Es war eine brutale Tat am helllichten Tag in Berlin: Ein Mann folgte einem anderen Mann auf einem Fahrrad und erschoss ihn von hinten. Das Opfer kämpfte früher gegen Russland. Schnell kam der Verdacht auf, der Täter sei beauftragt worden. Nun gibt es laut Medienberichten weitere Hinweise, die auf russische Geheimdienstbehörden deuten.

Mehr Panoramathemen finden Sie hier

Rund einen Monat nach dem Mord an einem Tschetschenen in Berlin und nach erneuten Zeitungsberichten über eine mögliche Verstrickung Russlands haben mehrere Politiker Konsequenzen gefordert.

Die FDP beantragte, dass der Bundestags-Innenausschuss sich am 16. Oktober mit dem Fall beschäftigen solle. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte dem "Spiegel" (Freitag): "Es erscheint unverständlich, weshalb der Fall noch nicht zu einer Sache für den Generalbundesanwalt gemacht wurde."

"Spiegel": Hinweise Richtung Russland verdichten sich

Nach einem Bericht des "Spiegel" sollen sich die Hinweise verdichten, dass russische Behörden aktiv bei der Schaffung der falschen Identität des mutmaßlichen Mörders mitwirkten. So soll sich in der Datenbank für nationale russische Ausweispapiere ein Sperrvermerk für den Namen, den der Verdächtige benutzte, finden. Solche Vermerke fanden sich nach der Enttarnung der mutmaßlichen Attentäter des russischen Ex-Agenten Sergej Skripal auch bei Personalien anderer russischer Geheimdienstmitarbeiter.

Sechs Tage, nachdem dem Verdächtigen für seine falsche Identität am 23. Juli 2019 eine Steuernummer zugeteilt worden war, beantragte er demnach ein Visum für den Schengen-Raum. Kurz zuvor hatte er unter diesem Namen auch erstmals einen russischen Reisepass erhalten. Bei Nachfragen an der Adresse in der Steuerakte war der angegebene Name unbekannt.

Tat trage "erhebliche politische Fingerabdrücke"

Röttgen sagte, die Tat scheine "erhebliche und klare politische Fingerabdrücke" zu tragen. Nichts deute für ihn auf einen Mord aus persönlichen Motiven oder eine Tat aus der Organisierten Kriminalität hin. Der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle erklärte: "Die Bundesregierung muss dringend Auskunft über ihre Erkenntnisse geben, inwiefern die Ermordung eines georgischen Staatsbürgers in Berlin auf das Konto des russischen Staates geht." Falls die Tat keinen kriminellen, sondern einen politischen oder sogar einen Spionage-Hintergrund habe, müsse der Generalbundesanwalt in Karlsruhe die Ermittlungen übernehmen.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe verfolgt die Ermittlungen seit Wochen. Man habe "die Sache im Blick", sagte ein Sprecher Ende August, wenige Tage nach dem Mord. Die Bundesanwaltschaft wäre zuständig, wenn es den konkreten Verdacht gäbe, dass hinter der Tat der "Geheimdienst einer fremden Macht" stehen könnte.

Der 40 Jahre alte Tschetschene mit georgischer Staatsangehörigkeit war am 23. August in einem kleinen Park in Berlin-Moabit erschossen worden. Der Mörder war ihm mit einem Fahrrad gefolgt und schoss ihm dann von hinten in Rücken und Kopf. Kurz nach der Tat wurde der mutmaßliche Täter, ein Mann mit einem russischen Pass, festgenommen.

Passnummer von gefälschtem Dokument deutet gen Russland

Der "Spiegel" hatte bereits berichtet, die Nummer des falschen Reisepasses führe zu einer Einheit im Moskauer Innenministerium, die in der Vergangenheit bereits Dokumente für den Militärgeheimdienst GRU ausgestellt habe. Ein Sprecher der russischen Regierung hatte erwidert: "Dieser Fall hat natürlich nichts mit dem russischen Staat und seinen Behörden zu tun."

Das Mordopfer soll nach verschiedenen Berichten Anfang der 2000er-Jahre auf der Seite muslimischer Tschetschenen gegen Russland gekämpft haben. Auf den Mann habe es im Mai 2015 in der georgischen Hauptstadt Tiflis einen Mordanschlag gegeben. Er überlebte demnach verletzt und flüchtete aus Georgien. Die Berliner Polizei hatte ihn eine Zeit lang als "islamistischen Gefährder" auf dem Schirm. (mgb/dpa)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.