FPÖ-Kandidat Norbert Hofer blickt zuversichtlich in Richtung Stichwahl. Sein deutlicher Sieg am Wahlsonntag dürfte seinem direkten Gegner um den Sessel des Bundespräsidenten, Alexander Van der Bellen, zu denken geben. Auch wenn dieser auf Skirennen verweist, in welchen der zweite Durchgang schon viele Überraschungen gebracht habe. Nervös sein dürfen die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP, die abermals als große Verlierer aus einer Wahl hervorgegangen sind.

Eine Analyse
von Christian Granbacher

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Mit einer Sensation wartete die erste Runde der Bundespräsidentenwahl auf: FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hat laut dem vorläufigen Endergebnis mit 36,4 Prozent einen Erdrutschsieg eingefahren. Auch die Auszählung der rund 640.000 Wahlkarten am Montag wird am Ergebnis nichts mehr bedeutend verändern.

"Das hat es noch nie gegeben, wir finden eine andere politische Landschaft vor", sagte Politikexperte Thomas Hofer bei ATV. "Jörg Haider ist nie in die Nähe eines solchen Ergebnisses gekommen. Das ist ein Sensationserfolg für die FPÖ, die nun die neue Volkspartei ist. Umso mehr sind Rot und Schwarz unter Zugzwang."

Unerwartet großer Abstand

Alexander Van der Bellen setzte sich mit 20,4 Prozent knapp gegenüber Irmgard Griss (18,5 Prozent) durch und wird bei der Stichwahl am 22. Mai Norbert Hofer herausfordern. Der FPÖ-Kandidat hatte sich schon während des Wahlkampfes den ehemaligen Grünen-Chef als Gegner beim zweiten Wahlgang gewünscht.

Die Flüchtlingskrise dürfte einiges zum Wahlerfolg Hofers beigetragen haben. Dass er jedoch mit einem solch riesigen Abstand gewinnt, hatte keiner der Meinungsforscher vorhergesehen. Wie schon bei der Landtagswahl in Wien im vergangenen Herbst, stehen die Wahlprognosen-Institute auch diesmal in der Kritik.

Die größten Verlierer dieser Wahl sind jedoch zweifelsohne die Regierungsparteien SPÖ (Rudolf Hundstorfer: 11,18 Prozent) und ÖVP (Andreas Khol: 11,18 Prozent). "Wenn diese bisher bei Präsidentschaftswahlen Kandidaten aufgestellt haben, hatten sie gemeinsam so gut wie immer über 80 Prozent der Stimmen. Heute erreichten SPÖ und ÖVP zusammen gerade einmal 22 Prozent", sagte Politikexperte Peter Filzmaier im ORF.

Lange Gesichter bei SPÖ und ÖVP

In den Parteizentralen der Regierungsparteien gab es lange Gesichter. Die beiden Klubobmänner Andreas Schieder (SPÖ) und Reinhold Lopatka (ÖVP) zeigten durch ihre Statements auf, wie ratlos sie den Erfolgen der FPÖ gegenüberstehen.

Schieder übte sich in Zweckoptimismus und sieht sein Ziel darin, dass die SPÖ bei den Nationalratswahlen im Jahr 2018 besser abschneidet und Lopatka suchte die Schuld am desaströsen Ergebnis bei den Meinungsforschern, die Khol und Hundstorfer von vornherein abgeschrieben hätten. Die Großparteien scheinen sich der Tragweite des aktuellen Wahlergebnisses nicht wirklich bewusst zu sein.

Die Stimmung im Land ist - auch wenn es sich diesmal in erster Linie um eine Persönlichkeitswahl handelte - eindeutig gegen die schwach agierende Bundesregierung gerichtet. Das haben schon die zurückliegenden Landtagswahlen gezeigt. Ernst genommen hat diese Verluste bei SPÖ und ÖVP offensichtlich bis dato niemand, wie die Reaktionen von Schieder und Lopatka zeigen.

Griss schneidet gut ab

Mit ihrem Ergebnis zufrieden sein darf hingegen Irmgard Griss. Auch wenn sie die Stichwahl relativ knapp verpasste, hat sie aufgezeigt, dass das bisher übliche politische Parteiensystem aufgebrochen werden kann.

Sie hat bewiesen, dass zukünftig in Österreich eine Person ernsthaft um das Amt des Präsidenten kämpfen kann, auch wenn sie kein Parteibuch trägt. Zudem spielt die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes mit dem Gedanken, bei den nächsten Nationalratswahlen anzutreten.

"Jetzt kann doch niemand mehr übersehen, dass es einen neuen politischen Stil braucht. Die Menschen nehmen das parteipolitische Taktieren und die Mätzchen nicht mehr hin. Sie haben genug davon", sagte Griss im ORF.

Strache: "Neues politisches Zeitalter."

Wahlsieger Norbert Hofer glaubt, dass die "Weichenstellung in vier Wochen vorgenommen werden kann." Wenn die Regierung zukünftig nicht besser arbeitet würde es für sie sehr schwer werden. "Ich will mit den Verantwortlichen Gespräche führen, wenn es aber keine Verbesserungen gibt, will ich auch Maßnahmen setzen", so der FPÖ-Kandidat über seinen möglichen Wahlsieg.

Auffällig ist, dass die FPÖ in allen Landesteilen Österreichs sehr stark abgeschnitten hat. Deshalb wird es für Van der Bellen am 22. Mai wohl sehr schwer werden, das Ruder noch herumzureißen.

Der Zweitplatzierte vom Sonntag gratulierte Hofer fair, verwies aber auch darauf, dass der nächste Wahldurchgang die Entscheidung bringen werde. Auch beim Skifahren habe sich das Ergebnis im zweiten Durchgang schon öfters umgedreht, sagte Van der Bellen.

FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache spricht derweil schon von einem "neuen politischen Zeitalter". Nervosität ist für die Großkoalition aufgrund des Erfolges von Norbert Hofer jedenfalls berechtigt.

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