• Bei den Vorwahlen der Republikaner im US-Bundesstaat Ohio hat sich mit J. D. Vance ein ehemaliger Kritiker von Ex-US-Präsident Donald Trump durchgesetzt.
  • Der Bestsellerautor Vance hatte lange aussichtslos hinten gelegen – bis Donald Trump ihm seine Unterstützung aussprach. Es folgte eine beispiellose Aufholjagd.
  • Das Ergebnis der Wahl zeigt, dass Trump noch immer einflussreich ist. Doch wer ist eigentlich J. D. Vance?
Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Matern sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der Bestsellerautor und Kapitalmanager J. D. Vance hat die parteiinterne Vorwahl der Republikaner im US-Bundesstaat Ohio gewonnen. Er setzte sich mit rund 32 Prozent der Stimmen deutlich gegen seinen schärfsten Konkurrenten Josh Mandel durch, der auf nur 24 Prozent kam.

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Deshalb tritt Vance bei den anstehenden Kongress-Zwischenwahlen im November 2022, bei denen ein Drittel des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt werden, für die Republikaner an. Im Kampf um den frei werdenden Sitz im Senat muss er sich dann gegen den Demokraten Tim Ryan behaupten. Für die Demokraten steht bei dieser Wahl viel auf dem Spiel: Sie könnten ihre Mehrheiten im Senat und Repräsentantenhaus verlieren.

Donald Trump ist zurück: Der Königsmacher von J. D. Vance

Der Erfolg von J. D. Vance bei den Vorwahlen kam in Anbetracht der Lage um Ostern herum überraschend. Denn Vance galt zu diesem Zeitpunkt noch als Außenseiter ohne große Chancen. Er hatte zuvor noch nie für ein politisches Amt kandidiert. In seinem ersten Wahlkampf musste er sich darüber hinaus gegen teils deutlich erfahrenere und daher auch besser vernetzte Kandidaten behaupten.

Den Negativtrend in den Umfragen für Vance stoppte niemand anderes als der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Mitte April hatte Trump Vance seine offizielle Unterstützung ausgesprochen und damit die Popularität des ehemaligen Kritikers Trumps mit einem Schlag rasant gesteigert. Nun zeigt sich Trump als Königsmacher und damit auch, welchen Einfluss er noch hat.

Trumps Unterstützung: Es geht nur ums Gewinnen

Trumps Unterstützungserklärung, das sogenannte "endorsement", liest sich wie eine seiner unzähligen Reden aus seinem eigenen Wahlkampf. Die MAGA-Patrioten (Make America Great Again) seien bereit, den Republikanern einen Wahlsieg zu bescheren, um die Fehler der linksradikalen Demokraten und Joe Biden zurückzuweisen, heißt es in der Erklärung. "Im Bundesstaat Ohio ist J. D. Vance der Kandidat, der am besten qualifiziert und bereit ist, im November zu gewinnen. Wir können keine Spielchen spielen. Es geht nur ums Gewinnen."

J. D. Vance werde seinen demokratischen Gegner, den Trump nicht beim Namen nennt, in den Debatten zerstören und all das viele Geld, das die Demokraten einsetzten, würde ihnen nichts nutzen. "Es ist an der Zeit, dass sich die gesamte MAGA-Bewegung, die größte in der Geschichte unseres Landes, hinter J. D.'s Kampagne stellt, denn im Gegensatz zu so vielen anderen Heuchlern und Möchtegerns wird er Amerika an die erste Stelle setzen."

J. D. Vance vollzieht Kehrtwende: Vom Kritiker zum Trump-Getreuen

Dass gerade Donald Trump auf die Finanzen der Demokraten anspielt, ist vor dem Hintergrund seiner eigenen Wahlkampffinanzierung, in die der Milliardär Peter Thiel involviert war, interessant. Thiel hat nun laut Bloomberg nach zehn Millionen Dollar Mitte April weitere 3,5 Millionen Dollar in den Wahlkampf von J. D. Vance gesteckt. Kein Wunder, dass die FAZ zuletzt über Thiel schrieb, "er investiert in eine neue Generation von Trumpisten."

