Im vergangenen Winter haben Lieferengpässe für Kinderarzneien viele Familien in Sorge versetzt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kündigt nach einem Spitzengespräch an: Die Produktion soll so stark wie möglich hochgefahren werden.

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Um weitere Engpässe bei Kinderarzneien zu vermeiden, soll die Produktion bis zum technischen Limit erhöht werden. "Wir werden in diesem Herbst und Winter alles tun, um sicherzustellen, dass Kinder die benötigten Arzneimittel bekommen", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstag nach einem Spitzengespräch zu dem Thema in Berlin. Die betroffenen Verbände begrüßten die Initiative, forderten aber zugleich weitergehende Maßnahmen.

Versorgungslage bei Kinderarzneimitteln
In einer Apotheke stehen auf einem Regal Fiebersäfte für Kinder. Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht eine stabilere Versorgung mit Kinderarzneimitteln in diesem Herbst und Winter. © dpa / Annette Riedl

Zu dem Termin hatte Lauterbach Vertreterinnen und Vertreter der Ärzte- und Apothekerschaft sowie von Pharmaunternehmen geladen. Zwar könnten weitere Engpässe nicht komplett ausgeschlossen werden, sagte Lauterbach nach dem Gespräch – aber "wir sind deutlich besser aufgestellt als im letzten Jahr". Dies liege an der Bereitschaft der Pharmaindustrie, mehr zu produzieren, betonte der Minister.

Im vergangenen Winter waren nach einer Infektwelle Lieferprobleme etwa bei Fieber- und Hustensäften für Kinder eskaliert. "Es gibt zu wenige Anbieter solcher Mittel, weil die Festpreisregelung bei uns zu einem Abwandern der Produktion in Billiglohnländer wie Indien und China geführt hat", sagte im Dezember 2022 der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach. "Dort gibt es nun Lieferkettenprobleme, was wiederum zu Lieferengpässen führt."

Lauterbach: Horten ist nicht sinnvoll

Die Herstellung von Schmerzmitteln, Antibiotika und Fiebersäften habe im Vergleich zum letzten Winter um teilweise bis zu 100 Prozent gesteigert werden können, sagte er. Dies sei nur gelungen, weil die Unternehmen bereit seien, 24 Stunden und sieben Tage die Woche zu arbeiten – im Drei-Schicht-Betrieb.

"Wir sind an der technischen Obergrenzen dessen, was leistbar ist", sagte Lauterbach. Er appellierte zugleich an die Eltern: "Bitte keine Hamsterkäufe". Dies sei "das Gebot der Stunde". Ein kleiner Hausvorrat an Arzneimitteln sei sinnvoll, das Horten hingegen nicht.

Der SPD-Politiker kündigte als weiteren Schritt zur Entspannung der Versorgungslage mehr Befugnisse für die Apotheken an. "Wir geben sehr viel Verantwortung in die Hände der Apothekerinnen und Apotheker", sagte er. Diese könnten nun selbstständig die Darreichungsformen der Medikamente verändern und Produkte selbst herstellen – ohne Befragung der Ärzte und ohne neues Rezept.

Lauterbach gab zudem bekannt, eine "High-Level-Gruppe" in seinem Ministerium gegründet zu haben. Das mit Vertreterinnen und Vertretern der Ärzte– und Apothekerschaft sowie von Pharmaunternehmen besetzte Gremium solle sich wöchentlich austauschen und Lauterbach einen Lagebericht zur Versorgung mit Kinderarzneien übergeben.

Immer noch zu wenig Hersteller

Bei einem normalen Infektionsgeschehen sollten die Hersteller in den kommenden Monaten genug Ware haben, sagte der Vorstandsvorsitzende des Arzneimittelverbands Pro Generika, Andreas Burkhardt, nach dem Treffen. Es gebe jedoch immer noch nur sehr wenige Hersteller, die die Produktion der Kinderarzneimittel stemmen müssten. "Am Grundproblem ändern sie nichts", ergänzte Burkhardt. Er forderte deshalb die Politik auf, die Strukturen zu ändern – und im Dialog mit der Pharmabranche zu bleiben.

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, sprach von einer "günstigeren Ausgangssituation" im Vergleich zum letzten Jahr. Dies sei "eine wichtige Nachricht für die Familien, Eltern und Kinder". Es seien jedoch weitere Maßnahmen notwendig, um die dauerhafte Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Medikamenten sicherzustellen. "Deshalb bleiben wir an dieser Stelle nicht stehen", betonte er.

Zustimmung von Apothekerverbänden

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) begrüßte die von Lauterbach versprochene Ausweitung der Befugnisse von Apothekerinnen und Apothekern: "Um flexibel auf Lieferengpässe zu reagieren, brauchen unsere Apothekenteams maximale Entscheidungsfreiräume", erklärte Verbandspräsidentin Gabriele Regina Overwiening. Es müsse jedoch sichergestellt werden, dass diese Freiheiten auch eingesetzt werden können.

Lauterbach hatte erst kürzlich mit Verweis auf eine "angespannte Versorgungssituation" den Pharma-Großhandel zur Bevorratung von Medikamenten für Kinder aufgefordert. Zuvor hatte der Kinderärzteverband bereits vor einer verschärften Arzneimittelknappheit im Herbst und Winter gewarnt.

Der Verband rechnet nach eigenen Angaben nicht damit, dass ein im Juni beschlossenes Gesetz des Bundestages gegen Lieferengpässe bei Medikamenten bereits in diesem Jahr seine Wirkung zeigt. Durch dieses sollte der Kostendruck auf die Pharmahersteller gesenkt werden, damit der Verkauf der Medikamente in Deutschland lohnenswerter wird. (afp/dpa/fab)

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