• Raser sollen in Österreich künftig ihr Auto verlieren.
  • Ähnliche Regelungen gibt es bereits in der Schweiz und in Italien.
  • Wäre solch ein Modell auch in Deutschland denkbar?

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Österreich hat eine Gesetzesnovelle auf den Weg gebracht, die drastische Strafen für Raser mit sich bringt. Demnach soll es künftig möglich sein, bei extremen Geschwindigkeitsüberschreitungen die Fahrzeuge der Verkehrssünder zu beschlagnahmen.

Konkret greift die Regelung ab 60 Kilometer pro Stunde über dem Tempolimit innerhalb eines Ortsgebiets oder 70 Kilometer pro Stunde außerhalb. "Es gibt eine Geschwindigkeit, bei der wird das Auto zur Waffe", sagte dazu die österreichische Verkehrs- und Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei einer Pressekonferenz. Diese Waffe wolle man Rasern "sofort und dauerhaft abnehmen können".

Das Beschlagnahmungsverfahren soll mehrere Stufen beinhalten. Im ersten Schritt kann die Polizei ein Fahrzeug an Ort und Stelle vorläufig beschlagnahmen. Im zweiten Schritt folgt die endgültige Entscheidung einer Bezirksverwaltungsbehörde. Im dritten Schritt wird das Auto schließlich versteigert. Die Gesetzesnovelle wird gerade begutachtet, soll dann aber zügig umgesetzt werden.

Ein Experte erklärt: In diesem speziellen Fall können Autos in Deutschland beschlagnahmt werden

Österreich ist nicht das erste Land mit einer solchen Regelung. Auch in der Schweiz und Italien kann die Polizei Autos von Rasern beschlagnahmen. In Deutschland ist dies nur möglich, wenn ein Straftatbestand vorliegt.

"Wo bei Straftaten das Fahrzeug als Tatmittel eingesetzt wird, kann es eingezogen werden und vom Richter als Einziehungsgegenstand bestätigt werden", erklärt Michael Mertens, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Ein Beispiel für solche Straftaten wären illegale Straßenrennen, bei denen Menschen zu Schaden kommen.

"Eine Geschwindigkeitsüberschreitung alleine reicht nicht für einen Straftatbestand", sagt der Verkehrsexperte. Stattdessen handelt es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit.

Ähnlichen Maßnahmen wie in Österreich steht Mertens skeptisch gegenüber. "Die Beschlagnahmung ist eine sehr drastische Maßnahme. So weit sind wir in Deutschland bei normalen Ordnungswidrigkeiten noch nicht. Uns wäre mit Blick auf die Verkehrssicherheit schon viel geholfen, wenn es ein schnelleres Fahrverbot gäbe."

Beschlagnahmte Autos von Rasern: Diese Erfahrungen gibt es im Ausland

"Wenn man ein Fahrzeug sicherstellt, bedeutet das einen erheblichen finanziellen Verlust", so Mertens, der ein deutlich erhöhtes Bußgeld oder ein Fahrverbot vorziehen würde. "Beim Bußgeldkatalog sind wir europaweit der Discounter", sagt Mertens und verweist auf die hohen Summen, die zum Beispiel in Skandinavien bei Verstößen fällig werden.

Oder eben in der Schweiz. Dort wurde 2012 das Maßnahmenpaket "Via Sicura" umgesetzt. Demnach kann die Polizei bei starken Geschwindigkeitsüberschreitungen Fahrzeuge einziehen, die dann zugunsten des Staates versteigert werden. Beim Verdacht fehlender Fahreignung kann darüber hinaus der Führerschein eingezogen werden. Sogar Wegfahrsperren kommen zum Einsatz.

Die Zahlen scheinen die drastischen Maßnahmen zu rechtfertigen: Im Jahr 2021 wurden bei Geschwindigkeitsunfällen in der Schweiz 797 Personen schwer und 55 tödlich verletzt. Im Vergleich zu 2011 ist das ein Rückgang um 16 Prozent über alle Verkehrsmittel im Straßenverkehr gerechnet. Betrachtet man die Personenwagen isoliert, beträgt der Rückgang sogar über 20 Prozent.

Vorbild Österreich? In Deutschland sind Beschlagnahmungen noch kein Thema

Ähnlich kompromisslos gehen die Italiener vor. Bei Fahrern, die mit mehr als 1,5 Promille erwischt werden, wird das Auto beschlagnahmt und enteignet.

Grundsätzlich unterstützt Michael Mertens eine härtere Linie. "Ganz kurz hatten wir ein strengeres Gesetz, und da merkte man schon eine deutliche Disziplinerhöhung", sagt der Verkehrsexperte. Allerdings sei das Gesetz durch das Verkehrsministerium unter dem damaligen Minister Andreas Scheuer wegen angeblicher Formfehler wieder kassiert worden. "Die Politik hat dann die bereits beschlossenen Verschärfungen zum größten Teil wieder zurückgenommen."

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Beschlagnahmungen, wie sie nun in Österreich diskutiert werden, seien in Deutschland zurzeit kein Thema, sagt Mertens. "Hier gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, und ich kenne keinen Richter, der das macht." Letztendlich komme es aber auf die Einzelfallprüfung an. Denn eines ist Michael Mertens wichtig zu betonen: "Erhöhte Geschwindigkeit ist und bleibt die Hauptunfallursache und ist damit entscheidend für die Schwere von Unfällen."

Über den Experten: Michael Mertens ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Michael Mertens
  • Anfrage bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU in Bern
  • derstandard.at: StVO-Novelle: Autos von Rasern werden künftig beschlagnahmt
  • gmx.at: Verkehrsministerin: Extrem-Rasern droht künftig Beschlagnahme
  • astra.admin.ch: Mehr Verkehrssicherheit dank Via sicura
  • verkehrsrundschau.de: Neue Regeln auf italienischen Straßen
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