Venedig wurde über Jahrzehnte von Massentourismus und Klimawandel so gebeutelt, dass die Unesco jetzt dazu rät, die Lagunenstadt als bedrohtes Weltkulturerbe einzustufen. Über die Empfehlung soll im September der Welterbe-Rat der Mitgliedstaaten der UN-Organisation entscheiden. Auch das Great Barrier Reef gilt seit heute als besonders schützenswert.

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Massentourismus, ein Bauboom und der Klimawandel haben Venedig so zugesetzt, dass die Unesco nun empfohlen hat, die Stadt als bedrohtes Weltkulturerbe einzustufen. Der italienischen Lagunenstadt drohten "irreversible" Schäden, falls die Behörden in Italien nicht mehr zum ihrem Schutz täten, begründete die UN-Kulturorganisation am Montag in Paris ihre Empfehlung. Im September stimmt der Welterbe-Rat der Unesco-Mitliedstaaten über die Einstufung ab.

Eine Kombination der Folgen von menschengemachten und natürlichen Faktoren verschlechtere in Venedig die Bausubstanz und lasse das Stadtgebiet "verfallen", teilte die Unesco in der Begründung ihrer Empfehlung mit. Zu den Verschlechterungen zählt die UN-Kulturorganisation neben den Auswirkungen von Tourismus und den Konsequenzen des Klimawandels auch Hochhaus-Bauprojekte, die einen "erheblichen negativen optischen Eindruck" hinterließen. Viele dieser Probleme seien seit Jahren bekannt.

Die UNESCO beklagt das "Fehlen einer allgemeinen strategischen Vision"

Italien mache allerdings insgesamt "keine nennenswerten Fortschritte" bei der Bewältigung der komplexen Probleme, tadelte die Unesco. Die von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen seien "unzureichend", die Unesco beklagte zudem das "Fehlen einer allgemeinen strategischen Vision". Die italienischen Behörden und zivilgesellschaftliche Gruppen im In- und Ausland müssten mehr Engagement zeigen, um den "außergewöhnlichen universellen Wert" der historischen Stadt und ihrer Lagunen zu schützen und zu erhalten.

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Die im 5. Jahrhundert gegründete Inselstadt ist eine der meistbesuchten Städte der Welt, voller architektonischer Schätze und Kunstwerke. Zu Spitzenzeiten übernachten dort 100.000 Touristen pro Nacht, dazu kommen zehntausende Tagesbesucher. Venedig betreibe noch immer "zu viel Massentourismus und keinen nachhaltigen Tourismus - zum Nachteil der Bevölkerung. Venedig darf nicht in ein Freilichtmuseum verwandelt werden", sagte ein Unesco-Diplomat gegenüber AFP.

Über die Empfehlung der Unesco soll im September vom Welterbe-Rat der Mitgliedstaaten der UN-Organisation entschieden werden. Die Unesco hatte Venedig sowie die dazugehörigen Lagunen 1987 zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt. 2021 war Venedig einer Einstufung als gefährdetes Unesco-Welterbe dank einer Änderung seiner Regeln für Kreuzfahrtschiffe, die durch ihre großen Wellen das Fundament der Stadt abtrugen, knapp entgangen.

Auch das Great Barrier Reef wurde als besonders schützenswert eingestuft

Ebenfalls am Montag empfahlen die Experten der Unesco, der australischen Regierung mehr Zeit für den Schutz des Great Barrier Reefs einzuräumen. Der Klimawandel bedroht das Ökosystem massiv, er führt zu großflächigen Korallenbleichen.

Der Zustand des riesigen Korallenriffs sorgte immer wieder für Spannungen zwischen den australischen Behörden und der Unesco, die damit drohte, den Touristenmagneten als "gefährdet" einzustufen. Doch dank neuer, "begrüßenswerter" Maßnahmen der Mitte-links-Regierung des australischen Premierministers Antony Albanese, darunter umgerechnet 2,65 Milliarden Euro zum Schutz des Naturwunders, soll der Status des Korallenriffs als Welterbe nun erst wieder 2024 überprüft werden, wie die Unesco mitteilte.

Die Welterbe-Kommission tagt in ihrer jährlichen Sitzung dieses Jahr vom 10. bis 25. September in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. Dabei sollen 53 neue Anträge für die begehrte Einstufung als Unesco-Welterbe geprüft werden.

Mit der Gefährdungs-Kennzeichnung soll eine bessere Erhaltung der Welterbestätten gefördert werden. In Ausnahmefällen kann einer Stätte auch der Status als Welterbe entzogen werden. Zuletzt verlor die britische Küstenstadt Liverpool 2021 ihre Auszeichnung als Unesco-Weltkulturerbe.(afp/jst)

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