In Karlsruhe werden Mitarbeiter*innen des Fanprojekts vorgeladen als Zeug*innen in einem Ermittlungsverfahren gegen Fußballfans. Der Fall beschäftigt nicht nur die Betroffenen am Standort, sondern den Fußball bundesweit.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Dieser Fall schlägt hohe Wellen: Mitarbeiter*innen des Fanprojekts Karlsruhe wurden als Zeug*innen in einem Ermittlungsverfahren gegen Fußballfans vorgeladen. Hintergrund sind die Geschehnisse im Rahmen des Spiels des Karlsruher SC gegen den FC St. Pauli. Die Supporters Karlsruhe sprechen von einem Dammbruch.

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Um das zu verstehen, bedarf es eines genauen Blickes auf diese Einrichtungen. Denn wenn von "Fanprojekten" die Rede ist, lässt sich häufig beobachten, wie wenig deren Arbeit eher fußballfernen Menschen bekannt ist. Ein klassisches Missverständnis lautet, Fanprojekte gehörten strukturell zu den Fußballvereinen am jeweiligen Standort. Das ist nicht der Fall, im Gegenteil ist die Unabhängigkeit dieser Einrichtungen eines ihrer wichtigsten Merkmale.

Inhaltlich handelt es sich bei den bundesweiten Fanprojekten um eine besondere Art von Jugend- und Sozialarbeit. Als unabhängige Einrichtungen der Jugendhilfe sind sie vernetzt mit den kommunalen Jugendhilfestrukturen und in Kommunen mit einem Verein der oberen drei Spielklassen im Fußball der Männer eingerichtet. Die Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) begleitet die Arbeit an den verschiedenen Standorten und hilft bei der Neugründung.

Jugendarbeit braucht Vertrauen

Wie bei jeder Form der pädagogischen Jugendarbeit basiert jene in den Fanprojekten intensiv auf Vertrauen – das kann nur durch nachhaltige Beziehungsarbeit und in klaren Schutzräumen entstehen. Die jugendlichen Fans vernetzen sich bei den sozialpädagogischen und Bildungsangeboten in Fanprojekten untereinander und lernen, dass sie sich deren Mitarbeiter*innen anvertrauen können. Das ist ein Kern der Arbeit, die in diesen Einrichtungen seit Jahrzehnten erfolgreich geleistet wird und die für den Fußball und die Jugendlichen unerlässlich ist. Mit der Vorladung sind diese Beziehungen standortübergreifend gefährdet, doch leider ist sie zulässig.

Denn in der sozialen Arbeit genießt das elementare Vertrauen keinen besonderen Schutz. Zwar gilt hier die gesetzliche Schweigepflicht und die Mitarbeiter*innen unterliegen auch dem besonderen Vertrauensschutz sowie dem Geheimnisschutz. Das Zeugnisverweigerungsrecht greift für sie jedoch nicht, da sie – anders als beispielsweise Geistliche oder Berater*innen für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit – nicht zu den geschützten Berufen gehören.

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Für ein Zeugnisverweigerungsrecht

Wenn Jugendlichen aber die Orte genommen werden, an denen sie sich Menschen mit ihren Sorgen und womöglich auch Fehltritten anvertrauen können, entsteht irreparabler Schaden. Verbände der Sozialen Arbeit haben sich deswegen in einem Bündnis zusammengeschlossen, das sich für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit einsetzt. Die KOS gehört ebenso dazu wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mobile Arbeit e.V., der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. und andere, was die Dringlichkeit vielleicht verdeutlicht.

Neben der enormen Bedeutung für die Jugendlichen selbst leisten Fanprojekte Prävention und wie wenig Polizei und Staatsanwaltschaft das offenbar an einigen Standorten begreifen, ist schon bedenklich. Anders aber ist ihr Vorgehen nicht zu erklären, denn der Angriff auf diese Einrichtungen als Schutzraum ist ein Unding. Dieses Thema geht weit über den Fußball hinaus.

Verwendete Quellen:

  • supporters-karlsruhe.de: "Dammbruch in Karlsruhe"
  • Website der Koordinationsstelle Fanprojekte
  • zeugnis-verweigern.de: Leitlinien des Bündnisses für ein Zeugnisver­­­weigerungs­recht in der Sozialen Arbeit
  • dejure.org: § 53 Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträge
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