• Ende Dezember ging ihr Bild um die Welt: Großmeisterin Sarasadat Khademalsharieh nahm ohne Kopfbedeckung an der Schnellschach-WM teil.
  • Vor allem in ihrem Heimatland Iran war die Aufregung groß.
  • Inzwischen lebt Sara Khadem, wie sie nun genannt werden will, im Exil in Spanien.
  • Doch auch dort fürchtet sie Repressalien durch das iranische Regime.

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Iranische Sportlerinnen unterliegen strengen Kleidervorschriften. Das Tragen eines Kopftuchs ist vorgeschrieben, auch bei Wettkämpfen außerhalb des Iran. Entsprechend groß war die Aufregung, als sich Sarasadat Khademalsharieh am 28. Dezember 2022 bei der Schnellschach-WM in Kasachstan entschloss, ohne Hidschab anzutreten. Die Großmeisterin war nicht die erste Sportlerin, die einen solchen Schritt wagte. Zuvor waren bereits die Eisschnellläuferin Niloufar Mardani und die Kletterin Elnaz Rekabi ohne Kopftuch bei Wettkämpfen angetreten.

Mardani wurde angezeigt, Rekabi bat später öffentlich um Entschuldigung, es sei alles ein Versehen gewesen. Von mehreren Seiten wurde vermutet, sie sei vom iranischen Regime unter Druck gesetzt worden.

In jedem Fall wurden die Aktionen der Sportlerinnen als Solidaritätsbekundung mit den seit September im Iran protestierende Frauen gesehen. Am 16. September war Mahsa Amini von der Sittenpolizei verhaftet und getötet worden, weil sie angeblich gegen die strenge Kleiderordnung des Landes für Frauen verstoßen hatte. Seitdem gibt es überall im Iran Demonstrationen, das Regime greift hart durch, verhängt und vollstreckt die Todesstrafe gegenüber jungen Menschen, auch Sportlern.

Sara Khadem kehrt nicht in den Iran zurück

Sara Khadem, wie sie nun genannt werden will, hat sich dennoch nicht entschuldigt. Stattdessen hat sie den Iran verlassen. Seit Anfang Januar lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Spanien. Doch auch im Exil fürchtet sie Repressalien durch das iranische Regime, wie sie im Interview mit "El Pais" zugibt. Angst hat sie vor allem um ihre Verwandten, die noch im Iran leben. "Wenn jemand seine Taten erklären sollte, dann bin ich es und nicht sie, denn die Entscheidung (gegen das Tragen des Hidschab) war allein meine", betont sie gegenüber "El Pais".

Auf Instagram schreibt sie, dass ihre Entscheidung, auszuwandern, eine familäre und keine politische sei. Sie stellt jedoch auch klar: "Letztendlich werde ich mich nicht vor dem Verband und dem Sportministerium verantworten."

So begründet Khadem ihre Entscheidung

"Ganz ehrlich, schon vor diesem einen Turnier habe ich nie Hidschab getragen. Ich meine, ich habe sie nur für die Kameras angezogen, weil ich den Iran repräsentierte. Irgendwie fühlt es sich nicht gut an, nicht ich selbst zu sein, also beschloss ich, das einfach nicht mehr zu machen", erklärt sie ihre Beweggründe hinter der Entscheidung.

Ihre Schachkarriere will Khadem nun aus Spanien fortsetzen und weiter unter der iranischen Flagge spielen. Aktuell steht sie auf Platz 17 in der Weltrangliste der Frauen, sie will es unter die Top 10 schaffen und damit an die Erfolge aus ihrer Jugendzeit anknüpfen. Khadem hatte als Kind den U12-Titel bei den Jugend-Weltmeisterschaften im Schach gewonnen, gewann 2013 in der U16-Kategorie bei der Schnellschach-WM. Seit 2014 tritt sie unter anderem auch in der Bundesliga für den Hamburger SK an. HSK-Mitglied Andreas Albers beschreibt sie in der "Süddeutschen Zeitung" als eine "superbeliebte und superintelligente" Spielerin.

Es war nicht das erste politische Statement der Großmeisterin

Eine Spielerin, die keine Angst hat, ihre Ansichten zu vertreten. Ihre Entscheidung, ohne Hidschab anzutreten, war nicht das erste politische Statement der heute 25-Jährigen. 2019 unterstützte sie in einem Video den iranischen Schachspieler Alireza Firouzja, der ins französische Team gewechselt war, um so dem iranischen Regelwerk zu entkommen, das ihn zwang, jedes Mal bereits im Vorfeld aufzugeben, wenn er gegen einen israelischen Spieler gelost wurde.

Wenig später, im Jahr 2020, erklärte Khadem ihren Rücktritt aus dem iranischen Nationalteam, nachdem der Iran am 8. Januar 2020 ein ukrainisches Passagierflugzeug abgeschossen hatte. 176 Menschen starben. "Das gesamte Land war untröstlich, mich eingeschlossen. Ich habe beschlossen, das Nationalteam zu verlassen und hörte für eine Weile auf, Schach zu spielen", erinnert sich Khadem gegenüber "El Pais".

Khadem hat noch Hoffnung für ihr Land

Seit 2017 ist Khadem mit dem iranisch-kanadischen Filmemacher und TV-Journalisten Ardeshir Ahmadi verheiratet. Dieser verbrachte bereits 2014 drei Monate in einem iranischen Gefängnis. Bis heute ist nicht bekannt, was genau ihm vorgeworfen wurde.

Die filmerischen Fähigkeiten ihres Ehemannes will Khadem nun nutze, um sich einen weiteren Traum zu erfüllen. Sie will sich selbst beim Schachspielen streamen. Und irgendwann will sie auch wieder in den Iran zurückkehren. Im Interview mit "El Pais formuliert die 25-Jährige ihre Hoffnung für die Zukunft: "Ich glaube, die Welt wird besser und das wird auch im Iran passieren - er kann keine Ausnahme bleiben. Wir werden Fortschritte bei Menschenrechten, dem Umweltschutz und vielen anderen Dingen machen. Der Iran wird schon bald ein besserer Ort sein."

Verwendete Quellen:

  • El Pais International: Sara Khadem: "I’m not me when I’m wearing a hijab"
  • Süddeutsche Zeitung: Die Frau ohne Kopftuch
  • FIDE Online Standard Top 100 Women January 2023
  • dpa
  • afp
  • Instagram-Profil (Stand: 26. Januar 2023) von Sara Khadem
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