• Holpriger Weg, aber nun steht das Bürgergeld. Es soll mit dem Jahreswechsel an die Stelle des Hartz-IV-Systems treten.
  • Was ändert sich nun im Vergleich zu Hartz-IV? Ein Blick auf Regelsätze, Sanktionen und Vertrauenszeiten.

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Nach langem Ringen ist der Weg frei: Hartz IV wird mit dem Jahreswechsel durch das Bürgergeld ersetzt. In letzter Instanz hat der Bundesrat sein Ja gegeben. Zuvor hatte der Bundestag den Gesetzentwurf gebilligt.

Die Umwandlung der Sozialleistung gilt als eines der Prestige-Projekte der Ampel-Koalition, das bereits im Koalitionsvertrag angekündigt worden war. Wochenlang hatten die Länder, in denen die Union regiert oder an der Regierung beteiligt ist, die ursprünglichen Ampel-Pläne blockiert.

Deshalb war ein Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat eingesetzt worden, um einen zustimmungsfähigen Kompromiss zu erzielen. Das ist nun gelungen, wenn auch mit einigen Zugeständnissen in puncto Sanktionen und Schonvermögen, die die Union durchdrücken konnte. In einigen grundlegenden Punkten unterscheiden sich Hartz IV und Bürgergeld aber trotzdem. Wir geben einen Überblick.

Die Höhe der Regelsätze

Das Bürgergeld bringt für Bedürftige höhere staatliche Leistungen im Bereich der Grundsicherung. Prinzipiell unterscheiden sich die Berechnungen der Regelsätze für Hartz IV und Bürgergeld nicht. Beim Bürgergeld kommt aber ein Inflationsausgleich dazu, der den Regelsatz für Alleinstehende ab dem 1. Januar 2023 von aktuell 449 Euro auf 502 Euro steigen lässt, also knapp 50 Euro mehr im Monat.

Wie auch beim Hartz-IV-System erhalten verschiedene Personengruppen unterschiedlich viel Geld. Bislang haben volljährige Partner 404 Euro erhalten, mit dem Bürgergeld sind es 451 Euro. Bei Kindern steigen die Regelsätze zum Beispiel bei den Sechs- bis 13-Jährigen von 311 Euro auf 348 Euro. Die Höhe der Regelsätze stand schon seit Einführung des Hartz-IV-Systems in der Kritik.

Während Sozialverbände sie als zu niedrig kritisierten, sehen andere höhere Regelsätze als problematisch an. Sie würden die Anreize, arbeiten zu gehen, schmälern. Wichtig für die knapp fünf Millionen Leistungsbezieher: Wer bislang einen Anspruch auf Grundsicherung hatte, muss für das Bürgergeld keinen neuen Antrag stellen.

Sanktionen und Leistungskürzungen

Vom ersten Tag an sind auch beim Bürgergeld Sanktionen umfassend möglich. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte eigentlich eine sechsmonatige "Vertrauenszeit" gefordert, in der Betroffenen nur eingeschränkt Leistungskürzungen durch die Jobcenter gedroht hätten.

Auf Druck der Union wurde diese "Vertrauenszeit" aber gestrichen. Wie auch bei Hartz-IV sind damit Sanktionen möglich, wenn Arbeitslose zum Beispiel eine Stelle nicht antreten oder Termine immer wieder versäumen. Wie stark die Leistungen gekürzt werden, hängt davon ab, wie oft eine Pflichtverletzung bereits stattgefunden hat.

In der Vergangenheit waren bei Hartz-IV Kürzungen der Bezüge um 60 Prozent beim zweiten Pflichtverstoß möglich. Schon 2019 urteilte das Verfassungsgericht in Karlsruhe aber, dass Leistungsminderungen nur bis zu 30 Prozent zulässig sind. So wird es auch beim Bürgergeld sein: Leistungen können beim ersten Pflichtverstoß um zehn Prozent gekürzt werden.

Erfolgt eine weitere Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres um 20 Prozent und in einem weiteren Schritt um 30 Prozent. Allerdings gilt noch bis Mitte 2023 das sogenannte Sanktionsmoratorium. In dieser Übergangszeit dürfen Leistungen nur um höchstens 10 Prozent gekürzt werden.

Karenzzeit und Schonvermögen

Die Karenzzeit meint die Zeit, in der Schonvermögen nicht angetastet wird und die Kosten der Wohnung ohne weitere Überprüfung übernommen werden. Die Ampel hatte sie für zwei Jahre angesetzt. Nun beträgt sie nur noch ein Jahr und es soll – wie es auch bereits bei Hartz-IV der Fall war – auf die Angemessenheit der Heizkosten geachtet werden.

Kassiert hat die Union auch die geforderte Höhe des Schonvermögens. Dem Kompromiss zufolge wird Leistungsbeziehern 40.000 Euro eigenes Vermögen zugestanden (jeder weiteren Person im Haushalt 15.000 Euro), die Ampel hatte 60.000 Euro geplant.

Mit dem Bürgergeld erhöht sich im Vergleich zu Hartz-IV das Schonvermögen auch außerhalb der Karenzzeit. Bislang war die Summe, die unangetastet bleibt, altersabhängig. Der Grundfreibetrag betrug 150 Euro pro Lebensjahr, die Höchstgrenzen (maximal 10.050 Euro für Erwachsene) waren nach Geburtsjahr gestaffelt. Das Bürgergeld führt eine altersunabhängige Summe von 15.000 Euro ein.

Wohneigentum und Zuverdienst

Unter bestimmten Bedingungen soll künftig selbstbewohntes Wohneigentum zum Schonvermögen gehören, zum Beispiel bei bis zu vier Bewohnern ein Haus bis 140 Quadratmeter Wohnfläche. Ebenso wird Vermögen für die Altersvorsorge in Zukunft häufiger zum Schonvermögen gezählt. Weiterhin gilt für Arbeitslose aber die Nachweispflicht, sie müssen ihr Vermögen also für das Jobcenter auflisten.

Was sich im Vergleich zu Hartz-IV noch ändert, sind die Zuverdienstmöglichkeiten. Konkret heißt das: Leistungsbezieher, die zwischen 520 und 1.000 Euro dazuverdienen, sollen künftig mehr von ihrem Einkommen behalten dürfen: Die Freibeträge in diesem Bereich steigen von 20 auf 30 Prozent.

"Fördern" beim Jobcenter im Vordergrund

Das Verhältnis zwischen Arbeitslosen und den fast 75.000 Mitarbeitern in 405 Jobcentern soll sich verändern. Die Ampel selbst spricht von einer Beziehung, die "mehr auf Augenhöhe" stattfinden soll. Anders gesprochen: Mehr "Fördern" statt "Fordern" seitens der Jobcenter. Dazu zählt zum einen, dass die Jobcenter mit Arbeitslosen einen Plan aufstellen sollen, in dem der vorgesehene Weg zurück zu regulärer Arbeit festgelegt wird.

Zum anderen: Wo bislang die sofortige Vermittlung in einen Job die größere Rolle spielte, soll mit dem Bürgergeld der Fokus auf Weiterbildung, Qualifizierung und langfristigen Beschäftigungsmöglichkeiten liegen. Der sogenannte Vermittlungsvorrang fällt also weg.

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