Inmitten massiver Proteste wegen eines Treffen mit ihrem israelischen Kollegen Eli Cohen in Rom ist die libysche Außenministerin Nadschla al-Mangusch "vorläufig suspendiert" worden. Die Chefdiplomatin werde einer "administrativen Untersuchung" unterzogen, erklärte Regierungschef Abdelhamid Dbeibah am Sonntagabend im Online-Dienst Facebook. Während Cohen das Treffen als "ersten Schritt" in den Beziehungen beider Länder wertete, bezeichnete das libysche Außenministerium es als inoffizielle "Zufallsbegegnung".

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Das Vorgehen der Außenministerin werde nun durch eine Kommission unter dem Vorsitz der Justizministerin untersucht, erklärte Regierungschef Dbeibah. Libyen und Israel unterhalten keine diplomatischen Beziehungen.

Was in Rom passiert sei, sei "eine zufällige und inoffizielle Begegnung" während eines Treffens al-Manguschs mit ihrem italienischen Kollegen Antonio Tajani gewesen, erklärte das Außenministeriums in Tripolis am Sonntag. Dabei sei es "zu keinerlei Diskussion, Vereinbarung oder Konsultation" gekommen, hieß es in einer Stellungnahme.

Vielmehr habe die Ministerin "in klarer und unzweideutiger Weise die Position Libyens gegenüber der palästinensischen Sache" bekräftigt. Al-Mangusch habe es "abgelehnt, mit irgendeiner Partei zu sprechen", die Israel vertrete, und bleibe "kategorisch" bei dieser Haltung. Das Ministerium verurteilte zudem "das Ausschlachten des Zwischenfalls durch israelische und internationale Medien".

Cohens Büro hatte zuvor mitgeteilt, dass die beiden Außenminister sich vergangene Woche in Rom getroffen hätten. Demnach wurde das Treffen vom italienischen Außenministers Antonio Tajani ausgerichtet. Israel bezeichnete es als die erste diplomatische Initiative dieser Art zwischen den beiden Ländern.

Bei dem Treffen sei es um "das große Potenzial der Beziehungen zwischen beiden Ländern" gegangen, hieß es in der Erklärung aus Jerusalem. Dies sei ein "erster Schritt in den Beziehungen zwischen Israel und Libyen", erklärte Cohen. "Die Größe und die strategische Lage Libyens bieten eine immense Chance für den Staat Israel", hieß es weiter.

Zudem sei die "Bewahrung des jüdischen Erbes" in Libyen zur Sprache gekommen, darunter die Renovierung von Synagogen und jüdischen Friedhöfen. Nach dem Militärputsch des langjährigen libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 1969 waren die letzten in dem Land verbliebenen Juden vertrieben, ihr Eigentum beschlagnahmt und Synagogen zerstört worden.

Das Bekanntwerden des Treffens hatten in Libyen massive Proteste ausgelöst. Der dreiköpfige Präsidialrat, der die drei Regionen Libyens vertritt, verlangte eine "Klarstellung" von der Regierung, wie der libysche Fernsehsender al-Ahrar TV unter Berufung auf ein Schreiben von Ratssprecherin Nadschiwa Wheba berichtete.

In dem von der Sprecherin bestätigten Schreiben hieß es, das Treffen spiegele weder "die Außenpolitik des libyschen Staates" noch "die nationalen libyschen Konstanten" wider. Es werde "als Verstoß gegen die libyschen Gesetze betrachtet, die eine Normalisierung mit der zionistischen Entität kriminalisieren". Der Rat forderte den Regierungschef auf, rechtlich gegen die Ministerin vorzugehen, falls das Treffen stattgefunden habe.

Zugleich gingen in Tripolis und mehreren Vororten der Hauptstadt zahlreiche Menschen auf die Straße, um gegen eine mögliche Normalisierung der Beziehungen zu Israel zu protestieren. Später griffen die Proteste auch auf andere Städte über, wo Demonstranten Straßen blockierten, Reifen verbrannten und die palästinensische Flagge schwenkten.

Israel hat seine Beziehungen zu einigen arabischen Ländern seit 2020 im Rahmen der von den USA vermittelten Abraham-Abkommen normalisiert, darunter zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko. Die rechtsreligiöse Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zog jedoch wegen der zunehmenden Gewalt im Westjordanland und dem von ihr befürworteten Ausbau jüdischer Siedlungen in den besetzten Gebieten zuletzt verstärkte Kritik etlicher arabischer Staaten auf sich.

In Libyen herrschen seit dem Sturz und gewaltsamen Tod von Machthaber Gaddafi im Jahr 2011 Chaos und Gewalt, bewaffnete Milizen und ausländische Söldner bekämpfen sich. Die von der UNO anerkannte Übergangsregierung in der Hauptstadt Tripolis im Westen ringt mit einer Gegenregierung im Osten um die Macht im Land. Die Gegenregierung wird vom dort ansässigen Parlament und dem mächtigen General Chalifa Haftar unterstützt. Geplante Wahlen wurden wiederholt verschoben.  © AFP

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