Neuer Wirbel um Boris Palmer: Tübingens umstrittener Bürgermeister hält im September einen Vortrag in Ungarn – und das nicht irgendwo, sondern an einem Orban-nahem Institut. Es ist nicht die erste Provokation des früheren Grünen-Politikers.

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Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer wird am 5. September im Budapester Mathias Corvinus Collegium (MCC) auftreten, einer Bildungseinrichtung, die eng mit der Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban verbunden ist. Palmer werde auf Einladung des Deutsch-Ungarischen Instituts, das zum MCC gehört, einen Vortrag halten und an einer anschließenden Diskussion teilnehmen, bestätigte die Pressestelle der Stadt Tübingen am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Was die Reise so pikant macht: Unter Orban beschreitet das Land den Weg von der Demokratie nach rechts außen.

Boris Palmer: Ein Kommunalpolitiker, der polarisiert

Das MCC hatte den Auftritt Palmers und seinen Vortrag mit dem Titel "Über die grüne Grenze" bereits vorige Woche angekündigt. Palmer ist seit 2007 Oberbürgermeister in Tübingen. Seine Bedeutung reicht jedoch seit jeher weit über die schwäbische Universitätsstadt hinaus. Mit Äußerungen etwa zur Flüchtlingspolitik sorgte er immer wieder für Kontroversen und sah sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt.

Manch einer sagt, die Palmer-Formel lautet so: Nimm eine weitläufig akzeptierte Meinung der Mehrheit innerhalb der Grünen-Partei, suche den größtmöglichen Gegensatz, der noch von einer vermuteten Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird und vertritt diese Meinung entweder in der "Bild"-Zeitung oder in einem der vielen Talkshow-Formate.

Doch zumindest bei den Grünen ist damit Schluss. Im Mai dieses Jahres war Palmer aus der Öko-Partei ausgetreten. Es wäre allerdings zu einfach, Palmer nur auf die Rolle des Provokateurs zu beschränken. Bundesweite Anerkennung fanden etwa sein Management während der Corona-Pandemie sowie seine kommunale Umweltpolitik.

Nun also geht es für Palmer nach Ungarn – eine Reise, die zumindest Fragen aufwirft. In Budapest fährt Regierungschef Orban eine aggressive Asylpolitik, die Metallzäune an den Grenzen, die Nichtanerkennung von Asylgründen und widerrechtliche Rückschiebungen vor allem nach Serbien einschließt. Der Europäische Gerichtshof hat Ungarn deshalb mehrfach verurteilt.

Denkfabrik, die rechte und rechts-konservative Kreise vernetzt

Das MCC gilt als Kaderschmiede der Regierung des Rechtspopulisten Orban. Die Bildungseinrichtung und Denkfabrik importiert unter anderem Ideen ultrarechter Publizisten aus den USA, deren Schriften es in ungarischer Übersetzung veröffentlicht. Zugleich arbeitet es an der internationalen Vernetzung rechts-konservativer und ultra-rechter Aktivisten und Bewegungen.

Vorsitzender des Stiftungsrats des MCC ist Balazs Orban, der - mit dem Regierungschef nicht verwandte - politische Direktor des Ministerpräsidentenamtes. Stiftungsrat und Führungsspitze des MCC sind mit handverlesenen Orban-Loyalisten besetzt. (dpa/fah)  © dpa

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