Zu dieser neuen Generation gehört J. D. Vance. Und das, obwohl er einst zu den konservativen Kritikern Trumps gehörte und daher auch in liberalen Talkshows ein gern gesehener Gast gewesen war. Trump wischte die Vergangenheit in seinem Statement allerdings in einem Satz weg: "Wie einige andere hat auch J. D. Vance in der Vergangenheit vielleicht nicht so tolle Dinge über mich gesagt, aber er hat es jetzt verstanden, und ich habe das in Hülle und Fülle gesehen. Er ist unsere beste Chance auf einen Sieg in einem möglicherweise sehr harten Rennen."

Er nannte Donald Trump einst einen Idioten

Dabei hatte Vance Trump öffentlich scharf angegriffen. Er habe Trump nie gemocht und sei ein "Niemals-Trump-Typ", so Vance in einem Interview mit Charlie Rose im Jahr 2016. In einem inzwischen gelöschten Tweet, aus dem Politico zitiert, nannte er Trump einen Idioten. Sein Buch "Hillbilly Elegie", eine Autobiografie über sein Aufwachsen in einer Familie der weißen Unterschicht und den sozialen Niedergang im amerikanischen Rostgürtel tat sein Übriges dazu.

Vance gilt als jemand, der die Bedürfnisse der Arbeiterklasse versteht. Das wird auch über seinen demokratischen Konkurrenten Tim Ryan gesagt, der Vance bereits diesbezüglich angegriffen hatte: "Vance ist ein abgehobener Millionär, der eine Karriere daraus gemacht hat, die Ar­bei­te­r­klas­se zu verunglimpfen, und er ist die denkbar schlechteste Wahl, um Ohio zu vertreten", ätzt Ryan auf Twitter gegen seinen Rivalen.

Vance habe Ohio verlassen, um in San Francisco das große Geld zu machen, indem er in Unternehmen investierte, die von der Globalisierung und dem Freihandel profitiert hatten. Ob die Kritik fruchtet, wird sich zeigen. Die Vorwürfe der Scheinheiligkeit seiner republikanischen Vorwahl-Gegner um Matt Dolan und Josh Mandel hatten jedenfalls nicht gezogen und waren spätestens mit der offiziellen Unterstützung durch Trump hinfällig.

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Unterstützung auch von Trumps ältestem Sohn

Hatte er vor fünf Jahren noch Trumps Nationalismus kritisiert und Trump für einen gefährlichen Scharlatan gehalten, bereitete Vance seine Kehrtwende bei rechten Talkshow-Moderatoren wie Tucker Carlson oder dem Verschwörungsideologen Steve Bannon vor. Vance ließ keine Gelegenheit aus, Trump zu loben und auf die "radikale Linke" zu schimpfen, die angeblich Amerika zerstöre.

Dabei umgibt sich Vance mit Leuten, die Trump nahestehen. Dazu gehört beispielsweise Trumps ältester Sohn Donald Junior, der auch auf J. D. Vances offizieller Website zitiert wird: "Im Gegensatz zum Establishment-Berufspolitiker Josh Mandel ist JD ein konservativer Außenseiter, dem wir vertrauen können, dass er sich gegen die radikale Linke und die schwachen RINOs im Senat durchsetzt."

RINO ist die Abkürzung für "Republican In Name Only", also "nur dem Namen nach Republikaner" und wird als abwertende Bezeichnung für Parteimitglieder genutzt, die nach Ansicht der Riege um Trump keine echten Republikaner sind und nicht die Werte der MAGA-Bewegung teilen.

Politisch voll auf Trump-Linie

J. D. Vance dagegen ist politisch voll auf Linie. Er stellt sich als Außenseiter gegen die korrupten Eliten dar, schimpft auf Einwanderung, positioniert sich klar für das Recht auf Waffen, gegen Chinas Einfluss und gegen Abtreibung. So verwundert es auch kaum, dass zu seinen offiziellen Unterstützern laut eigener Website auch die Initiative "Ohio Right to Life" zählt, die sich gegen Abtreibungen einsetzt.

Bei alldem steht eine Prämisse ganz oben: "America First", der Slogan Donald Trumps. So kritisierte Vance Präsident Joe Biden in einem Video auf Twitter scharf für dessen Engagement bezüglich des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine: "Um ehrlich zu sein, ist es mir eigentlich egal, was mit der Ukraine passiert. Ich habe es satt, dass Joe Biden sich auf die Grenze eines Landes konzentriert, das mir egal ist, während er die Grenze seines eigenen Landes zu einem totalen Kriegsgebiet werden lässt."

