Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich kurz vor der Europawahl besorgt über rechte Tendenzen in der vom CSU-Politiker Manfred Weber geführten Parteienfamilie EVP geäußert. "Ich stelle einen Rechtsruck in der EVP fest, gegen den ich kämpfe. Wer sich zu sehr nach rechts lehnt, riskiert, aus dem Fenster zu fallen", warnte Juncker in einem am Freitag veröffentlichten Interview der Zeitung "Luxemburger Wort".

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Zu der christdemokratischen EVP gehören neben Junckers Partei CSV und der deutschen CDU und CSU unter anderem die Regierungsparteien aus EU-Ländern wie Österreich, Schweden, Griechenland und Irland. Sie führt derzeit in Umfragen zur Europawahl und hat Ursula von der Leyen als ihre Spitzenkandidatin für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin nominiert.

Umstritten ist, dass sich von der Leyen jüngst offen für eine Zusammenarbeit mit der ultrarechten Partei der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni gezeigt hatte. Als ein Grund dafür gilt, dass sie für eine Wiederwahl durch das Europaparlament auf Stimmen von der Partei von Meloni angewiesen sein könnte.

Juncker, der von 2014 bis 2019 EU-Kommissionspräsident war, sagte nun: "Wenn traditionelle Parteien damit beginnen, wie Rechtspopulisten zu reden, dann werden die Grenzen zwischen gestandenen Volksparteien und den Rechtsextremen verwischt - auch in der Wahrnehmung innerhalb der Bevölkerung. Damit kann die Demokratie nur verlieren." Es würde der EVP gut zu Gesicht stehen, sich meilenweit vom allgemeinen Rechtsdrall fernzuhalten. Zugleich betonte er, dass er auch andere Parteien für die Entwicklungen für verantwortlich halte. "In Frankreich hat Emmanuel Macron den Rechtsruck zu verantworten und nicht die EVP", sagte er.

Juncker warnte vor jeder formellen Koalition mit rechtsextremen Parteien. Zu einer möglichen Zusammenarbeit zwischen der EVP und Melonis Fratelli d'Italia äußerte sich Juncker etwas zurückhaltender als noch vor einigen Monaten. "Ich muss zugeben, dass Giorgia Melonis Partei wider meiner Erwartungen einen eher pro-europäischen Kurs fährt", sagte er. Allerdings müsse man auch auf den Diskurs achten, den Parteien pflegten, bevor sie an die Macht gekommen seien, und darauf, welches Menschenbild sie vertreten hätten.  © dpa

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