Für immer mehr Kinder heißt es in den kommenden Tagen wohl vorerst: schulfrei wegen SARS-CoV-2. Kann ich mein Kind auch zu Hause lassen, wenn die Schule nicht von einer Schließung betroffen ist? Kann es die Großeltern weiter besuchen? Die wichtigsten Antworten für Eltern zum Coronavirus.

Coronavirus: Aktuelle Nachrichten im Live-Blog

Rund 100 deutsche Schulen und Kitas sind derzeit von tage- oder wochenweisen Schließungen wegen des Coronavirus betroffen - und es könnten jederzeit mehr werden. Das schätzt der Deutsche Lehrerverband (DL). Bei vielen Eltern wächst die Sorge: Ist das Virus so gefährlich? Und muss ich zur Arbeit, wenn mein Kind zu Hause bleiben muss?

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Warum müssen Schulen geschlossen werden - ist das Coronavirus so gefährlich?

Diese Maßnahmen werden nicht getroffen, weil das Virus so außerordentlich gefährlich sei. "Sondern sie sind wirklich gedacht, um die Ausbreitung zu verlangsamen" und somit das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, betont die Virologin Ulrike Protzer von der Technischen Universität (TUM) und vom Helmholtz Zentrum München.

Gerade für Kinder gilt das Virus laut aktuellem Stand nicht als gefährlich. Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hieß es zuletzt, dass Kinder nur sehr selten deutliche Symptome entwickeln.

Forscher kommen in einer kürzlich präsentierten kleinen Studie zu dem Ergebnis, dass sie sich wohl ähnlich häufig wie Erwachsene infizieren - aber nur sehr selten krank werden. Kinder können eine SARS-CoV-2-Infektion offenbar besser abwehren. Warum, ist bisher unklar. Laut dem Virologen Christian Drosten gibt es in Studien auch keine Hinweise auf eine besondere Gefahr für Schwangere und Ungeborene.

Wie sinnvoll wären "Corona-Ferien"?

Das Thema wird im Moment diskutiert. Zwei Wochen "Corona-Ferien" hatte vergangene Woche etwa Virologe Alexander Kekulé im "Deutschlandfunk" gefordert. Eine Schließung könne durchaus dazu beitragen, die Epidemie einzudämmen, meint man auch beim Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).

Anders sieht das zum aktuellen Zeitpunkt der Berliner Virologe Christian Drosten. Man habe im Moment nicht die Fallzahl in Deutschland, um das öffentliche Leben derart zu stoppen. Für andere Maßnahmen sei die Epidemie allerdings weit genug: "Unsere Gesellschaft braucht nicht unbedingt volle Fußballstadien am Wochenende. Unsere Gesellschaft braucht aber doch Schulen", sagte er vergangene Woche im NDR-Podcast.

Vermutlich würde auch der Effekt eintreten, dass sich Kinder und Jugendliche bei Schulschließungen privat treffen würden, ergänzte er dazu am Montag im Podcast. Wirkungsvoll wäre die Maßnahme nur, wenn man auch die Bewegung der Eltern einschränken würde - und ein solcher "gesellschaftlicher Lockdown" würde beim aktuellen Stand der Dinge weniger helfen als Kollateralschaden anrichten: "Für die Wirtschaft, aber auch für die Reaktionsfähigkeit der Gesellschaft sowie für die Medizin".

Ebenfalls nicht für sinnvoll hält die Idee der Sprecher des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), Peter Walger. Auch er verweist darauf, dass Eltern dann ebenfalls zu Hause bleiben müssten - mit Folgen für deren Arbeitsstellen und das öffentliche Leben. "Es lohnt nicht, Schulen zu schließen."

Auch der Deutsche Lehrerverband (DL) ist momentan dagegen. So etwas könne nur effektiv sein, wenn es begleitet werde von der Schließung aller Firmen, Arbeitsstellen und Restaurants, von Ausgangssperren und der Stilllegung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, sagt DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger. Selbst dann bliebe die Frage: "Was ist nach zwei Wochen Corona-Ferien, wenn die Neuinfektionen nicht zurückgehen? Verlängert man dann nochmals und nochmals mit enormen Konsequenzen für Abschlussprüfungen und Schullaufbahnen?"

Muss ich mein Kind in die Schule schicken?

Manche Eltern fragen sich besorgt: Kann ich mein Kind nicht einfach zu Hause lassen? Die Rechtslage dazu ist eindeutig: "Nein, das dürfen Eltern nicht", sagt Wilhelm Achelpöhler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Münster.

Das gilt jedenfalls bei schulpflichtigen Kindern. "Solange sich das Gesundheitsamt oder die Schule nicht entscheiden, die Schule zu schließen, müssen Kinder da hingehen", erklärt er. Eine Ausnahme von der Schulpflicht besteht, wenn das Kind krank ist.

"Wer sich nicht an die Schulpflicht hält, dem droht theoretisch ein Bußgeld", erläutert Achelpöhler. Bei häufigerem Fehlen kann dies bei 200 Euro liegen. In Extremfällen kann sogar das Sorgerecht bei der Verletzung der Schulpflicht eingeschränkt werden.

