Die Tafeln in Deutschland unterstützen derzeit 150.000 Flüchtlinge täglich mit Lebensmitteln – zusätzlich zu den etwa eine Million Bedürftigen. Nur die Dachauer Tafel macht eine Ausnahme. Sie weigert sich. Dafür ist die vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) getragene Einrichtung massiv in die Kritik geraten. Nun will man diese Entscheidung offenbar noch einmal überdenken.

Mehr aktuelle News

Die Tafeln in Deutschland versorgen bedürftige Menschen mit Lebensmitteln, Kleidung und Informationen. Auch Flüchtlinge gehören zu den Nutzern der Einrichtungen - mit einer Ausnahme. Die Dachauer Tafel verteilt keine Lebensmittel an nicht anerkannte Flüchtlinge. Dieser Beschluss wurde 2013 getroffen und sorgt in der aktuellen Flüchtlingssituation für große Aufmerksamkeit. Seitdem die Nachricht in der vergangenen Woche die Runde machte, sehen sich Verantwortliche und Helfer einem Sturm der Entrüstung ausgesetzt.

"Ausgrenzung ist Verstoß gegen die Grundsätze des Bundesverbandes"

Kritik hagelt es von allen Seiten: SPD- und Grünen-Politiker fordern den CSU-Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) auf, die Entscheidung zu revidieren – sogar Rücktrittsforderungen wurden laut. Auch der Vorsitzende des Bundesverbandes der Tafeln, Jochen Brühl, wettert. "Die Ausgrenzung bestimmter Gruppen ist mit der Tafel-Idee schlichtweg nicht vereinbar und ein Verstoß gegen die Grundsätze des Bundesverbandes", sagte er der "SZ".

Dagegen wehrt sich die Dachauer Tafel. Zwar war der Vorsitzende des BRK-Kreisverbandes Dachau, Bernhard Seidenath, persönlich nicht zu erreichen, doch in einer aktuellen Mitteilung weist die Tafel die Vorwürfe, "Unterschiede zwischen Religionen oder Gruppen" zu machen, "vehement zurück".

Zu wenig Waren für Moslems

Zwei Drittel der etwa 1.200 Menschen, die versorgt würden, hätten einen Migrationshintergrund. Darunter seien auch anerkannte Flüchtlinge. Allerdings, gäbe es Kapazitätsprobleme. In der Mitteilung der Dachauer Tafel räumt man ein, dass zu wenige Waren für Muslime vorhanden seien. Man helfe Asylbewerbern, nur eben nicht mit Lebensmitteln. Die Verantwortlichen verweisen auf bereits geleistete Flüchtlingshilfe. So habe die Tafel dem Helferkreis Asyl in Weichs Lammfelldecken zur Verfügung gestellt. Außerdem sei einer syrischen Familie beim Um- und Einbau einer Küche geholfen worden.

Der Vorsitzende des BRK-Kreisverbandes Dachau, Bernhard Seidenath, wundert sich über die aktuelle Berichterstattung. "Zwei Jahre hat sich keiner aufgeregt", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Den Beschluss von vor zwei Jahren verteidigte er mit den Worten: "Asylbewerber sollen lernen, ihr Geld richtig einzuteilen." Dem fügte er hinzu: "Wenn sie für einen Euro bei der Tafel so viele Lebensmittel bekommen, wie sie wollen", würde dieser Effekt konterkariert. BRK-Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk verteidigt den Beschluss. Er könne die Argumente nachvollziehen. Eingreifen wolle er nicht.

Tafel spricht von "Hetzkampagne"

Die Dachauer Tafel spricht von einer "Hetzkampagne", die die freiwilligen Helfer zur Aufgabe zwingen könnte. "Vielleicht überlegen sich mal alle was passiert, wenn die ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht mehr wollen und ihre Tätigkeit einstellen, dann kann der Tafelbetrieb nicht mehr sichergestellt werden. Leidtragende sind unsere Kunden, die die Hilfe gerne angenommen haben und auch zu schätzen wissen", heißt es in der Mitteilung.

"SZ"-Informationen zufolge scheint es ein Einlenken zu geben. Demnach habe Seidenath am Mittwoch angekündigt, das BRK in Dachau werde erneut über den Zugang von Asylbewerbern zur Tafel entscheiden. Dies solle nächste Woche geschehen. Allerdings warnt er vor einer Überforderung: "Unsere Leute haben Angst, dass sie die Menge der zu versorgenden Menschen ganz einfach überfordert, wenn noch die Asylbewerber hinzukommen." Es sei dann wöchentlich mit 1.600 Tafelbesuchern zu rechnen.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.