Am 15. März wählen die Niederländer. Außerhalb des Landes beherrscht Geert Wilders die Schlagzeilen, dabei wird der Populist bei der Regierungsbildung wohl kaum mitreden. Und im Wahlkampf stehlen ihm inzwischen andere die Show.

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Es ist wenig darüber bekannt, ob Geert Wilders aufmerksam deutschsprachige Medien verfolgt. Falls er das macht, dürfte ihm die Berichterstattung durchaus gefallen. Wilders hier, Wilders dort. Der Mann, der den Islam aus dem Land vertreiben will und "Grenzen dicht" ruft, beherrscht die Schlagzeilen.

Am 15. März wählen die Niederländer ein neues Parlament und die "Partei für die Freiheit" (PVV) des Rechtspopulisten liegt in Umfragen derzeit bei rund 15 Prozent. Das würde nach jetzigem Stand wohl für den ersten oder zweiten Platz reichen, weil die Parteienlandschaft in den Niederlanden stark zersplittert ist. Aber von einer Mehrheit ist die Wilders-Partei weit entfernt.

"Im Ausland wird oft der Eindruck erweckt, die Niederlande drohten zu kippen. Aber das wird nicht der Fall sein. Zu 99 Prozent wird Wilders nicht der nächste Ministerpräsident", sagt Friso Wielenga, Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien der Universität Münster. Trotzdem spielt der Rechtspopulist in der öffentlichen Diskussion eine dominante Rolle. "Wir vergrößern das Problem aber, wenn alles, was er macht und schreibt, gleich zum Thema wird", findet Wielenga.

Ziele in der Integrationspolitik nicht erreicht

Vielleicht ist die Aufmerksamkeit im Ausland so groß, weil Wilders überhaupt nicht zu Toleranz und Weltoffenheit passt – zwei Eigenschaften, die immer noch viele Menschen im Ausland mit den Niederlanden verbinden.

Dabei diskutieren die Nachbarn schon seit rund zehn Jahren hitzig über Einwanderung und Integration. "Wir haben um das Jahr 2000 festgestellt, dass die niederländische Integrationspolitik ihre Ziele nicht erreicht hat", erklärt Historiker Wielenga. Integration bedeutete nach dem Verständnis des Landes lange, dass Einwanderer sich eine eigene kleine Gesellschaft mit eigenen Schulen, Parteien, Einrichtungen aufbauen sollten.

Allerdings kam das Verbindende dabei etwas zu kurz. Inzwischen denken viele Niederländer, dass die Integration so nicht gut funktioniert. Und Wilders stell sich als derjenige dar, der das schon immer wusste. "Er hat eine geschickte Strategie verfolgt", findet Friso Wielenga. "Er sagt denen, die sich abgehängt fühlen: Ich verstehe euch, die Elite hat euch verraten."

Grüner Polit-Popstar

Allerdings haben die guten Umfragewerte von Wilders auch die Anti-Populisten gestärkt – darüber berichten nicht-niederländische Medien kaum. Die Partei Grün-Links etwa könnte ihren Stimmenanteil im Vergleich zur vorigen Wahl vervierfachen.

Der Spitzenkandidat Jesse Klaver wird von seinen Anhängern schon "Jessias" genannt oder als holländischer Kennedy bezeichnet: Mit gerade mal 30 Jahren ist der Sohn eines Marokkaners und einer niederländisch-indonesischen Mutter so etwas wie ein Polit-Popstar geworden. Eine Woche vor der Wahl trat er in einer ausverkauften Amsterdamer Mehrzweck-Arena vor 5.000 Fans auf. In den Niederlanden, wo große Wahlkundgebungen eher eine Ausnahme sind, ist das eine enorme Zahl. Klavers Botschaft: Die Niederlande sollen wieder ein mitfühlendes Land werden, in dem die Menschen sich zuhören statt einander anzuschreien.

Twittern statt mitdiskutieren

Fast täglich treffen derzeit die Spitzenkandidaten der vielen Parteien in Fernsehdiskussionen aufeinander. Nur einer nicht: Geert Wilders. Der will erst an den letzten beiden Abenden vor der Wahl mitdiskutieren. "Wir erleben einen merkwürdigen Wahlkampf, weil Wilders sich eigentlich gar nicht an Debatten beteiligt", sagt Friso Wielanga.

"Er entzieht sich der Diskussion und twittert stattdessen durch die Gegend." Dabei macht Wilders auch vor Fake News nicht halt. Vor einiger Zeit verbreitete er über Twitter ein Foto, das den linksliberalen Spitzenkandidaten Alexander Pechtold Seite an Seite mit islamistischen Fundamentalisten auf einer Demonstration zeigte. Das Foto war gefälscht.

Rechts der Mitte profiliert sich derweil der konservativ-liberale Ministerpräsident Mark Rutte. Mit seinem harten Auftreten gegenüber der Türkei und den Auftrittsverboten für türkische Politiker vom Wochenende versucht er offensichtlich, Wilders den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Die diplomatische Krise dürfte Rutte gelegen kommen: Zuvor war er im Wahlkampf etwas untergegangen, jetzt ist er wieder überall in den Medien präsent. Ob die Eskalation mit der Türkei die Ergebnisse beeinflussen kann, ist noch nicht absehbar – allerdings ist sie bisher kein echtes Streitthema im Wahlkampf.

Die meisten Parteien stehen hinter Ruttes Kurs. Geert Wilders verbreitete über den Nachrichtendienst Twitter die etwas bemühte Botschaft, das Landeverbot für den türkischen Außenminister sei nur auf seinen Druck hin verhängt worden.

Bis zu 14 Parteien könnten nach den Wahlen ins Parlament in Den Haag einziehen. Deswegen könnten vier oder fünf Parteien nötig sein, um eine stabile Regierungskoalition zu bilden. Eine Zusammenarbeit mit Wilders haben fast alle anderen Politiker ausgeschlossen. Steht der Rechtspopulist vielleicht sogar vor einer krachenden Niederlage?

Das wohl eher nicht. Würde es ihm mit 15 bis 20 Prozent doch noch gelingen, die größte Fraktion im Parlament zu stellen, wäre das für ihn immer noch ein symbolischer Sieg – auch ohne Regierungsbeteiligung.

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