Dagegen sei es ihm nicht egal, dass in seiner Gemeinde die Haupttodesursache bei den 18- bis 45-Jährigen Fentanyl aus Mexiko sei, das über die südliche Grenze in die USA gelange. Um das Argument zu stärken, nutzt Vance auf Wahlkampfveranstaltungen die persönliche Geschichte seiner drogensüchtigen Mutter. In diesem Narrativ führen offene Grenzen zur Einfuhr gefährlicher Drogen.

Einst soll Olaf Scholz wegen ihm geweint haben

Die Wandlung des promovierten Elitesoldaten, der im Irakkrieg im Einsatz war und später als Hedgefonds-Manager in San Francisco arbeitete, ist erstaunlich. Seine Autobiografie soll laut FAZ sogar Olaf Scholz zum Weinen gebracht haben und ihn zur Betonung des "Respekt"-Begriffs im Bundestagswahlkampf 2021 inspiriert haben. Von dieser Bewunderung dürfte nun nicht mehr allzu viel übrig sein.

Seine persönliche Lebensgeschichte vom sozialen Aufstieg und die Frage, wie dieser für mehr Menschen möglich gemacht werden kann, spielt nämlich im Gegensatz zur Hervorhebung in seiner Autobiografie keine Rolle mehr. In dieser heißt es: "Die Leute sollen wissen, wie es sich anfühlt, wenn man sich fast schon selbst aufgegeben hat, und warum es tatsächlich so weit kommen kann. Die Leute sollen verstehen, was im Leben der Armen vor sich geht, welche psychologische Wirkung diese geistige und materielle Armut auf ihre Kinder hat."

J. D. Vance über Trump: Für jedes komplexe Problem verspricht er eine einfache Lösung

Obwohl er selbst an der Elite-Universität seinen Abschluss erhielt, schimpft er mittlerweile sogar auf die Universitäten des Landes, die an der Linksradikalität vieler Politiker schuld seien. Der verheiratete Vater einer Tochter klingt immer mehr selbst nach Trump und bietet einfache Lösungen für komplexe Probleme.

Kurz vor der Wahl Trumps 2016 hatte er diesen dagegen noch mit "kulturellem Heroin“ in einem Aufsatz für The Atlantic verglichen: "Manche fühlen sich durch ihn eine Zeit lang besser." Trump habe keine wirklichen Lösungen für die Probleme: "Was Trump anbietet, ist eine einfache Flucht vor dem Schmerz. Für jedes komplexe Problem verspricht er eine einfache Lösung."

Trump kann sich Namen von J. D. Vance nicht merken

Vor diesem Hintergrund stellt sich auch im politischen Washington die Frage, wie ernst die Zusammenarbeit zwischen Trump und Vance wirklich ist. Ist der Erfolg von J. D. Vance also der erste Schritt Trumps auf dem Weg zur eigenen Kandidatur 2024, die er selbst bereits mehrfach ins Spiel gebracht hatte?

Die Vorwahlen in Ohio waren jedenfalls nur der Auftakt für viele weitere "Primaries", in denen sich zeigen wird, wie groß der Einfluss von Trump noch ist. Dass er J. D. Vance bei einer Wahlkampf-Veranstaltung in Nebraska einmal J. P. nannte und kurz darauf mit J. D. Mandel ansprach, lässt jedenfalls darauf schließen, dass Trump machtpolitisch kalkuliert und keine tiefere Bindung zu Vance hat.

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Für J. D. Vance selbst bleibt zu hoffen, dass er mit seiner Prognose im Aufsatz für "The Atlantic" nicht recht behält. Er hatte den Amerikanern vorhergesagt, dass sie erkennen würden, dass Trump ihre Probleme nicht lösen könne: "Und dann wird die Nation vielleicht das schnelle Hochgefühl von ‘Make America Great Again‘ gegen echte Medizin eintauschen." Vance selbst tauschte den alten Slogan gegen den neuen Trump-Slogan "Safe America" ein. Echte Medizin ist auch das nicht.

Verwendete Quellen:

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