Gewalt oder legitimer Protest? Das war das große Thema in der Debatte um die Mittel der Letzten Generation bei "maischberger". Die Sprecherin der Gruppierung, Carla Hinrichs, und CDU-Politiker Philipp Amthor lieferten sich einen harten Schlagabtausch, bei dem sogar die Moderatorin etwas abbekam.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das war das Thema

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Die "Letzte Generation" will ihre Proteste gegen die aus ihrer Sicht unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen noch weiter ausweiten. Carla Hinrichs, Sprecherin der Klimaschutzaktivisten, und der CDU-Politiker Philipp Amthor diskutieren bei Sandra Maischberger, ob der Protest legitim ist und wie sie die Strafen der Gerichte gegen die Aktivistinnen und Aktivisten bewerten.

Das waren die Gäste

  • Carla Hinrichs: Die Sprecherin der "Letzten Generation" sprach von einem Klimanotstand und fordert von der Politik mehr konkrete Maßnahmen. "Sie sitzen im Bundestag. Sie haben die Verantwortung darauf hinzuwirken, dass endlich was passiert", sagte sie zu Amthor. Gefängnisstrafen gegen Mitglieder ihrer Gruppierung kritisierte sie scharf. "Für jeden Menschen, der in einer Zelle sitzt, werden sich fünf Menschen dem Widerstand anschließen, weil sie verstehen, dass es um das Überleben geht."
  • Philipp Amthor: Der CDU-Innenpolitiker nannte die Proteste der Gruppierung eine "merkwürdige Form der Selbstermächtigung" und eine "radikalisierte Form des Protests". Er sei froh, dass die Forscher am Max-Planck-Institut in Greifswald jeden Tag an der Kernfusion forschen "und sich nicht an die Tore des Instituts kleben". Denn nur so könne man den Klimawandel bekämpfen: mit Innovationen. Amthor wunderte sich außerdem, dass die Ziele der Letzten Generation (Tempolimit 100, 9-Euro-Ticket) im Vergleich zu ihren Methoden ziemlich zahm seien.
  • Gerhard Delling: Der ARD-Sportmoderator kann die Beweggründe der Letzten Generation nachvollziehen und findet es gut, dass mehr Bewusstsein für Umweltschutz geschaffen wird – mit einer großen Einschränkung: "Dass man niemand anderen Schaden zufügt". Daher findet er, dass die Aktionen der Gruppe sanktioniert werden müssen.
  • Rahel Klein: Die Journalistin von Deutschlandfunk Nova outete sich indirekt als Unterstützerin der Letzten Generation: "Dass wir unser Leben ändern müssen, das ist doch ganz klar", so Klein. Und: "Ziviler Ungehorsam muss weh tun." Dass Leute durch die Klebeaktionen im Stau stehen und Zeit verlieren, findet sie okay. Kritik an zu spät kommenden Krankenwagen kann sie allerdings verstehen.
  • Hannah Bethke: Die freie Journalistin warnte vor einer Romantisierung der Protestaktionen und sieht die Methoden "sehr kritisch". Auch, weil die Aktionen kontraproduktiv seien und die Akzeptanz für Klimaschutz nicht erhöhen würden. Aber auch Bethke musste am Ende zugeben, dass die Ampel-Regierung nicht genug tue. "Die Zeit drängt. Ich will das gar nicht verharmlosen."

Das war der Moment des Abends

Frank Elstner, Showmaster und Moderatoren-Legende, war eingeladen, um mit dem Tierfilmer Christian Ehrlich über ihre gemeinsam Projekte zu sprechen. Doch ihr Anliegen ging am Ende der Sendung unter, die von der Klimadebatte dominiert wurde. Eine Zahl blieb dennoch hängen: Jeden Tag sterben 150 Tierarten aus, berichtete Ehrlich – mit ungeahnten Folgen. "Man weiß nicht, was passiert, wenn eine Art ausstirbt."

Zudem berichtete Elstner, der "natürlich" Verständnis für die Letzte Generation hat, weil seine Generation beim Klimaschutz "viel verschlafen hat", über seine Parkinson-Erkrankung. Die mache ihm bisher wenig zu schaffen, so der 80-Jährige. Er habe einen Weg gefunden, um die Krankheit zu verlangsamen: "Und das ist Sport."

