In den Tagen nach dem rassistischen Anschlag in Hanau verbreiten sich im Netz falsche und irreführende Berichte. Sie entbehren jeder Grundlage und sollen Zweifel an der Darstellung der Ereignisse säen.

Diese Kolumne stellt die Sicht von CORRECTIV.Faktencheck - Fakten für die Demokratie und Alice Echtermann (CORRECTIV) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Tat hat nicht nur in Deutschland entsetzt: Am 19. Februar erschoss Tobias R. im hessischen Hanau mutmaßlich neun Menschen und anschließend seine Mutter und sich selbst. Er suchte für den Anschlag laut Medienberichten zwei Shisha-Bars in Hanau auf.

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Die Meldung verbreitete sich blitzartig über die Sozialen Netzwerke, doch gesicherte Informationen der Behörden lagen zunächst nicht vor. Der perfekte Nährboden für Desinformation.

Wir von CORRECTIV.Faktencheck haben viele der Falschnachrichten überprüft. Sie werden offenbar gezielt verbreitet, um die Darstellung der Ereignisse durch Medien und Behörden unglaubhaft zu machen, bauen jedoch selbst meist auf Gerüchten auf.

Für uns sind solche Behauptungen von Unbekannten und ohne Belege kein Grund, an den Aussagen der Behörden zu zweifeln. Wir stützen uns bei unseren Faktenchecks auf gesicherte Informationen.

Fakt ist: Aktuell konzentrieren sich die Ermittlungen laut Generalbundesanwalt allein auf Tobias R.

Gerüchte über mehrere Täter

Die Polizei schrieb bereits gegen 5:00 Uhr morgens am Donnerstag in einer Pressemitteilung, der mutmaßliche Täter sei tot in seiner Wohnung gefunden worden: "Hinweise auf weitere Täter gibt es derzeit nicht“. Dennoch hält sich hartnäckig das Gerücht, es habe mehrere Täter gegeben und sie stammten aus dem Clan-Milieu. Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Zudem werden im Netz WhatsApp-Sprachnachrichten unbekannten Ursprungs verbreitet, in denen Menschen zum Teil falsche Gerüchte streuen, zum Beispiel, dass es auch zu Angriffen in anderen Orten als Hanau gekommen sei.

Andere Berichte stützen sich auf eine Aussage eines angeblichen Zeugen, der sagt, er habe den Täter zwar nur von hinten gesehen, sei sich aber trotzdem sicher, dass es nicht der in den Nachrichten gezeigte Tobias R. war.

Ermittler gehen von rassistischem Motiv aus

Ebenfalls irreführend ist die Theorie, die unter anderem von AfD-Chef Jörg Meuthen verbreitet wurde, dass die Tat kein rechter Terror sei oder es kein politisches Motiv gebe, weil Tobias R. offensichtlich psychisch krank sei.

Dem widersprechen die offiziellen Angaben der Behörden: "Wir gehen von einem zutiefst rassistischen Weltbild des mutmaßlichen Täters aus. Wir haben aufgrund von Äußerungen von ihm in Videosequenzen auf seiner Homepage sowie einer Art Manifest [...] dieses Weltbild feststellen können", sagte Generalbundesanwalt Peter Frank auf einer Pressekonferenz.

An der Verbreitung mancher Falschmeldungen waren auch Fehler in Medienberichten des ZDF oder der Lokalpresse beteiligt. So hieß es in einem ZDF-Bericht am Donnerstagmorgen (20. Februar), die Polizei habe einen rechten Hintergrund des Anschlags dementiert. Dem war nicht so – die Polizei hatte lediglich gewarnt, Gerüchte zu verbreiten.

Und unter anderem hatte die Zeitung Hanauer Anzeiger fälschlich berichtet, der Vater von Tobias R. sei Mitglied der Grünen. Richtig ist: Er kandidierte einmal 2011 für die Grünen bei einer Ortsbeiratswahl, ohne je Mitglied gewesen zu sein. Laut den Hanauer Grünen gab es seitdem keinen Kontakt mehr. Während die Lokalzeitung und das ZDF ihre Fehler korrigierten, blieben die Behauptungen auf Websites wie PI-News weiter stehen.

Alles über den Vorfall in Hanau, finden Sie auf unserer Themenseite Hanau.

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