• Mike Pence galt lange Zeit als treuester Gefolgsmann von US-Präsident Donald Trump.
  • Nach der formalen Bestätigung des Wahlsieges von Joe Biden ist er bei Trump aber in Ungnade gefallen. Pence könnte Trumps Absetzung in die Wege leiten.
  • Ein US-Experte erklärt, warum Pence dennoch kein wirklicher Gegner Trumps ist und warum die Forderungen der Demokraten nach einem Amtsenthebungsverfahren nur Trump nutzen werden.

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Die Beziehung zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem Vize Mike Pence ist gekippt. Letzterer hatte den Wahlsieg Joe Bidens formal anerkannt - und ist damit in Ungnade gefallen.

Die US-Demokraten fordern den Vize-Präsidenten nun sogar mittels einer Resolution auf, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump einzuleiten. Wird Pence jetzt zum Widersacher Trumps?

USA-Experte Braml: Pence kann nur verlieren

"Mike Pence hatte bislang sehr devot alles abgenickt, hat sich nie in den Vordergrund gewagt und gedacht, er könnte Trumps Amtszeit so unbeschadet überstehen. Das natürlich mit der Absicht, die Anhänger Trumps nach dessen Amtszeit selbst um sich zu scharen", erklärt der USA-Experte und Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Trilateralen Kommission, Josef Braml.

Jetzt soll Pence auf die Resolution mit dem Anklagepunkt "Anstiftung zum Aufruhr" reagieren. Er könnte Trump nach Zusatzartikel 25, Absatz 4 der US-Verfassung für unfähig für die Amtsgeschäfte erklären. Dafür bräuchte er auch eine Mehrheit im Kabinett.

Mike Pence hat nun 24 Stunden für diese schwierige Entscheidung Zeit, bei der er laut Experte Braml nur verlieren kann.

"Das Amtsenthebungsverfahren wegen Unfähigkeit dürfte scheitern, weil er nicht der einzige ist, der mitspielen müsste, sondern auch die Kabinettsmitglieder. Ich sehe allerdings nicht so viele Minister, sondern nur Ministranten. Und die halten Trump die Treue. Und selbst im Erfolgsfall würde Pence in den Augen der Trump-Anhänger als Königsmörder gelten und könnte damit auch selbst seine politischen Ambitionen begraben."

Sollte Pence sich also weigern, würden die Demokraten ein zweites Amtsenthebungsverfahren einleiten. Doch dieses habe, so Braml, wenig Aussicht auf Erfolg.

Amtsenthebung von Trump? Demokraten schaden sich selbst

Das Amtsenthebungsverfahren mit einer einfachen Mehrheit im Abgeordnetenhaus einzuleiten stellt für die Demokraten zwar kein Problem dar, allerdings bräuchte es im Senat eine Zwei-Drittel-Mehrheit "und damit auch viele Republikaner – und ich glaube nicht, dass diese Republikaner politischen Selbstmord begehen wollen", so Braml.

74 Millionen Menschen haben Trump ihre Stimme gegeben und viele republikanische Senatoren müssen schon in zwei Jahren bei der nächsten Wahl antreten.

Die Einleitung des Verfahrens hätte also lediglich Symbolwirkung. Darüber hinaus würden es sich die Demokraten und ihrem künftigen Präsidenten Joe Biden damit selbst schwer machen, glaubt Braml: "Ein solches Amtsenthebungsverfahren macht zwar theoretisch Sinn, weil im Erfolgsfall Trump dann 2024 nicht mehr antreten könnte. Doch praktisch hat es keine Aussicht auf Erfolg."

Solange ein Impeachment-Verfahren laufe, gebe es außerdem keine andere "Show" in der Stadt, die Senatorinnen und Senatoren wären nur damit beschäftigt. "Die Senatsbestätigungen der von Biden nominierten Kabinettsmitglieder könnten sich damit hinziehen", glaubt Braml.

Pelosi legt Fahrplan für Impeachment vor

Nach dem Sturm auf das Kapitol wollen die Demokraten US-Vizepräsident Mike Pence noch eine letzte Frist einräumen, um US-Präsident Donald Trump abzusetzen. Dann aber soll ein Amtsenthebungsverfahren im Kongress auf den Weg gebracht werden - wegen "Anstiftung zum Aufruhr".