Das war das Rededuell des Abends

Das zentrale Thema des Abends war, ob es sich bei den Aktionen der Letzten Generation um Gewalt handelt. Gerhard Delling sagte dazu: "Ich lehne jede Form von Gewalt ab. Ich empfinde das als Gewalt." Er meinte die Blockade von Rettungswagen oder wenn Menschen zu dringenden beruflichen Terminen, an denen Existenzen hängen können, zu spät kommen.

Politikwissenschaftlerin Rahel Klein sah es ganz anders. Die Gruppe nutze eine Form des zivilen Ungehorsams, ohne Gewalt, ohne persönliche Ambitionen, mit einem höheren Ziel. "Die Aktivistinnen und Aktivisten sind gewaltfrei".

Bethke widersprach: "Ich sehe es so ähnlich wie Herr Delling. Das geht zulasten von anderen und daran muss man auch Kritik üben können". Dann mischte sich Sandra Maischberger in die Gewaltdebatte ein. "Es ist Gewalt im übertragenen Sinne", stellte die Moderatorin klar. Schließlich werde von der Gruppierung ja niemand direkt angegriffen.

Das wollte Amthor so nicht stehen lassen. Aus der Perspektive des Bundesgerichtshofs sei das Blockieren von Straßen Nötigung mit Gewalt, argumentierte er. Der CDU-Mann nannte Straßenblockaden, bei denen Rettungswagen aufgehalten werden, daher "illegitimen Protest" genau wie "Randalieren im Museum". Andere Protestformen wie normale Demonstrationen vor einem Museum seien dagegen völlig okay.

Hinrichs empfand die Diskussion um die Maßnahmen der Letzten Generation als "fünfte Ablenkdebatte" von den wirklich wichtigen Problemen. Also: dem Klimaschutz. Insbesondere auf die Kritik zu blockierten Krankenwagen bei den Straßenblockaden reagierte sie überheblich. "Ich kann es zum 100. Mal in einer Sendung klarstellen: Es gibt immer eine Rettungsgasse", sagte sie. Eine Person sei nicht festgeklebt und könne den Weg frei machen.

Maischberger hatte zuvor einen Tweet der Berliner Feuerwehr vom Wochenende eingeblendet, wonach sieben Einsatzwagen auf dem Weg zu einem Notfallort aufgehalten wurden. Darauf wollte Hinrichs überhaupt nicht eingehen, wofür sie Amthor lautstark anging. Rettungsgasse hin oder her: Der Verkehr vor den Protestierenden sei oft so verschoben, dass die Einsatzkräfte nicht durchkommen. "Das geht auf ihre Verantwortung", so Amthor

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Kein einfacher Job für die Moderatorin in einer Sendung, in der die Emotionen manchmal überkochten. Auch in einer Szene, als Carla Hinrichs sie persönlich kritisierte. "Ich habe hier eine Moderatorin, die immer die gleichen Fragen stellt." Eine Kritik an Maischbergers Nachhaken rund um die Rettungswagen-Thematik. Die Moderatorin ließ sich davon nicht aus der Fasson bringen, lächelte Hinrichs freundlich an und fragte mit sanfter Stimme weiter.

Das ist das Fazit

Die Feststellung, dass die Fronten im Mittwochabend-Talk verhärtet gewesen seien, wäre noch eine Untertreibung gewesen. Amthor warf Hinrichs eine Agenda mit dem Ziel einer "ökosozialistischen Schrumpfung der Wirtschaft" vor.

Mit Fridays for Future seien die Diskussionen in den zurückliegenden Jahren viel näher am Kern der Sache gewesen, die Letzte Generation verursache durch ihre Protestform dagegen mehr Probleme, so Amthor. "Sie schaden dem Anliegen des Klimaschutzes und nützen ihm nicht." Für Hinrichs war Amthor wiederum auch nur ein Teil des Politik-Establishments, das unfähig ist, die selbstgesteckten Klimaschutzziele des Landes umzusetzen.

Rahel Klein erinnerte, es sei nicht ausgeschlossen, dass trotz der in der Bevölkerung mehrheitlich unbeliebten Proteste die Zustimmung für Klimaschutzmaßnahmen mittel- bis langfristig steigen könnte.

Maischbergers Fazit richtete sich an Hinrichs und Amthor, die beiden Hauptprotagonisten des Abends. "Ich habe das Gefühl, sie beide kriege ich heute nicht richtig zusammen." Eine Aussage, die stellvertretend für die gesamtgesellschaftliche Debatte um die Letzte Generation stehen konnte. Die Fronten sind gerade ziemlich verhärtet. Nicht nur an diesem Abend.

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