Reden wir über Geld. Viel Geld! Geschätzte 250 Milliarden Euro werden jedes Jahr in Deutschland vererbt. Und wann immer es um viel Geld geht, wird auch viel gestritten. So wie bei "Günther Jauch": Beim Thema Erbschaftssteuer fliegen zwischen einem Unternehmer und einem Armutsforscher die Fetzen. Ihr Streit lenkt von den tieferen Dimensionen des Themas ab.

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Was ist das Thema?

Im kommenden Jahrzehnt sollen in Deutschland bis zu drei Billionen Euro vererbt werden. Eine gigantische Summe, die sich aber ungleich verteilt: Nur die Hälfte der Deutschen wird sich über eine Erbschaft freuen können.

Wird Erben die deutsche Gesellschaft spalten? Vertieft es die Kluft zwischen Arm und Reich? Und welche Rolle spielt die Erbschaftssteuer? Darüber diskutiert Günther Jauch in seinem Sonntagabend-Talk mit seinen Gästen.


Wer sind die Gäste?

Die Journalistin Julia Friedrichs hat zum Thema Erben in Deutschland recherchiert und mit ihrem Buch "Wir Erben - Was Geld mit Menschen macht" die Diskussion darüber angestoßen.

Zwei Gäste repräsentieren bei Jauch die zwei Generationen: Dirk Roßmann gründete die Drogeriemarktkette "Rossmann". Sein Milliardenvermögen will er hauptsächlich an seine beiden Söhne vererben, die auch im Unternehmen arbeiten. Stephanie von Pfuel hat 1991 das Schloss und den Forstbetrieb ihrer Familie geerbt.

Mit dem Thema Geld und dessen Verteilung beschäftigen sich auch die beiden eingeladenen Wissenschaftler: Christoph Butterwegge widmet sich der Armutsforschung, Thomas Druyen ist als Vermögensforscher bekannt.

Wer sind die Streithähne des Abends?

Beim Thema Erbschaftssteuer fliegen zwischen Roßmann und Butterwegge die Fetzen. Während der Drogeriemarktbesitzer um die Wettbewerbsfähigkeit von Familienunternehmen bangt, sieht der Armutsforscher nicht ein, warum der Staat nicht zugreifen soll, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.


Firmen könnten das Geld für die Steuer gar nicht aufbringen, da das Vermögen in Maschinen und Sachwerten angelegt sei, führt Roßmann an. "Viele Unternehmen kommen durch die Erbschaftssteuer in Schwierigkeiten!", empört er sich. Das stößt wiederum dem Wissenschaftler auf. "Kein einziges Unternehmen ist dadurch insolvent gegangen!", kontert Butterwegge.

Die Auseinandersetzungen zwischen den beiden dominieren das Gespräch bei Jauch. Erst am Ende der Sendung beruhigen sich die beiden Wortführer und Roßmann stellt sogar fest: "Wir streiten nicht um die Abgabe an sich, sondern um die Höhe."

Was ist die These des Abends?

Das große Erben hat viele Dimensionen – ökonomische, politische, aber auch gesellschaftliche. Vor allem um letztere geht es Buchautorin Friedrichs, die die Diskussion nicht allein auf Steuern reduzieren möchte. Bei ihrer Recherche hat sie mit vielen Erben gesprochen, die sich mit ihrer Situation oft unwohl fühlen. "Viele sagen: Ich hätte es gern selber geschafft", erzählt Friedrichs.

"Meine Generation ist die Erben-Generation", befindet die 35-Jährige. Nicht-Erben seien benachteiligt, da es schwieriger geworden sei, Vermögen aus eigener Kraft aufzubauen. Friedrichs führt das auf den geringen Lohnanstieg in den vergangenen 20 Jahren, hohe Immobilienpreise und die heutige Notwendigkeit von privater Altersvorsorge zurück.


"Das 'Stück für Stück Hocharbeiten' aus eigener Kraft ist schwieriger geworden", meint die Journalistin. Erben mache die Gesellschaft ungerecht: "Der Abstand ist so groß, dass ich ihn mit Arbeit und Fleiß nie einholen kann." Besonders ungerecht sei, dass Erben niedriger besteuert sei als Arbeiten. "Erben verstehen selber nicht, warum sie auf das ererbte Geld so viel weniger Steuern zahlen müssen als auf das erarbeitete Geld", argumentiert Friedrichs.

Was ist das Ergebnis des Abends?

Reich ohne zu arbeiten? Das ist das gängige Klischee zum Thema Erben. Firmengründer Roßmann widerspricht dieser Vorstellung. "Es ist nicht so, dass man da etwas geschenkt bekommt", betont er. Mit einem Unternehmen erbe man auch Verantwortung und Sorgen. Für ihn ist die Weitergabe innerhalb der Familie der beste Weg: "Meine Söhne sind seit Jahrzehnten mit dem Unternehmen verbunden."

So sieht es auch Erbin von Pfuel. Um den Verlust des familiären Besitzes zu verhindern, stellte sie ihr Leben um. Statt Neurologie studierte sie Forstwissenschaft, arbeitete sich in den Betrieb ihrer Eltern ein und sanierte das heruntergekommene Schloss. Mit einer Erbschaftssteuer wäre dies ihrer Meinung nach nicht möglich gewesen. "Ich hätte alles verkaufen müssen", sagt von Pfuel.

"Wenn man etwas erbt, ist es ein guter Zeitpunkt, etwas für die Gesellschaft zu tun", bekundet dagegen Armutsforscher Butterwegge. Erben verschärfe die soziale Kluft, die es sowieso schon durch andere Faktoren wie den Niedriglohnsektor gebe. Die Ablehnung von höheren Erbschaftssteuern bei Politikern und einer Mehrheit der Bevölkerung hält er für falsch. "Alle denken sofort an Omas kleines Häuschen, aber es geht hier um wirklich riesige Vermögen", sagt Butterwegge.

Vermögensforscher Druyen führt die Zurückhaltung des Staates bei der Erbschaftssteuer auf die Tabuthemen Tod und Nachlass zurück. Die Diskussion müsse deshalb sachlich geführt werden. "Wenn wir mit diesem Thema so konfrontativ umgehen, ändert sich nichts", kritisiert er die beiden Streithähne Roßmann und Butterwegge.

Vererbung bei Familienunternehmen ist durch die Auswahl der Gäste das vorherrschende Thema bei Jauch. Das Anliegen von Buchautorin Friedrichs, ob sich die Ungleichheit in der deutschen Gesellschaft durch Erben vertiefen könnte, wird dadurch leider verdrängt.

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