Zu labil, zu verletzungsanfällig, ein Problemfall: So startete Bastian Schweinsteiger in die WM 2014. In Brasilien entwickelte er sich dann nicht nur zum Kopf der Mannschaft und Lenker im Mittelfeld - sondern steht am Tag nach dem Finale auch symbolisch für den unbändigen Willen des deutschen Teams, sich mit nichts außer dem Titel zufrieden zu geben.

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"Schweini" ist er schon lange nicht mehr: Spätestens mit dem verschossenen Elfmeter im Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea 2012 und dem gewonnen Endspiel gegen Borussia Dortmund im Jahr darauf wurde Bastian Schweinsteiger endgültig erwachsen. So erwachsen, dass sein Körper plötzlich nicht mehr mitspielte. Wegen verschiedener Verletzungen verpasste Schweinsteiger zahlreiche Spiele, galt plötzlich als zerbrechlich und als Risiko für die Nationalmannschaft.

Zum WM-Auftakt der deutschen Elf gegen Portugal saß Schweinsteiger nur auf der Bank - in der Mittelfeldzentrale zogen Khedira und Lahm die Fäden. Der Bundestrainer wollte kein Risiko eingehen. Erst mit der schwachen Partie gegen Ghana sah Joachim Löw die Notwendigkeit gegeben, mit Schweinsteiger einen frischen Impuls einzuwechseln. Und es zahlte sich sofort aus: Auch dank Schweinsteiger drehte sich die Partie, Deutschland erkämpfte sich ein Remis und Schweinsteiger war plötzlich wieder voll da.

Spätestens bei der Viertelfinalpartie gegen Frankreich wurde deutlich, wie wichtig ein gesunder Bastian Schweinsteiger für die Mannschaft ist. Er ordnete im Mittelfeld das deutsche Spiel, fing Bälle des Gegners ab und war immer am richtigen Ort, wenn es einmal eng wurde. Das Halbfinale gegen Brasilien war auch dank seiner Leistung ein Kinderspiel. Mitten hinein in die stürmische brasilianische Anfangsphase setzte Schweinsteiger Akzente, indem er mal Oscar abgrätschte, mal einen Steilpass in die Spitze abfing.

Das Meisterstück gelang Bastian Schweinsteiger aber im Finale gegen Argentinien - und das nicht einmal spielerisch. Die deutsche Elf tat sich schwer gegen das kompakte Mittelfeld der Argentinier. Die Künstler in der deutschen Elf stießen immer wieder auf kompromisslose Gegner, die lieber einmal zu kräftig hinlangten, als jemandem mehr Luft zu geben, als er zum Atmen unbedingt braucht.

In Schweinsteiger fanden aber auch Mascherano und Co. ihren Meister. Er lief, bis ihn die Krämpfe schüttelten, er schmiss sich in die Bälle, auch wenn ihm gleich zwei Argentinier in die Beine grätschten. Er hielt durch, als seine Wange nach einem Faustschlag von Sergio Aguero blutete und an der Seitenlinie schon ein Ersatzmann für ihn bereitstand. Er war der Spieler im deutschen Team, an dem sich die Jüngeren aufbauen konnten, bei dem sie sehen konnten, wie weit die Füße tragen können, wenn nur der Wille stark genug ist.

Früher war es Oliver Kahn, der seine Teams mit der "immer weiter, immer weiter"-Einstellung dazu trieb, bis zur Erschöpfung zu kämpfen. Heute ist es Bastian Schweinsteiger. Wenn seine Schmerzen nachgelassen haben und alle Wunden verheilt sind, hoffentlich auch noch sehr, sehr lange.

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