Anders verhält es sich mit Kitas: "Da können Eltern selbst entscheiden, ob sie ihr Kind hinschicken oder nicht", sagt der Fachanwalt Achelpöhler. Ob es jedoch für das Kind das Beste ist, wenn es zu Hause allein mit ängstlichen Eltern sitzt, sei natürlich eine andere Frage. "Aber das muss dann eben jeder selbst entscheiden."

Was, wenn die Kita oder Schule meines Kindes schließt?

Wenn Kindergärten und Schulen aus Vorsicht zum Infektionsschutz geschlossen sind oder das Kind als Vorsichtsmaßnahme nicht in die Schule gehen soll, gilt:

  • Arbeitnehmer können im Notfall zu Hause bleiben, um ihre Kinder zu betreuen

Das erklärt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Köln. Ob die betroffenen Arbeitnehmer dann auch weiter ihr Gehalt bekommen, hängt aber davon ab, ob wirklich keine andere Betreuung möglich war. Gleiches gilt für diejenigen, die ein krankes Kind zu Hause haben: Kurzfristig können Arbeitnehmer der Arbeit fernbleiben und trotzdem weiter ihr Gehalt bekommen, wenn sie den Nachwuchs betreuen müssen und die Betreuung nicht anderweitig gesichert werden kann.

Der Paragraf 616 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) besagt: Wer ohne eigenes Verschulden und aus einem persönlichen Grund verhindert ist und nicht zur Arbeit kommen kann, bekommt dennoch weiter sein Gehalt.

Zuallererst sollten betroffene Eltern immer ersuchen, mit ihrem Arbeitgeber gemeinsam eine Lösung zu finden. Möglichkeit seien etwa:

  • Überstunden abbauen
  • Im Homeoffice arbeiten
  • Urlaub nehmen

Kann mein Kind die Großeltern weiter besuchen?

Ältere Menschen gelten als gefährdeter, was schwere Verläufe von Covid-19 angeht. Noch vorige Woche hielt Virologe Drosten es für unnötig, als Vorsichtsmaßnahme von Besuchen bei den Großeltern abzusehen. Der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité, der stets sachlich und ruhig über das Virus aufklärt, hat seine Einstellung dazu aber geändert. Grund ist eine neue Studie, nach der die höheren Temperaturen im Frühling wohl nicht dazu beitragen werden, dass die Zahl der Erkrankungen demnächst abflaut.

Deshalb richtete er einen Appell an die Gesellschaft: "Wir müssen die Bevölkerung jenseits des Rentenalters wirklich schützen", betonte er am Montag im NDR-Podcast. "Es ist ernst."

Jede Familie sei aufgerufen, individuelle Lösungen zu finden. Drosten rät Eltern, die Kinder in den kommenden Monaten - bis September oder Oktober - nicht mehr in die Betreuung der Großeltern zu geben, sondern diese "als schützenswerten Bereich" zu sehen und beispielsweise für sie einzukaufen. Diese neue Art der Organisation hält er angesichts der neuesten Erkenntnisse für notwendig: "Das ist ein Dienst, den wir alle leisten müssen. Das wird für alle schmerzhaft sein und unbequem."

Wie erkläre ich meinem Kind das Coronavirus?

Auch Kinder bekommen mit, dass Corona gerade das allgegenwärtige Thema ist - sogar im Kita-Alter, meint Reinhard Berner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Dresden. "Die Erfahrung zeigt, dass das Thema präsent ist und Kinder darüber etwas erfahren wollen."

Schweigen oder ausweichend antworten sollten Eltern daher nicht, sagt er. Denn das macht es vielleicht nur schlimmer: "Erwachsene gehen ja ganz unterschiedlich mit dem Thema um und sind selbst verunsichert." Klar, dass da auch Kinder diffuse Ängste entwickeln. "Da muss man alles daran setzen, die zu beruhigen."

Wichtigste Botschaft dabei:

  • Kinder müssen sich keine Sorgen machen - denn für den Einzelnen ist das Virus ja in den allermeisten Fällen relativ harmlos

Wie konkret die Erklärung sein muss, hängt ansonsten vom Alter des Kindes ab. Denn bei Kita-Kindern seien die Vorstellungen vermutlich noch wenig konkret.

Bei den Kleinen empfiehlt es sich daher, Vorsichtsmaßnahmen so gut wie möglich zu erklären - dass Erreger und Krankheit also beim Husten, Niesen und Schnäuzen übertragen werden und dass man dabei deshalb besonders vorsichtig sein muss.

Ältere dürfen auch etwas mehr erfahren, so Berner: "Im Schulalter kann man schon erklären, dass das ein Virus ist, der zu einer in den allermeisten Fällen relativ harmlosen Erkältung führt." Hier sei es dann auch wichtig zu erklären, warum so viel über den Erreger gesprochen werde: "Weil es ein neues Virus ist, das sich in vielen Ländern breitmacht." (af)

Verwendete Quellen:

  • dpa
  • Podcast zum Coronavirus mit Christian Drosten


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