Alexandra Burghardt gewann Bronze bei der Leichtathletik-WM 2022 in Eugene und Gold in München bei der EM. Die WM in Budapest verpasst sie wegen anhaltender Rückenprobleme, sie nutzt die Zeit zur Regeneration für die Olympia-Saison. Der Ausfall von Topstars sei eine Chance für den Nachwuchs – und bessert die Chancen für Paris.

Ein Interview

Wegen Rückenproblemen haben Sie den Start bei der WM abgesagt. Wie geht es Ihnen jetzt?

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Alexandra Burghardt: Mir geht es gut, danke. Ich bin froh, dass ich Zeit habe, mich um den Rücken zu kümmern, da das oft ein Problem ist. Die letzten eineinhalb Jahre hatte ich relativ wenig Pause, fast immer Saison. Deswegen bin ich froh, dass ich mir die Zeit genommen habe.

Wie sieht jetzt Ihr Tag aus?

Ich mache viel Reha-Training. Das bedeutet viel Ansteuerung, lernen, manche Muskeln zu entspannen, manche verstärkt zu benutzen. Es ist kein sehr anstrengendes Training, nicht sehr intensiv, besteht aber aus vielen vermeintlich einfachen Übungen, die nicht so einfach sind, wenn man sie richtig ausführt.

Was genau ist das Problem mit Ihrem Rücken?

Mir bereitet die größten Probleme, dass manche Muskeln einfach stark überlastet sind und andere nicht so gut benutzt werden. Jetzt versuche ich, Gleichgewicht reinzubringen.

Ihr Gedanke dabei ist auch, dass Sie für die Olympia-Vorbereitung komplett fit sein möchten. Wann fängt sie an und wie sieht sie aus?

Grundsätzlich fängt man mit der Saisonvorbereitung etwa im Oktober an. Dieses Mal würde ich gern schmerzfrei in die Vorbereitung starten und nicht wie in den Vorjahren mit Rückenproblemen. Ich hatte ständig Beschwerden, konnte nie meinen Plan durchziehen. Trotzdem habe ich an einigen Wettkämpfen teilgenommen und versucht, das Beste daraus zu machen. Aber im Hinblick auf nächstes Jahr habe ich gemerkt, dass ich etwas tun muss. Nur wenn man keine Schmerzen hat, kann man sein volles Potenzial ausschöpfen und schnell laufen. So habe ich das vor den Olympischen Spielen in Tokio auch gemacht.

Olympische Spiele 2024

Was macht das mit dem Kopf, wenn man immer wieder mit Schmerzen an den Start geht?

Das hat mich mit Sicherheit in dieser Saison gehemmt. Ich bin auch nicht in dem Bereich gelaufen, in dem ich das gern gemacht hätte, war relativ – zumindest über 100 Meter – weit von meinen persönlichen Bestzeiten weg. Es geht ja immer irgendwie. Aber "irgendwie" ist nicht das, was wir wollen. Wir wollen Höchstleistungen.

Wie haben Sie die Entscheidung getroffen, die Saison zu beenden?

Ich habe die Saison nur bis zur Deutschen Meisterschaft geplant und während der Saison probiert, die Rückenprobleme in den Griff zu bekommen. Für die Einzelstrecke bin ich nicht die Norm gelaufen und für die Staffel, finde ich, bin ich auch keine Bereicherung gerade. Deshalb musste ich nicht lange überlegen.

Erst im vergangenen Jahr haben Sie mit der Staffel WM-Bronze gewonnen, Gold bei den European Championships, nächstes Jahr steht Olympia an. Wie verkraftbar ist es, bei einer WM zu fehlen?

Verkraftbar beschreibt es ganz gut. Welt- und Europameisterschaften und Olympische Spiele sind die Events, für die wir das alles machen und für die wir trainieren. Aber ich habe keine Hard Feelings, weil ich weiß, dass das der richtige Weg ist im Hinblick auf das noch größere Event, das nächstes Jahr stattfindet mit den Olympischen Spielen. Das ist das Fernziel. Dabei geht es nicht immer nur bergauf. Manchmal muss man Anlauf holen, um stärker und schneller zurückzukommen.

Eigener Erwartungsdruck wird immer größer

Sie sind sicher im Austausch mit Ihren Staffel-Kolleginnen?

Wir haben Kontakt und ich drücke ihnen natürlich die Daumen. Vielleicht ist das eine Chance für die jüngeren und nicht ganz so erfahrenen Athletinnen, sich zu beweisen und Erfahrungen zu sammeln. Dann haben wir nächstes Jahr ein noch erfahreneres und stärkeres Team. Ich sehe das als Chance für die ganze Staffel und den Sprint.

Hat sich für Sie seit den Erfolgen im vergangenen Jahr der Druck erhöht?

Von außen weniger, es ist mehr mein eigener Erwartungsdruck. Ich merke, dass ich manchmal die Dinge zu wenig genieße, die ich schon erreicht habe und stattdessen immer an das nächste Event denke. Das ist gut, weil ich kein Fan davon bin, in der Vergangenheit rumzuhängen. Manchmal wünsche ich mir, ich würde es mehr genießen. Aber eigentlich schaue ich schon stark Richtung Olympiasaison.

