Ein niederländisches Gericht hat Geert Wilders wegen Gruppenbeleidigung und Anstiftung zu Diskriminierung schuldig gesprochen. Eine Strafe muss der Rechtspopulist allerdings nicht zahlen. Und freuen kann er sich über viel Aufmerksamkeit in den Medien.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Busch sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Antwort kommt über Twitter, das Lieblingsmedium von Geert Wilders. "Verrückt" sei das Urteil, lässt der niederländische Rechtspopulist am Freitag wissen.

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Zuvor hat ein Amsterdamer Gericht seinen Schuldspruch verkündet: Es verurteilt Wilders wegen der Beleidigung einer Bevölkerungsgruppe und wegen Anstiftung zu Diskriminierung. "Auch ein demokratisch gewählter Politiker steht nicht über dem Gesetz", sagt der Vorsitzende Richter zur Begründung.

Stimmungsmache gegen Marokkaner

Im März 2014 hatte Wilders in Den Haag auf einer Wahlparty gerufen: "Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner in dieser Stadt und in den Niederlanden?" Aus der Menge seiner Anhänger ertönte ein lautes "Weniger, weniger!" Und Wilders sagte: "Dann werden wir das regeln." Deswegen hatte ihn die Staatsanwaltschaft angeklagt und eine Geldstrafe von 5.000 Euro gefordert.

Die Richter entscheiden sich am Freitag für ein Einerseits-Andererseits-Urteil: Sie sprechen Wilders schuldig, verhängen aber keine Geldstrafe. Mit der Verurteilung werde man der Sache auch gerecht, finden sie.

Wilders ist bei der Verkündung nicht im Saal. Er hat den Prozess boykottiert – bis auf den Tag, an dem ihm als Angeklagtem das letzte Wort zustand. Da pochte er auf die Meinungsfreiheit.

Nach dem Schuldspruch behauptet er, das Gericht habe nicht nur ihn, sondern auch "das halbe Land" verurteilt. Der Politiker ist überzeugt, dass Millionen von Niederländern hinter ihm stehen. Denn mit Kritik an marokkanischstämmigen Einwanderern hat er schon häufig Stimmen gesammelt.

Vor allem stehen die Niederländer hinter der Meinungsfreiheit. Man müsse alles sagen können, finden viele im Land. "Auch viele Menschen, die Wilders Ansichten nicht teilen, finden, dass er deswegen nicht vor ein Gericht gehört", sagt Joost van Spanje, Experte für politische Kommunikation an der Universität von Amsterdam.

Prozess war für Wilders Gold wert

Allerdings hatte die Staatsanwaltschaft auch rund 6.400 Anzeigen angeführt, die nach Wilders berüchtigter Rede erstattet worden waren – vor allem von Niederländern marokkanischer Abstammung. "Es gab Kinder, die ihre Eltern ängstlich gefragt haben: Müssen wir jetzt hier weg?", erzählt Bouchaib Saadane, Vorsitzender eines Interessenverbands marokkanischstämmiger Niederländer. "Wir wollen, dass die Richter Wilders endlich Grenzen setzen."

Das hat das Gericht getan. Allerdings dürfte sich Wilders dadurch nicht eingeengt fühlen. Während des Rechtsstreits war er fast jeden Tag im Fernsehen und in Zeitungen zu sehen. "Es ging in diesem Prozess um Wilders' Thema, für das er viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Insofern war der Prozess für ihn Gold wert. Was Wählerstimmen betrifft, konnte er sicher Pluspunkte sammeln", erklärt van Spanje.

Der Populist reitet derzeit auf einer Erfolgswelle. Im kommenden März wählen die Niederländer ein neues Parlament und in mehreren Umfragen liegt seine "Partei für die Freiheit" vorne. Das habe mit der Unzufriedenheit mit den anderen Parteien zu tun, sagt Joost van Spanje. Aber auch die Flüchtlingskrise und der Prozess hätten ihm offenbar Zulauf verschafft. "Wir, das Volk, werden den Kampf gegen die Elite gewinnen", hatte Wilders in seiner Aussage vor Gericht großspurig gesagt.

Wilders will EU-Austritt und Koranverbot

Wilders teilt gerne aus gegen diese Elite. Dabei ist er selbst ein Teil davon, betonen Beobachter. Er ist einer der erfahrensten Abgeordneten im niederländischen Parlament, in der Politik an sich ist der Exzentriker schon seit rund 25 Jahren. Zunächst arbeitete er für die liberale Partei des derzeitigen niederländischen Ministerpräsidenten Marc Rutte. 2004 trat er dort aus und gründete 2006 seine eigene Partei, deren einziges Mitglied er selbst ist.

Wilders will den EU-Austritt der Niederlande und ein Verbot des Korans. Muslimen will er die Einreise verweigern, denn der Islam ist für ihn eine "totalitäre Ideologie". Angeblich haben ihm seine radikalen Forderungen zahlreiche Morddrohungen eingehandelt. Deswegen hat der Jurist mit seiner aus Ungarn stammenden Frau keinen festen Wohnsitz und sagt, dass er stattdessen in Gefängnissen und Kasernen lebe.

Weil er vor Gericht stand, hat Wilders die Niederlande auf eine Ebene mit der Türkei gestellt. Allerdings hinkt der Vergleich gewaltig. Bis auf die Prozesskosten hat die Verurteilung für Wilders keinerlei Folgen. Abgeordneter bleibt er trotzdem, selbst Ministerpräsident könnte er werden. Der Wahlkampf dürfte für ihn mit dem Urteil gerade begonnen haben.

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