Momentan läuft die Leichtathletik-Weltmeisterschaft. Neben den Athleten und ihrem Kampf um Medaillen steht vor allem Gastgeber Katar im Rampenlicht. Es gibt viele Argumente dafür, dass die Austragung in diesem Land kompletter Unsinn ist.

Eine Analyse

Mehr Sportthemen finden Sie hier

Mehr News zum Thema Sport

Für gewöhnlich bildet die Leichtathletik-WM im August den Höhepunkt einer Saison. Doch weil es in der katarischen Wüste im August noch heißer wäre als momentan, wurde die Veranstaltung auf Ende September, Anfang Oktober verlegt.

Damit müssen die Leichtathleten, die sowieso schon um Aufmerksamkeit kämpfen, auch noch mit dem alles überschattenden Fußball konkurrieren.

Die Stimmung vor Ort ist einem sportlichen Großereignis nicht angemessen. Die Kataris selbst sind keineswegs leichtathletikaffin und aus Europa treten nur wenige die Reise in die Wüste an.

Bis zum Start der Wettkämpfe hatten die Veranstalter noch weit unter 70.000 Tickets für zehn Tage verkauft. Das Stadion in Katars Hauptstadt Doha hat allerdings eine Kapazität von 40.000. Wie zu erwarten war, sind die Ränge gähnend leer. So können die übertragenden Fernsehsender weder für Katar, noch für die Leichtathletik werben.

Leichtathletik-WM 2019: Marathon bei Nacht

Zudem hat die Verlegung die klimatischen Bedingungen kaum verbessert. Immer noch herrschen fast 40 Grad Celsius in Doha, weshalb das Khalifa International Stadium auf 26 Grad heruntergekühlt wird.

Unter diesen künstlich erzeugten Bedingungen sollen die Athleten nun Topleistungen bringen, sind aber in Wahrheit vor allem der Gefahr ausgesetzt, sich muskulär zu verletzen oder einen grippalen Infekt einzufangen.

Für die Marathonläufe sowie die Wettkämpfe der Geher, die normalerweise nur auf den letzten Metern im Stadion stattfinden, mussten die Veranstalter eine Notlösung wählen: Die Wettkämpfe werden nachts ausgetragen - ins Stadion liefen die Athleten bislang gar nicht erst ein.

Beim Marathon der Frauen am vergangenen Freitag gewann die Kenianerin Ruth Chepngetich mit der langsamsten Siegerzeit, die je bei einer Leichtathletik-WM gemessen wurde. Bei brutalen 32,7 Grad Celsius und 73,3 Prozent Luftfeuchtigkeit dürfte das keine Überraschung sein. Nur 40 von 68 gestarteten Athletinnen kamen ins Ziel.

Die Italienerin Sara Dossena gehörte zu den 28 Athleten, die vor den Bedingungen kapitulierten und aufgaben. Die 34-Jährige, für die zuletzt bei der 10-Kilometer-Marke eine Durchgangszeit gemessen worden war, fand deutliche Worte: "Es war schrecklich."

Die Kulisse mit beleuchteten Straßen an der Corniche, der Uferpromenade von Doha, mag ihren Reiz haben. Aber die erforderlichen Maßnahmen, um halbwegs vernünftige Wettbewerbe überhaupt zu ermöglichen, verdeutlichen, dass Katar kein optimaler Austragungsort ist.

Und gerade in Zeiten einer globalen Klimadiskussion mit großen UN-Gipfeln und Protesten in vielen Ländern erscheint ein künstlich heruntergekühltes Stadion wie eine Farce.

Der unwirtliche Austragungsort ist auch dem deutschen Weltmeister Johannes Vetter ein Dorn im Auge. Der Weltklasse-Speerwerfer äußerte seine Kritik an den für die WM-Vergabe verantwortlichen Funktionären: "Wenn es mal Funktionäre geben würde, die sich um die Sportler und nicht um die Kohle kümmern, wäre die WM wohl in ein Land vergeben worden, in dem es nicht so abartig hohe Temperaturen gibt", schimpfte er.

Die Kataris betonen, dass die meiste Energie, die in diesen Tagen eingesetzt wird, erneuerbar sei. Aber Doha wäre natürlich nicht der einzige verfügbare Austragungsort. Die US-Amerikanische Stadt Eugene (Gründungsort des Sportartikelriesens Nike) und die katalanische Metropole Barcelona hatten sich ebenso um die WM beworben.

Warum überhaupt eine Leichtathletik-WM in Katar?

Katar nutzt solche Großveranstaltungen vor allem zur eigenen Vermarktung, damit niemand auf der Welt das Land vergisst. Denn Katar befindet sich seit Jahren in Auseinandersetzungen mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Deshalb ist es für Staatsoberhaupt Scheich Tamim Bin Hamad Al-Thani umso wichtiger, sein Land als "Global Player" zu präsentieren. Dies gelang Katar beispielsweise durch die Investition vieler Millionen in den französischen Fußballgiganten Paris Saint-Germain. Dieses finanzielle Engagement mündete letztlich in der Vergabe der Fußball-WM 2022 in den Wüstenstaat. Dem Emir gelang auf gleiche Weise auch, die Leichtathletik-WM ins Land zu holen.

Rasch wurden auch Korruptionsvorwürfe erhoben. Der "Spiegel" berichtet, dass ein französischer Untersuchungsrichter im Juni Nasser Al-Khelaifi befragte. Al-Khelaifi ist Minister der katarischen Regierung und Präsident von Paris Saint-Germain.

Ermittlungen gegen Senegalesen im Hausarrest

Die Ermittler beriefen sich bei ihrer Befragung auf einen Vertragsentwurf zwischen dem katarischen Organisationskomitee für die Leichtathletik-WM und der Firma The Sporting Age, in den der Senegalese Papa Massata Diack involviert war.

Eben jener Diack war von 1999 bis 2015, also auch zum Zeitpunkt der Vergabe der WM, Präsident des internationalen Leichtathletikverbands IAAF. Seit vier Jahren steht er in Paris unter Hausarrest und wartet auf seinen Prozess wegen Korruption, Bestechung, Geldwäsche und der Vertuschung von positiven Dopingproben. Al-Khelaifi schwieg gegenüber der französischen Justiz.

Zumindest Geld spielt für den Ölstaat Katar demnach keine Rolle. Ähnliches gilt jedoch auch für Arbeiterrechte. Rund zwei Millionen Arbeitsmigranten leben in dem Emirat und sind unter teils schlimmsten Bedingungen tätig.

Das kritisieren regelmäßig Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und zuletzt auch die deutsche Weitspringerin Malaika Mihambo. "Als Athlet wird man sicherlich sehr gute Bedingungen vorfinden. Als Gastarbeiter, der beim Stadionbau geholfen hat, ist es wahrscheinlich etwas anders", sagte sie kürzlich im Interview mit dem Deutschlandfunk.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Malaika Mihambo beim Deutschlandfunk
  • Amnesty International zur Ausbeutung der Arbeitsmigranten
  • Spiegel Online: Viele Fragen und ein Korruptionsverdacht
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.