen, die die gleiche gierige Sehnsucht nach einem besseren Leben zusammengebracht hat. Und die sich nun in den Fäden ihrer hochfliegenden Pläne verheddert haben. Ein nicht ganz ernst gemeinter Krimi, aber erzählt mit aufrichtiger Sympathie für seine Figuren. Eine Heimatkrimikomödie im besten Sinne.

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