Nach der Niederlage gegen Anthony Joshua lässt Wladimir Klitschko offen, ob er seine Laufbahn fortsetzt. Dabei spricht alles für ein Karriereende.

Ein Kommentar

War das spannend! So einen Boxkampf hat es im Schwergewicht lange nicht gegeben. Zwei ebenbürtige Boxer standen sich gegenüber. Beide gingen zu Boden, kamen phänomenal zurück und bekämpften sich bis ans Ende ihrer Kräfte. Die Boxgeschichte ist um einen Jahrhundertkampf reicher.

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Nach elf Jahren der totalen Klitschko-Dominanz (man könnte auch sagen der gähnenden Langeweile) hat der Boxsport endlich die Faszination vergangener Jahrzehnte zurückgewonnen. Wladimir Klitschko und Anthony Joshua könnten eine ähnliche Rivalität entwickeln wie Muhammad Ali und Joe Frazier, wie Evander Holyfield und Mike Tyson – aber eben nur, wenn Klitschko seine Karriere fortsetzt.

Nach Kampfende wollte sich der Ukrainer noch nicht festlegen. Er brauche ein paar Tage oder Wochen Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Auch wenn ich mir weitere Kämpfe dieses Kalibers wünschen würde, lautet meine Empfehlung: Lieber Wladimir, lass gut sein und hänge die Boxhandschuhe an den Nagel!

Zu wenig, zu spät

Natürlich könnte man von einer unglücklichen Niederlage sprechen. Wäre er in Runde 11 aus der Bewegung heraus nicht getroffen worden, hätte der Kampf wohl nicht vorzeitig beendet werden müssen. Verloren hätte Klitschko aber trotzdem. Laut RTL hatten zwei der drei Punktrichter Joshua vorne. Und das aus gutem Grund:

Natürlich hat Klitschko einen großen Kampf abgeliefert. Anthony Joshua aber war durchweg der aktivere Boxer, setzte die klareren Treffer und wirkte leichtfüßiger.

Vitali Klitschko schrie seinem Bruder aus der Ringecke immer wieder zu, er müsse den Kampf dominieren. Aber das tat Wladimir nicht. Er benötigte erst einmal fünf Runden, um die statische Boxweise vergangener Jahre abzulegen und sich mehr zu bewegen.

Als er dann zu seiner Linie fand und seinen Gegner mit einem krachenden Schlag zu Boden schickte, hätte er aggressiver nachsetzen müssen. Doch er gab Joshua Gelegenheit, um sich zu erholen. Im Interview sagte Klitschko, er hätte sich die Zeit genommen, die richtigen Schläge zu setzen.

Anthony Joshua: Ein anderes Kaliber

Das passt zu Klitschko: Er war nie ein Mike Tyson, der den angeschlagenen Gegner sprichwörtlich wie ein Raubtier ansprang. "Dr. Steelhammer" blieb immer kontrolliert, boxte seinen Stiefel herunter und wartete geduldig auf die nächste Gelegenheit.

Das konnte er auch: Kaum einer seiner früheren Gegner hatte die Qualität, jemals wieder zurückzukommen – geschweige denn Klitschko noch einmal gefährlich zu werden. Joshua allerdings war ein anderes Kaliber.

Klitschko deutete an, es gäbe die vertragliche Option auf einen Rückkampf. Doch was würde uns dann erwarten?

Der Ukrainer wäre bei einem erneuten Aufeinandertreffen fast 42 Jahre alt und würde auf einen Joshua treffen, der dank des "Thrillers von Wembley" weiter gereift ist. Mir persönlich fällt kein Grund ein, warum Klitschko nächstes Mal gewinnen sollte.

Eine Alternative wäre ein Duell mit dem US-amerikanischen Weltmeister Deontay Wilder. Aber wäre das wirklich zu empfehlen? Wilder haut in den USA momentan alles kurz und klein, wäre also ein ähnlich unangenehmer Gegner wie Joshua.

Erinnerungen an Hercules

Für große Boxer ist es schwierig, den richtigen Zeitpunkt für das Karriereende zu finden. Mike Tyson und Muhammad Ali haben drei ihrer letzten vier Kämpfe klar verloren. Sie wurden regelrecht vorgeführt, weil sie sich selbst überschätzt haben.

Die Legenden waren plötzlich traurige Gestalten. Tyson gab selber zu, sich mit den letzten Kämpfen lachhaft gemacht zu haben. Wäre es nicht schade, würde es bei Klitschko auch so weit kommen? In seinem Alter dürfte das leider nur eine Frage der Zeit sein.

Wladimir Klitschko zählt zu den größten Sportlern dieses Jahrhunderts. Er war der Inbegriff von Dominanz, praktisch der Hercules unserer Zeit. Ich würde ihn gerne als Helden in Erinnerung behalten – nach diesem großen Kampf werde ich das tun.

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