• Gewitter, Hagel, Starkregen: Deutschland erlebt derzeit viele Unwetter.
  • Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst erklärt, inwieweit das Phänomen mit dem Klimawandel zu tun hat.
  • Angesichts der Hitzewelle in Kanada warnt er, dass die "Ausschläge noch oben zunehmen" werden.

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Das Wetter spielt verrückt - dieser Satz lag zuletzt wohl so manchem auf der Zunge. Nach einigen heißen Tagen gab es zuletzt täglich irgendwo in Deutschlands Unwetter mit Gewittern, Starkregen oder sogar Hagel.

Überflutete Unterführungen, vollgelaufene Keller, umgestürzte Bäume sowie vom Hagel zerborstene Glasscheiben waren die sichtbare Folgen dieser lokal teilweise heftigen Unwetter. In Tschechien wütete sogar ein Tornado in einer Kleinstadt.

Was sich nun viele fragen: Ist diese massive Häufung von Unwettern eine weitere Folge des Klimawandels? "Aktuell haben wir das Phänomen, dass sich feuchtwarme Luft über großen Teilen Deutschlands hält. So etwas hat aber erst einmal nichts mit Klimaerwärmung zu tun, das ist im chaotischen System der Atmosphäre immer möglich und gab es auch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer mal wieder", erklärt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst im Gespräch mit unserer Redaktion.

Friedrich ergänzt: "Wetter ist nicht Klima. Momentan erleben wir Wetter und das spielt 'verrückt', wie es im Volksmund heißt. Das kann über ein, zwei Wochen durchaus einmal passieren." Doch der Wetterexperte sieht bei den Unwettern auch einen Anteil der weltweiten Klimaerwärmung, nämlich bei den sogenannten Starkregenereignissen. "Da konnten wir über das Wetterradar, das es etwa seit 20 Jahren gibt, feststellen, dass diese Ereignisse stark zugenommen haben."

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Friedrich über Unwetter in Deutschland: "Nicht die neue Normalität"

Allerdings benötige es 30 Jahre, um "Klimatrends festzulegen", erklärt Friedrich und fügt an: "Bei den Temperaturen wissen wir das bereits, dort haben wir die Daten seit 1881, und seither stieg die Durchschnittstemperatur um 1,6 Grad Celsius."

Die Klimaerwärmung ist also in vollem Gange, mit all ihren Folgen. Doch Starkregenereignisse, wie in den vergangenen Tagen, werden in Deutschland eher nicht zur Regel. "In den vergangenen drei Jahren hatten wir trockene Sommer, da waren die Unwetter sehr selten und sind weniger aufgetreten. Da herrschten in Deutschland Hitzewellen und Dürren", sagt Friedrich.

Der Experte prognostiziert: "Man kann also nicht sagen, dass es die neue Normalität ist, aber es ist festzuhalten, dass Starkregenereignisse im Sommer, wenn sie auftreten, heftiger ausfallen. Es wird also nicht unbedingt die Häufigkeit, sondern die Stärke der Unwetter zu nehmen."

Die Erklärung für seine Aussage liefert Friedrich gleich mit: "Die Atmosphäre hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erwärmt und dadurch kann dort mehr Feuchtigkeit gespeichert werden. Wenn die Wetterbedingungen passen, kann diese Feuchtigkeit dann auch binnen kürzester Zeit abregnen."

Hitzewelle nicht verantwortlich für Unwetter

Vor gut zwei Wochen stöhnten Deutschland und seine Nachbarländer noch über eine Hitzewelle, doch diese hat nicht für die aktuelle Wetterlage gesorgt. Es seien feuchte Luftmassen vom Mittelmeer und ein Tiefdruckgebiet nach Deutschland gekommen, sodass die zuvor herrschende warme Luft aufsteigen konnte und sich daraus Gewitter und Unwetter bildeten, berichtet Friedrich.

Während in Deutschland also die täglichen Unwetter in den vergangenen Tagen zuletzt für einen verregneten Sommer sorgten, herrschen in Kanada absolute Rekordtemperaturen mit bis zu 50 Grad Celsius. Beinahe täglich werden dort die Temperaturrekorde geknackt und es sterben Menschen aufgrund der Hitze. Das Örtchen Lytton Town, in dem die Rekorde gemessen wurden, fiel dem Feuer, das möglicherweise durch menschliche Fehler ausgelöst und durch die Hitze begünstigt wurde, nahezu komplett zum Opfer.

"Das ist sicherlich schon ein Ergebnis der Klimaerwärmung, die weltweit, nicht nur in Deutschland, stattfindet", bilanziert der Sprecher des Deutschen Wetterdienstes. Er warnt: "Die Ausschläge nach oben werden zunehmen und immer heftiger werden, sodass wir weltweit immer neue Hitzerekorde erwarten müssen. Allein in Deutschland hat die Zahl der Hitzetage, sprich Temperaturen über 30 Grad, deutlich zugenommen und sollen noch weiter ansteigen."

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Experte Friedrich: Hitze wird zur tödlichsten Wettergefahr

Ein Szenario, wie in Kanada könnte also auch in Deutschland eintreten. Die Hitze werde in den kommenden Jahrzehnten die tödlichste Wettergefahr sein, prognostiziert Friedrich. "Zum Beispiel sind bei der Hitzewelle 2003 in Europa mehrere 10.000 Menschen zusätzlich gestorben. Es kommen mehr Menschen durch die Hitze zu Schaden, als durch die Unwetter, die wir jetzt erleben."

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Die Unwetter, wie wir sie aktuell in Deutschland verzeichnen, könnten also in Zukunft das geringere Übel sein im Vergleich zur Hitze, die durch die Klimaerwärmung entsteht. "Wir müssen Anpassungsstrategien entwickeln, um die Bevölkerung zu schützen. Es werden mehr Wohnungen klimatisiert sein, die Städte dürfen nicht weiter versiegelt werden, sondern durch Parks und Grünflächen müssen die Hitzeeffekte etwas gedämpft werden."

Über den Experten: Andreas Friedrich arbeitet beim Deutschen Wetterdienst und ist dort unter anderem der Tornado-Beauftragte.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Andreas Friedrich, DWD
  • Tagesschau.de: Hunderte Hitzetote in Kanada
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