Sie arbeiten in miesen Jobs, zahlen Steuern, bekommen aber keine Leistungen - und nun müssen fast alle Menschen, die ohne Aufenthaltspapiere in den USA leben, mit ihrer Abschiebung rechnen. Ein Überblick über die Lage der "Illegalen".

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"Sie müssen gehen." Alle. Donald Trump wollte keine Ausnahme machen. Der Reporter stutzte und hakte noch einmal nach: Auch Kinder, auch Familien? "Sie müssen gehen." Es war eines seiner zentralen Wahlversprechen, das Trump im Herbst 2015 einem Reporter von NBC präsentierte: Alle illegalen Einwanderer sollten die USA verlassen.

Damals sprach Trump als Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur. Kurz nach seinem Wahlsieg kündigte er dann an, zwei bis drei Millionen Menschen ohne Aufenthaltstitel sofort abzuschieben. Was mit allen anderen geschehen soll, werde er entscheiden, sobald die Grenzen wieder "sicher" seien.

Nun hat seine Regierung den ersten Schritt zur Umsetzung seines Versprechens gemacht: Das Ministerium für Heimatschutz veröffentlichte Direktiven, die im Prinzip alle Menschen ohne Aufenthaltspapiere der Gefahr von Abschiebung aussetzt.

Dabei sind die meisten von ihnen schon jahrelang in den USA - und zahlen Steuern und Abgaben. Eine Übersicht über ihre Lage.

Wie viele illegale Einwanderer gibt es?

Derzeit leben wohl rund elf Millionen Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere in den USA. Die aktuellsten belastbaren Daten stammen zwar aus dem Jahr 2014. Da die Zahlen aber schon seit etwa 2009 stabil geblieben sind, dürfte sich seitdem nicht viel geändert haben.

1990 lebten 3,5 Millionen "Illegale" in den USA, 2000 waren es 8,6 Millionen und 2007 schon 12,2 Millionen, bevor sich die Zahl dann um elf Millionen einpendelte. Laut dem unabhängigen "PewResearchCenter" sind zwei Drittel der Erwachsenen schon mehr als zehn Jahre in den USA.

Wie sind diese Menschen in die USA gekommen?

Als "unauthorized immigrants" gelten all jene, die entweder illegal die Grenze überwunden haben oder mit einem gültigen Visum als Arbeiter, Tourist oder Student ein-, aber nicht wieder ausgereist sind. Das Verhältnis liegt bei etwa 60 zu 40 Prozent.

Woher kommen die Menschen?

Das "PewResearchCenter" geht davon aus, dass seit 2009 rund 350.000 "Illegale" jährlich neu in die Vereinigten Staaten kommen. Davon sind rund 100.000 Mexikaner, ein kleinerer Anteil als noch vor der Wirtschaftskrise 2009.

Insgesamt sind laut einer Statistik des "Migration Policy Institute" Washington immer noch etwas mehr als die Hälfte der Menschen ohne Aufenthaltstitel Mexikaner, die zweitgrößte Gruppe bilden andere Zentralamerikaner (20 Prozent), 14 Prozent sind aus Asien eingereist.

Welche Rechte haben illegale Einwanderer?

Die Menschenrechte in der Verfassung gelten für alle – deswegen kann auch jeder, der ohne Papiere aufgegriffen wird, vor ein Gericht ziehen und die Prüfung seines Falls verlangen.

Bislang galt das nicht für Menschen, die weniger als zwei Wochen im Land und weniger als 100 Kilometer von einer Grenze entfernt waren, wenn sie kontrolliert wurden. Sie konnten sofort abgeschoben werden.

Die neuen Richtlinien dehnen die Möglichkeit dieser "expedite deportations" aus - auf Menschen, die kürzer als zwei Jahre im Land sind.

Dürfen illegale Einwanderer arbeiten?

Offiziell nicht. Trotzdem sind fünf Prozent der Arbeiterschaft in den USA illegale Einwanderer – sie verdienen ihr Geld hauptsächlich mit schlecht bezahlten, schweren Jobs, beispielsweise als Erntehelfer oder auf dem Bau. Weil es verboten ist, sie zu beschäftigen, arbeiten die Menschen entweder schwarz oder mit gefälschten Papieren.

Das führt zu einem interessanten Phänomen: Jedes Jahr nimmt die amerikanische Sozialkasse mehrere Milliarden US-Dollar ein, ohne zu wissen, von wem. Meistens stimmt die Sozialversicherungsnummer nicht, weil die Menschen mit einem Fake-Ausweis arbeiten. Die Illegalen zahlen also in das Sozialsystem ein, ohne die Leistungen geltend machen zu können.

Das "Institute on Taxation and Economic Policy" schätzt, dass die Hälfte der Arbeiter ohne Papiere auch Einkommenssteuern zahlt. Die US-Steuerbehörde IRS vergibt Identifikationsnummern, mithilfe derer auch Schwarzarbeiter Steuern zahlen können.

Ein braver Steuerzahler zu sein, könnte sich dann aber auszahlen, wenn – wie 1986 – ein Legalisierungsgesetz geschaffen wird. Zumindest im Wahlkampf hat Donald Trump mit diesem Gedanken gespielt.

Gibt es Ausnahmeregelungen?

Barack Obama hat in seiner ersten Amtszeit über drei Millionen "Illegale" ausweisen lassen - mit einer Vehemenz, die ihm in linken Kreisen den wenig schmeichelhaften Beinamen "Deporter in Chief" eintrug. Später konzentrierte sich Obama allerdings auf die Ausweisung von Menschen, die an oder nahe der Grenze aufgegriffen wurden, sowie auf Kriminelle.

Die Mutter, die hart arbeite um ihre Kinder zu ernähren, solle keine Angst haben, sagte der damalige Präsident – de facto war das eine Duldung von Menschen, die sich nichts zuschulden kommen ließen.

Nun kann sich offenbar niemand mehr sicher fühlen. Bei aktuellen Razzien wurden auch Menschen festgenommen, nach denen gar nicht gesucht wurde, die einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren.

Eine Ausnahme jedoch hat Trump bis jetzt nicht angerührt: Obama ermöglichte 2012 mit dem "Daca"-Erlass Menschen, die als Kinder oder Jugendliche in die USA gekommen waren, eine verlängerbare zweijährige Arbeitserlaubnis. "Daca" schützt derzeit rund 750.000 Menschen vor der Abschiebung.

Gibt es Widerstand?

Schon im Januar haben die Bürgermeister von New York, Chicago, San Francisco und anderen sogenannten "Sanctuary Cities" angekündigt, Trumps Abschiebepläne nicht zu unterstützen. Das ist nichts Neues: Los Angeles etwa, wo rund eine halbe Million Illegale leben, hat sich auch schon unter Obama verweigert.

Der Knackpunkt liegt in der Zusammenarbeit zwischen der Einwanderungspolizei ICE und den lokalen Polizeibehörden, die Amtshilfe leisten, also zum Beispiel Illegale ausfindig machen und sie im Gefängnis unterbringen sollen.

Der Polizeichef von Los Angeles, Charlie Beck, brachte die Haltung der rebellischen Städte auf den Punkt: "Das ist nicht unser Job, und wir machen es nicht zu unserem Job."

Trump drohte damit, Zahlungen des Bundes zu stoppen - was wahrscheinlich wiederum gegen die Verfassung verstößt. Eine Einigung wäre wichtig, wenn Trump sein Versprechen halten will, schließlich lebt die überwiegende Mehrheit der Menschen ohne Papiere in Ballungsgebieten.

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