Große Chance für den Staffel-Nachwuchs

Schauen wir zuerst auf dieses Jahr: Wie stehen die Chancen für die Staffel ohne Sie?

Ich glaube, es wäre vermessen zu sagen, sie stehen sehr gut. Lisa Maier ist verletzungsbedingt ausgefallen, Rebekka Haase hatte nach ihrem besten Saisoneinstieg auch Rückenprobleme. Ich bin nicht dabei. Im Vergleich zum letzten Jahr ist die Staffel gebeutelt. Das muss aber nichts heißen. Es ist, wie gesagt, eine Chance für den Nachwuchs, der sehr stark ist. Um die Medaille mitzulaufen, wird schwierig, aber das Finale ist auf jeden Fall drin. Gina (Lückenkemper, Anm.d.Red.) ist in einer super Form. Und bei der Staffel ist alles möglich.

Bei der letzten WM hat das deutsche Team so schlecht abgeschnitten wie noch nie. Wie steht es um den deutschen Nachwuchs in diesem Jahr? Hat sich schon etwas getan?

Ich habe die WM nicht so negativ wahrgenommen, wie sie dargestellt wurde. Letztes Jahr war klar, dass alle den Fokus auf die Europameisterschaft legen. Klar, die WM ist höherwertiger, aber eine Europameisterschaft in München gibt es nicht alle Tage. Es ist schwierig, über einen langen Zeitraum seine Topform zu halten. In München war die Form bei vielen sehr, sehr gut. Bei den Männern sieht man schon seit drei, vier Jahren, dass im Sprint etwas passiert ist. Ich würde mich freuen, wenn es auch bei den Frauen passiert. Das hat man bei der Deutschen Meisterschaft in Kassel gesehen, deshalb glaube ich, das sieht gut aus. Es wäre schön, wenn es eine tolle Ablöse gibt für uns.

Vorher haben Sie aber noch hohe Ziele.

Ja klar. Ich habe ja schon meine Olympia-Medaille im Wintersport, aber ich werde zu einer Medaille mit der Staffel nicht Nein sagen. Das wäre mein absolutes Traumziel. Dafür ist es wichtig, dass wir alle gesund sind, dass jeder an sich selbst arbeitet, damit die Leistung bei allen vier Läuferinnen bei 11,0 ist. Dann ist es möglich, dass man bei Olympia eine Medaille holt.

Sie haben im Zweierbob als Anschieberin von Mariama Jamanka Silber gewonnen. Wissen Sie jetzt besser, wie man in einen olympischen Wettkampf geht?

Generell macht es die Erfahrung. Die meisten von uns sind seit zehn Jahren auf einem hohen Niveau dabei. Da bringt es am meisten, wenn man in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt. Wie es letztes Jahr in München war, als der Wechsel des Staffelstabs bei uns reibungslos geklappt hat. Das heißt nicht, dass man nichts gewinnen kann, wenn man weniger Erfahrung hat. Es ist nur ein Vorteil.

"Das Team ist sehr gut aufgestellt."

Wie stehen die Chancen dieses Jahr insgesamt fürs deutsche Team bei der WM?

Das Team ist sehr gut aufgestellt. Gina hatte eine konstante Saison. Sie ist auf jeden Fall eine Meisterschaftsläuferin, deshalb bin ich überzeugt, dass sie bei der WM noch mal eins draufpackt. Fürs Finale über 100 Meter wird man eine Zehn vor dem Komma brauchen, aber sie hat schon öfter gezeigt, dass sie das kann. Sehr viel setze ich auch auf Julian Weber, er ist sehr konstant seit mehreren Monaten, fast Jahren und immer in der Weltspitze dabei. Ihm würde ich sehr wünschen, dass er sich seinen Traum erfüllt und ganz oben steht. Ich bin sehr gespannt, werde die WM mit sehr viel Interesse verfolgen und die Mannschaft von zu Hause aus anfeuern.

Ein paar große Namen sind nicht dabei. Nicht nur Sie, auch Malaika Mihambo, Johannes Vetter. Welche Bedeutung hat das für das Team?

Viele Erfolge beflügeln das Team. Wenn Namen wie Malaika, die fast wie gewohnt die Titel holen, im Team sind und es als Kapitän anführen, gibt das allen ein gutes Gefühl. Deswegen ist es schade, dass diese Leistungsträger nicht dabei sind. Nichtsdestotrotz glaube ich nicht, dass es den Druck auf alle anderen erhöht. Am Ende macht jeder seinen Wettkampf, jeder versucht, bei sich zu bleiben.

Wie viele Medaillen könnte es geben für das deutsche Team?

Die WM ist in Europa, mit vielen Zuschauern, viele können über sich hinauswachsen. Ich glaube, dass es mehr Medaillen gibt als in Eugene vergangenes Jahr. Vor allem glaube ich, dass es viele persönliche Bestleistungen gibt, weil die Kurven von allen in die richtige Richtung gehen. Dann können auch alle zufrieden sein, wenn sie am Höhepunkt ihre beste Leistung zeigen können.

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