US-Experte: Trump will nochmal ins Weiße Haus – Pence ist Konkurrent

Nach Ansicht des US-Experten hat die künftige Biden-Regierung ohnehin ein schwerwiegendes Problem: "Dieses Gerede, dass Biden nun mit der Mehrheit im Senat durchregieren könne, ist nicht richtig."

Zwar könnten die Demokraten Personalnominierungen und die Haushaltsgesetzgebung mit ihrer einfachen Mehrheit bewerkstelligen, doch bei der regulären Gesetzgebung seien sie auf Republikaner angewiesen. "Denn um ein Blockademanöver nur eines Senators abzuwenden, braucht es 60 Stimmen."

Die Republikaner könnten laut Braml das Mittel des "Filibuster", des Dauerredens, anwenden und Debatten endlos in die Länge ziehen - und damit "eine Gesetzesvorlage buchstäblich totreden."

Das Vorgehen der Demokraten scheint am Ende also wieder nur Donald Trump zu nutzen: "Trump hat noch vor, noch einmal ins Weiße Haus zu kommen," so Braml. "Da können ihm nur wenige gefährlich werden und Mike Pence ist einer von ihnen."

Pence sei hoch angesehen bei Erzkonservativen und er habe die so wichtigen Evangelikalen auf seiner Seite. "Das weiß Trump, deshalb hat er ihn ja überhaupt erst ins Boot geholt."

Impeachment-Verfahren wird Trump nützen

In Vorbereitung einer möglichen Kandidatur 2024 bestehe Trump auch weiter auf seinem Wahlsieg.

"Er bedient weiterhin das Narrativ des rechtmäßigen Volkstribuns. Und auch aus diesem Grund nutzt ihm das Impeachment-Verfahren. Denn er kann nun wieder als Außenseiter gegen das sogenannte Establishment antreten und er weiß seine Bewegung hinter sich. Und wegen dieser vielen Anhänger gehen ihm auch viele Republikaner nicht von der Fahne", so Braml.

Für alle, die sich auf ein Ende der Präsidentschaft Trumps freuen, heißt das aller Voraussicht nach also nur, dass sie eine Verschnaufpause von den Trump'schen Tiraden bekommen.

Einzig eine strafrechtliche Verfolgung Trumps, die mit dem Ende seiner Amtszeit am 20. Januar möglich wäre, könnte dem Noch-Präsidenten einen Strich durch die Rechnung machen.

Selbstbegnadigung würde Trump nicht helfen

"Es kann aber auch sein, dass er (Trump, Anm. d. Red.) versucht, sich noch selbst zu begnadigen. Da streiten sich schon die Verfassungsjuristen, ob das möglich ist", so Braml. Das würde Trump seiner Ansicht nach aber nicht wirklich helfen.

"Auf nationalstaatlicher Ebene wäre er damit zwar vor Strafverfolgung geschützt, nicht aber auf einzelstaatlicher Ebene, etwa wenn er für einige seiner Machenschaften in New York belangt würde."

Eine solche Selbstbegnadigung, über die Trump laut "CNN" offenbar schon nachgedacht hat, wäre ein Novum in der US-Geschichte.

Ganz gleich, ob Trump diese Möglichkeit noch nutzen wird, oder nicht, eines ist sicher: Trump hat seine Anhänger glauben lassen, dass es in der Hand seines Vizes Mike Pence liege, ob er Präsident bleibe.

"Trump weiß, dass die Abstimmung im Kongress nur eine Formalität und Pence selbst nur ihr Zeremonienmeister war. Das war ein machiavellistischer Schachzug von Trump, mit dem er dafür gesorgt hat, dass Mike Pence beim harten Kern der konservativen Wähler im Hinblick auf die Wahl 2024 delegitimiert ist", erklärt Braml.

Gut möglich also, dass es 2024 zu einer neuerlichen Trump-Kandidatur kommt. 74 Millionen Wählerinnen und Wähler werden nicht einfach verschwinden.

Über den Experten:
Dr. Josef Braml ist USA-Experte des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) der Universität Bonn und Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Trilateralen Kommission. Er betreibt den Blog usaexperte.com.

Verwendete Quellen:

  • Telefonisches Gespräch mit Dr. Josef Braml
  • cnn.com: "Trump asking aides and lawyers about self-pardon power"
  • speaker.gov: Resolution
  • United States Senate: Constitution of the United States
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