Heute startet die Bundesliga der Frauen, erstmals können alle Spiele gestreamt werden. Die Spielübertragung wäre bereits deutlich früher möglich gewesen, doch der DFB beschäftigt sich lieber mit wirkungslosen Hashtags als mit wahrem Fortschritt.

Tamara Keller
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Am heutigen Freitag beginnt sie wieder: Die Bundesliga der Frauen. Viele Fans sind aufgeregt, denn sie können sich besonders freuen. Erstmals ist es möglich, alle Spiele der Saison über Livestream zu verfolgen. Zuvor waren nur vereinzelt Spiele bei Eurosport, in den öffentlich-rechtlichen Sendern oder bei DFB-TV übertragen worden. Ja, Sie haben richtig gelesen: Was in der Bundesliga der Männer seit Jahrzehnten Standard ist, ist für den Fußball der Frauen erst jetzt möglich.

Allerdings nur für diejenigen, die sich ein Magenta-TV Abo für zehn Euro pro Monat leisten können. Ein kleiner Preis im Vergleich dazu, wie lange die Fans darauf gewartet haben, bis das möglich ist (einen offiziellen Ligabetrieb gibt es seit 51 Jahren - aber auch schon vorher haben Frauen Fußball gespielt). Ein hoher Preis, wenn man bedenkt, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seit Jahren versucht, mehr Aufmerksamkeit auf den Fußball der Frauen zu lenken und laut eigener Aussage "die öffentliche Wahrnehmung" stärken will. Dieses Vorhaben wäre doch früher möglich gewesen, oder?

#nichtohnemeinemädels, #jede7te, #machtlärm: Wirkungsloser Hashtagaktivismus?

2018 taucht er erstmals auf: der Hashtag #nichtohnemeinemädels. Er soll junge Mädchen für den Fußball begeistern. 2019 folgt kein großer Hashtag, aber es ist WM-Jahr: Selbstbewusst präsentiert sich die Nationalmannschaft in einem Clip der Commerzbank, in dem mit Klischees und Vorurteilen rund um den Fußball der Frauen aufgeräumt wird: dass kaum jemand die Nationalspielerinnen beim Namen kennt, eine Anspielung auf den Kaffeeservice-Preis zum EM-Titel 1989 und mit der provokanten Aussage "Wir brauchen keine Eier, wir haben Pferdeschwänze." Wie so häufig, wenn Frauen sich selbstbewusst in der Öffentlichkeit zeigen, sorgt der Spot für einen medialen Aufschrei. Ihr Auftreten entspricht nicht der Erwartungshaltung des Publikums. Der DFB bezeichnet das Ergebnis auf seiner Webseite als "Frecher Spot".

Anfang 2020 folgt dann #jede7te. Hier soll deutlich gemacht werden, dass jedes siebte Mitglied im DFB weiblich ist. Wieder geht es um Sichtbarkeit. Im September 2020 kommt #machtlärm dazu. "Wir müssen lauter werden" heißt das Motto, vor allem jetzt, während der Pandemie und online. Etwas konträr dazu ist, dass es zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich ist, alle Spiele online zu schauen. Zuletzt folgt dann die Aktion "Fußball, die (feminin)" zum DFB-Pokalfinale 2021.

Für Sichtbarkeit hätten Spielübertragungen früher kommen müssen

Haben Sie diese Aufzählung bis hierhin gelesen? Gut! Zeigt sie doch eindrücklich, dass der DFB Hashtagaktivismus betreibt, sich an der Grundstruktur aber nichts ändert. Für den Fußball der Frauen ist Fortschritt möglich, aber nur in Mini-Schritten. Das ist zu wenig. Die Einführung, alle Spiele live zu zeigen, hätte mindestens schon vor vier Jahren kommen müssen. Zumindest, wenn die Akteurinnen und Akteure es damit ernst meinen, den Fußball der Frauen sichtbarer machen zu wollen. Gelungen ist dies nur beim bereits erwähnten WM-Spot. Die Spiele, die danach beim großen Turnier in Frankreich folgten, brachten mehr Aufmerksamkeit und viel Lob für den Fortschritt des Spiels. Danach ebbte die Begeisterung aber wieder ab.

Wie der DFB aber wirklich zum "Fortschritt im Bereich der Frauen" steht, macht die Causa rund um die ehemalige Bundesliga-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus sehr deutlich: Sie hat einen neuen Job angenommen und verlässt den DFB. Stattdessen wird sie beim englischen Verband als Direktorin der Schiedsrichtervereinigung antreten. Der DFB verliert damit eine kompetente Frau, die für mehr Fortschritt - auch im Schiedsrichterwesen - hätte sorgen können.

Den Fortschritt mit und durch Steinhaus verpasst

"Fußball kann so viel mehr. Er nutzt vor allem seine gesellschaftliche Rolle nicht ausreichend, weil er die Gesellschaft nicht mehr abbildet", sagte Steinhaus dem NDR. Laut mehreren Medienberichten soll es zum Konflikt zwischen Co-Interimspräsident Rainer Koch und Steinhaus gekommen sein, weil diese sich in der Initiative "Fußball kann mehr" engagierte. Das Aktions-Papier der Initiative hatte mehr Geschlechtergerechtigkeit für alle Ebenen des organisierten Fußballs gefordert und acht Vorschläge geliefert, wie sich dieses Ziel erreichen lässt. Acht Vorschläge, die konkreter sind und mehr Reformen fordern als jeder bisherige Hashtag des DFB.

Das erste Spiel der Bundesliga der TSG Hoffenheim gegen den SC Freiburg startet heute Abend um 19.15 Uhr und wird auf Eurosport und Magentasport übertragen.

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Verwendete Quellen:

  • ndr.de: "Angst vor Veränderung": Steinhaus-Webb verabschiedet sich mit DFB-Kritik
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