Das Europaparlament hat das EU-Lieferkettengesetz zum Schutz von Menschenrechten gebilligt. Das umstrittene Vorhaben ist auf den letzten Metern abgeschwächt worden. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Nach monatelangen Verhandlungen hat das Europäische Parlament am Mittwoch das EU-Lieferkettengesetz beschlossen. Die neuen Regeln für Unternehmen kommen in abgeschwächter Form, weil unter anderem die FDP das Gesetz auf den letzten Metern blockierte, sodass neue Verhandlungen unter den Mitgliedstaaten nötig wurden.

Das Gesetz soll europaweit Unternehmen für Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltverschmutzung bei der Produktion ihrer Güter in die Pflicht nehmen.

Für wen gilt das Gesetz?

Unter das Gesetz fallen Unternehmen und ihre Mutterkonzerne mit mindestens 1.000 Beschäftigten, die weltweit jährlich mindestens 450 Millionen Euro umsetzen. Das gleiche gilt für Unternehmen, die mindestens 80 Millionen Euro Umsatz machen, wenn davon mindestens 22,5 Millionen Euro durch Einnahmen aus Lizenzgebühren generiert werden.

Im Vergleich zu einem früheren Kompromiss fallen damit zahlreiche Firmen nicht mehr unter das Gesetz. Zuvor war in dem Text von Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mindestens 150 Millionen Euro die Rede. Außerdem wurden zusätzliche Vorgaben für die Textilbranche und die Lebensmittelproduktion gestrichen.

Was müssen Unternehmen leisten?

Unternehmen sind unter dem Gesetz künftig verpflichtet, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt zu ermitteln. Mögliche Folgen müssen sie laut Gesetzestext "verhindern, mildern, beenden und beheben". Außerdem müssen sie die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards auch bei ihren Partnerunternehmen in der Wertschöpfungskette überwachen. Dazu zählen Lieferanten, Vertriebspartner, Transportunternehmen, Lagerdienstleister oder auch die Abfallwirtschaft.

Welche Strafen würden den Unternehmen drohen?

Nach dem Lieferkettengesetz drohen Firmen bei Verstößen Strafen in Höhe von bis zu fünf Prozent ihres weltweiten Umsatzes. Für die Überwachung und Ermittlungen sollen nationale Behörden zuständig sein, koordiniert von der EU-Kommission. Opfer von Menschenrechtsverletzungen oder Umweltverschmutzung sollen ein Recht auf Entschädigung haben.

Unternehmen, die sich an das Lieferkettengesetz halten, sollen zudem einen Vorteil in öffentlichen Ausschreibungen in der EU bekommen. Das ist als zusätzlicher Anreiz gedacht.

Welche Kritik gibt es?

Der Bundesverband deutscher Industrie (BDI) warnte vor "großer Rechtsunsicherheit" und "überbordender Bürokratie". Das Gesetz könnte nach Ansicht von Wirtschaftsverbänden dazu führen, dass Unternehmen ihre Wertschöpfungsketten weniger breit in verschiedene Länder diversifizieren und so die Abhängigkeit von einzelnen Staaten steigern.

Warum musste nachverhandelt werden?

Die Unterhändler der EU-Länder und des Europaparlaments hatten sich eigentlich bereits im Dezember auf einen Kompromiss geeinigt. Die Zustimmung beider Seiten gilt nach einer solchen Einigung in der Regel als Formalie. Die FDP verweigerte im letzten Moment jedoch die deutsche Stimme im Rat der Mitgliedstaaten. Die sogenannte qualifizierte Mehrheit aus mindestens 15 Ländern und mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung kam somit nicht zustande.

In den folgenden Verhandlungen wurde das Gesetz abgeschwächt, sodass Italien und mehrere kleine Mitgliedstaaten zustimmten, die das Gesetz zuvor abgelehnt hatten. Deutschland wurde überstimmt. Der abgeschwächten Version hat das Parlament jetzt zugestimmt.

Was gilt in Deutschland?

In Deutschland gilt bereits seit Anfang des Jahres ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, auf die Einhaltung internationaler Standards zu Menschenrechten und Umwelt entlang der eigenen Lieferkette zu achten. Konkret geht es darin etwa um Kinderarbeit und Ausbeutung. Das Gesetz gilt für Unternehmen mit mehr als 1.000 in Deutschland Beschäftigten.

Unternehmen müssen nach dem Gesetz im eigenen Geschäftsbereich sowie bei ihren direkten Zulieferern Risikoanalysen vornehmen sowie Präventions- und Abhilfemaßnahmen schaffen. Außerdem müssen sie über Menschenrechtsverletzungen Bericht erstatten und Beschwerdemöglichkeiten einrichten. (afp/fab)

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