• In Russland wird Mitte September die neue Duma gewählt, in St. Petersburg zeitgleich das Regionalparlament.
  • In der Vergangenheit waren die Abstimmungen zu beiden Volksvertretungen weder frei noch fair.
  • Einen besonders dreisten Fall von Wahlmanipulation hat nun der Vize-Chef der Oppositionspartei Jabloko, Boris Wischnewski, öffentlich gemacht.

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Drei bärtige Männer, drei Namen, ein Wahlbezirk: Boris Wischnewski, Boris Wischnewski und Boris Wischnewski treten bei den Wahlen zum St. Petersburger Regionalparlament an, die im selben Zeitraum wie die Dumawahl abgehalten werden. Richtig gelesen: Alle drei Kandidaten tragen denselben Vor- und Nachnamen – und das ist alles andere als ein Zufall.

Denn einer der Wischnewskis tritt für die Oppositionspartei Jabloko an, deren Vize-Chef er auch ist – die anderen beiden sind sogenannte Spoiler-Kandidaten. Ihr Zweck: Sie sollen die Wählerschaft verwirren und so dem Oppositionellen Stimmen abnehmen.

Dazu haben sowohl der 43-jährige Boris Gennadijewitsch Wischnewski als auch der 59-jährige Boris Iwanowitsch Wischnewski ihren Vor- und Nachnamen geändert, laut russischen Medienberichten erst vor wenigen Wochen. So hieß ersterer bis vor Kurzem noch Alexej Schmelew, letzterer Wiktor Bykow. Über ihn ist bekannt: Er arbeitet für einen Politiker der russischen Regierungspartei Einiges Russland, der wiederum im September für die Duma kandidiert.

"Bevor er ein 'Boris Wischnewski' wurde, sah er anders aus: Er hatte keinen Bart", sagte der richtige Wischnewski der Nachrichtenagentur AFP mit Blick auf Bykow. Tatsächlich sieht der auf einem offiziellen Foto auf der Webseite des St. Petersburger Regionalparlaments völlig anders aus als auf dem offiziellen Kandidatenposter. Wischnewski vermutet sogar digitale Nachbesserungen, sodass die anderen beiden ihm noch ähnlicher sehen.

Gleichnamige Spoiler-Kandidaten Standardrepertoire gegen die Opposition

Wischnewski twitterte die Kandidatenliste samt der Fotos seiner gleichnamigen Widersacher. Die Liste hängt in allen Wahllokalen, für viele Wählerinnen und Wähler ist sie eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Der 65-Jährige, ganz rechts im Bild, beschwerte sich dementsprechend über seine "Doppelgänger", wie es der bekannte Oppositionspolitiker und Kolumnist der unabhängigen Zeitung "Nowaja Gaseta" ausdrückte.

"Das ist politischer Betrug", betonte er. "Diese Leute treten zur Wahl an, nicht um gewählt zu werden oder ein Programm zu vertreten, sondern um Wähler durcheinanderzubringen."

Wischnewski sagte, er habe erwartet, gegen gleichnamige Kontrahenten anzutreten. Deren Aufstellung ist in Russland eine häufig genutzte Strategie gegen populäre Kandidaten. Als er aber am Sonntag das Wahlplakat mit den zwei fast identisch aussehenden Kandidaten gesehen habe, sei er geschockt gewesen.

Weder die beiden fraglichen Kandidaten noch die lokale Vertretung von Wladimir Putins Partei Einiges Russland antworteten auf eine Anfrage der AFP.

Die schmutzigsten Wahlen in Russland sind immer die nächsten

Die Regional- wie die russische Parlamentswahl findet vom 17. bis 19. September statt. Unter anderem aufgrund von Korruptionsskandalen erreichte die Regierungspartei nach Angaben des staatlich kontrollierten Meinungsforschungsinstituts WTSIOM zuletzt Zustimmungswerte von nur etwa 27 Prozent.

Fast alle bekannten Vertreter der Opposition sind nicht zur Wahl zugelassen. Der wichtigste Kritiker von Präsident Putin, Alexej Nawalny, sitzt im Gefängnis, seine Organisation wurde verboten.

"Jedes Mal, wenn Wahlen stattfinden, sagen wir (die russische Opposition, Anm. d. Red.), dass dies die schmutzigsten Wahlen sind, die es je gab", erklärte Wischnewski dem britischen "Guardian". "Ich bin sicher, dass wir das auch bei den nächsten Wahlen sagen werden." (afp/mf)

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